AMNOG - Jahresrückblick 2023
Das Jahr 2023 war für die AMNOG-Nutzenbewertung ziemlich turbulent. Dies gleich in mehrfacher Hinsicht, wie ein Jahresrückblick zeigt.
Das Jahr im Zeichen des GKV-FinStG
Ausgerechnet im 13. Jahr nach seinem Inkrafttreten stand das AMNOG nach gravierenden Anpassungen durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) unter keinem guten Stern und damit unter besonders kritischer Beobachtung.
Nur ein Beispiel gleich zum Jahresbeginn war das unhaltbare Hin und Her bei den Benennungen des G-BA für Arzneimittelkombinationen. Zwar wurde die Praxis zuletzt im Oktober 2023 erneut angepasst und revidiert, nachdem sich eklatante Mängel aufgezeigt haben. Doch bleibt das Vorgehen auch weiterhin evidenzfrei, inkonsistent und fehleranfällig.
In einer Evaluation der Auswirkungen des GKV-FinStG zeigten sich in 2023, also bereits nach wenigen Monaten, erste konkrete negative Folgen der fehlgeleiteten Gesetzgebung für die Versorgung von Patient:innen (so z.B. die ersten Nicht-Einführungen oder Marktrücknahmen innovativer Arzneimittel) sowie den innovativen Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland. Gegen die systemwidrigen Eingriffe des GKV-FinStG in die etablierten Regeln der Arzneimittelerstattung wurden inzwischen vier Verfassungsbeschwerden eingereicht.
Nach dem Solisten-Urteil: therapeutische Solisten weiterhin ohne Würdigung
Das Jahr 2023 startete zugleich mit einer überraschenden Entscheidung durch das Bundessozialgericht (BSG) im sog. Solisten-Urteil. Bemängelt wurde darin die unzureichende Berücksichtigung der therapeutischen Solisten sowie die Vorgehensweise bei der Benennung der Arzneimittel im Off-Label-Use als zweckmäßige Vergleichstherapie.
Nach zwischenzeitlichen Turbulenzen ebneten die Änderungen im ALBVVG im Sommer dem G-BA erneut die Möglichkeit, ausnahmsweise Arzneimittel außerhalb der Zulassung als zweckmäßige Vergleichstherapie zu benennen und damit auch versorgungsrelevante Studien zu berücksichtigen. Weiterhin ohne Würdigung blieb durch die gesetzliche Anpassung jedoch der besondere Stellenwert der therapeutischen Solisten für die Nutzenbewertung.
Anzahl der AMNOG-Verfahren: weiterhin über 100 pro Jahr trotz Trendumkehr
Zum Jahresende wurden 115 AMNOG-Verfahren begonnen (Stand: 1. Dezember 2023). Nach einem stetigen Anstieg in den zurückliegenden Jahren und einem vorläufigen Höhepunkt um 2021 deutet sich inzwischen eine Trendumkehr an, insbesondere da weniger neue Arzneimittel in Deutschland eingeführt wurden. Diese Entwicklung muss vor allem im Hinblick auf die verschärften Rahmenbedingungen durch das GKV-FinStG genau beobachten werden. Weiterhin gilt jedoch, dass die meisten Verfahren inzwischen als eine erneute Bewertung oder eine Bewertung im neuen Anwendungsgebiet stattfinden. Eine kontinuierliche Nutzenbewertung der neuen Arzneimittel ist also längst der Normalfall.
Halbierung des beträchtlichen Zusatznutzens – ein Effekt der neuen AMNOG-Leitplanken?
Die Bilanz der AMNOG-Nutzenbewertung zeigt auf den ersten Blick eine weitgehend konstante Bilanz. Von den bislang bewerteten Arzneimitteln konnten bislang rund 58 % ihren Zusatznutzen in mindestens einer Bewertung zeigen. Bei der Betrachtung der einzelnen G-BA-Beschlüsse ist jedoch eine Trendumkehr zu erkennen. So ist der Anteil des nicht belegten Zusatznutzens im Jahr 2023 angestiegen.
Auffällig ist vor allem auch, dass sich der Anteil der Verfahren mit einem mindestens beträchtlichen Zusatznutzen im Vergleich zu den Jahren davor nahezu halbiert hat. Im Jahr nach dem Inkrafttreten der Verschärfungen durch das GKV-FinStG ist diese Entwicklung besonders auffällig und alarmierend. Die Tendenz könnte ein Anzeichen dafür sein, dass die G-BA-Bewertungen den Fehlanreizen der AMNOG-Leitplanken folgen. Dies wäre genau die befürchtete Fehlsteuerung dieses Instruments: weniger statt mehr Forschungsanreize.
Innovationen im AMNOG: Licht und Schatten bei der Bewertung
Erfreulich war im zurückliegenden Jahr die Anerkennung relevanter Innovationen in einer Reihe von Nutzenbewertungen. Dies betraf verschiedene Krankheitsbilder, wie Depression, chronische Nierenerkrankung oder Krebserkrankungen wie Prostatakarzinom, Mammakarzinom sowie Zervixkarzinom. Auch bei seltenen Erkrankungen wie der β-Thalassämie oder dem B-Zell-Lymphom wurde ein deutlicher Zusatznutzen anerkannt.
Das Jahr 2023 verdeutlichte aber aufs Neue, dass der unveränderbar starre Bewertungsrahmen vor allem den Herausforderungen der besonderen Therapiesituationen mit zunehmend zielgerichteten Therapien und kleineren Zielpopulationen von Patient:innen nicht gerecht wird.
Anwendungsbegleitende Datenerhebung
Neben den regulären AMNOG-Nutzenbewertungen standen auch dieses Jahr die anwendungsbegleitenden Datenerhebungen (AbD) im Fokus. Bis zum Jahresende 2023 hat der G-BA bereits elf solche Verfahren zur Prüfung gestartet und für sechs Arzneimittel eine AbD gefordert. Eine der geforderten AbD hat sich im Jahr 2023 als nicht durchführbar erwiesen. Im Zuge eines Verfahrens zur Prüfung hat der G-BA das Beratungsverfahren eingestellt. In drei weiteren Fällen entschied sich das G-BA Plenum vorab gegen eine Verfahrenseinleitung. Nach rund drei Jahren kann inzwischen eine erste Zwischenbilanz gezogen werden, die zum einen zeigt, dass die AbD kein „one-size-fits-all“-Ansatz ist und zugleich einige Verbesserungspotenziale hinsichtlich der Umsetzbarkeit und Planbarkeit aufzeigt.
AMNOG-Einsparungen auf dem Höchststand
Das Jahr 2023 markiert zugleich einen Rekord der durch das AMNOG realisierten Einsparungen. Es werden Entlastungen in Höhe von 8,3 Mrd. Euro für die gesetzlichen Krankenkassen erwartet. In dem Gesamtzeitraum von 2011 bis 2023 kumulieren sich die AMNOG-Einsparungen bereits auf knapp 45 Mrd. Euro. Für das kommende Jahr 2024 wird sogar ein Einsparvolumen in Höhe von 10,5 Mrd. Euro prognostiziert.
Europäisches HTA steht vor der Tür
Das Jahr 2023 stand zugleich im Zeichen der intensiven Vorbereitungen auf die zukünftige europäische HTA-Bewertung von neuen Arzneimitteln, die ab 2025 parallel zur Zulassung zunächst für onkologische Therapeutika und Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) starten wird. Viele Etappen wurden bereits genommen, aber es bleibt noch viel zu tun. Im kommenden Jahr müssen auch im AMNOG die richtigen Weichen gestellt werden, um eine bestmögliche Verzahnung europäischer und nationaler Prozesse, die optimale Nutzung der Ergebnisse und Planungssicherheit für Unternehmen sicherstellen.
Blick nach vorn: „AMNOG 2025“
Die Entwicklungen des zurückliegenden Jahres zeigen, dass das AMNOG einer Modernisierung bedarf. Der vfa hat hierzu mit seinem Konzept „AMNOG 2025“ einen Beitrag zur aktuellen Reformdebatte geleistet, um diesen Schritt nach vorn nachdrücklich zu unterstützen. Auch im kommenden Jahr heißt es also: keine Zeit auszuruhen! Die forschenden Pharmaunternehmen stehen für einen konstruktiven Dialog zu diesen Handlungsfeldern gerne bereit.
Noch mehr Informationen finden Sie in unserem Scrollytelling-Stück "AMNOG im Fokus":