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AMNOG 2025 – aktuelle Handlungsfelder

Das AMNOG ist ein Markenzeichen des deutschen Pharmastandorts. Der medizinische Fortschritt schreitet jedoch rasant voran. Daher müssen wir heute schon Änderungen vornehmen, damit auch neuartige Therapieansätze den Patient:innen in Deutschland zur Verfügung stehen. Gleichzeitig muss der neue Prozess der europäischen Nutzenbewertung, der ab 2025 startet, sinnvoll in das deutsche Regelwerk integriert werden. In diesem Papier wird gezeigt, wie sinnvolle Maßnahmen zur langfristigen Stabilisierung und Modernisierung aussehen könnten und warum die jüngste Gesetzgebung das bestehende System in Schieflage bringt.

Ein Netz, die Knotenpunkte sind aus Metall.

Markenzeichen „AMNOG“

Aktuelle Situation

Gen- und Zelltherapien, zielgerichtet bei kleinen, spezifischen Patientenpopulationen wirkende Arzneimittel und die mRNA-Technologie stehen für eine neue Ära der Präzisionsmedizin, bei der die klassischen Pfade der Evidenzgenerierung an Grenzen stoßen. Dies stellt Deutschland vor die Herausforderung, das AMNOG-Regelwerk der Nutzenbewertung und Preisverhandlung an die Weiterentwicklung in der Medizin anzupassen. Für solche neuartigen Therapien braucht es ein offeneres und flexibleres AMNOG – die bisherige
„Lernkurve“ des Systems verläuft hier zu flach.

Hinzu kommt der Anpassungsbedarf, den die Umsetzung der europäischen Health Technology Assessment (HTA)-Verordnung für das AMNOG mit sich bringt. Ab 2025 sollen neue Arzneimittel in einem Mehrstufenmodell ein europäisches klinisches Bewertungsverfahren durchlaufen. Die in Deutschland geltenden Prozesse und Methoden müssen dementsprechend „europatauglich“ gemacht werden. Dabei sollten die Prozesse “Hand- in-Hand" laufen und zusätzliche Aufwände, die gegebenenfalls gar zu Verzögerungen im Marktzugang führen, vermieden werden.

Jüngste Gesetzgebung

Pharmazeutische Industrie und viele Experten warnen vor den mittel- und langfristigen Konsequenzen der jüngsten Gesetzgebung. Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) wurden die Preisfindungsregeln für neue Arzneimittel tiefgreifend verändert. Der Gesetzgeber konstruierte ein starres Korsett von Vorgaben für die Erstattungsbetragsverhandlungen, die den Zusatznutzenbeschluss des G-BA entwerten und das Prinzip der nutzenbasierten Preisfindung untergraben. Ein im Vergleich zur Standardtherapie besseres Arzneimittel erhält so nicht mehr unbedingt einen höheren Preis. Zudem wurden pauschale Preisabschläge für Kombinationstherapien on top gesetzt.

Diese strukturellen Eingriffe haben das AMNOG-Verfahren in eine gefährliche Schieflage gebracht. Sie beeinträchtigen bereits wenige Monate nach Inkrafttreten die Verfügbarkeit neuer Therapien in Deutschland und sind das Gegenteil einer nachhaltigen Standortpolitik für forschende Pharmaunternehmen.

Handlungsfelder

Mit den vorliegenden Vorschlägen möchte der vfa einen konstruktiven Beitrag zur aktuellen Reformdebatte leisten und eine notwendige Modernisierung des AMNOG nachdrücklich unterstützen. Folgende Vorschläge werden zur Diskussion gestellt(1) :

1. Stärkung des „AMNOG-Prinzips“

Das Kernprinzip der nutzenbasierten Preisfindung für innovative Arzneimittel war stets: Ein Preis über der bisherigen Standardtherapie ist gerechtfertigt, wenn die neue Behandlungsmethode eine Verbesserung darstellt. Diese Logik ist vom Gesetzgeber zuletzt mit den neuen Vorgaben für Erstattungsbeträge (sog. „Leitplanken“) ausgehebelt worden. Wichtige patientenrelevante Therapieverbesserungen dürfen in den Verhandlungen zum Erstattungsbetrag zwischen Hersteller und GKV-Spitzenverband in eine Reihe von Fällen nicht mehr anerkannt werden. In vielen Therapiegebieten, auch bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 oder bei psychischen Erkrankungen, können die „Leitplanken“ eine kontraproduktive Wirkung entfalten. Durch das neue Verhandlungskorsett wird den Verhandlungspartnern und der Schiedsstelle die bisherige Möglichkeit genommen, besondere Versorgungssituationen oder Limitationen der AMNOG-Nutzenbewertungsmethodik bei der Preisbildung zu berücksichtigen und Medikamente als notwendige Therapiealternativen im Markt zu halten.

Auch der eingeführte Kombinationsabschlag untergräbt dieses Prinzip. Er verschärft den Preisdruck für viele innovative Medikamente immens. Obwohl Einsatz und Kosten von freien Kombinationen neuer Arzneimittel bereits in der Preisverhandlung der Medikamente berücksichtigt werden, soll nun ein weiterer pauschaler Rabatt in Höhe von 20 Prozent an die Krankenkassen gezahlt werden. Eine politische Kurskorrektur ist auch hier dringend erforderlich.

Der vfa schlägt vor, das Verhandlungsprinzip des AMNOG zu stärken. Die Verhandlungspartner brauchen den nötigen Spielraum, um therapeutische Verbesserungen anzuerkennen und die jeweilige Marktsituation zu berücksichtigen. Systemfremde Elemente, wie starre „Leitplanken“ oder zusätzliche pauschale Abschläge, schränken diesen Freiraum ein und sind daher wieder aus dem gesetzlichen Regelwerk herauszunehmen.

2. Anerkennung besonderer Therapiesituationen

3. Freiraum für neue Vertragsmodelle

4. Förderung therapeutischer Solisten

In Therapiesituationen, in denen bislang keine ausreichende Behandlungsmöglichkeit existiert, ist jede neue therapeutische Option von hoher Bedeutung für die Patientenversorgung. Dies gilt zum Beispiel für die Behandlung von sogenannten seltenen Erkrankungen oder für onkologische Patienten, nach Versagen bisher vorhandener Therapien in spezifischen Indikationen.

Dass diese Arzneimittel einen besonderen Stellenwert haben, hat auch das Bundessozialgericht im Februar 2023 anerkannt. Der Gesetzgeber hat aus versorgungspolitischen Erwägungen bereits Sonderbestimmungen für Arzneimittel zur Behandlung seltener Leiden sowie für Reserveantibiotika im AMNOG etabliert. Durch die gesetzliche Feststellung eines Zusatznutzens wird der Prozess der Nutzenbewertung für sie vereinfacht.

Der vfa schlägt vor, den Zugang zu therapeutischen Optionen in diesen besonderen Bereichen weiter zu fördern. Über die bisherigen Vorgaben hinaus sollte allen neuen Therapien, die eine Situation ohne ausreichende Behandlungsmöglichkeit abdecken und die mit positiven klinischen Studien bereits eine Verbesserung der Behandlungssituation nachgewiesen haben, per se ein Zusatznutzen zuerkannt werden. Sie würden dann unter diesen Ausgangsbedingungen im AMNOG preisreguliert.

5. Vorfahrt für die europäische Nutzenbewertung

Fazit

Um den Erfolg des AMNOG langfristig zu sichern, zeigt sich dringender Bedarf, einzelne Vorgaben und Verfahren an die neuen Herausforderungen anzupassen. Die forschenden Pharmaunternehmen stehen für einen konstruktiven Dialog zu diesen Handlungsfeldern gerne bereit.





Quellenangaben

(1) In einem vfa-Hintergrundpapier, das unter Moderation von Prof. Jürgen Wasem, Universität Duisburg-Essen, und Timm Volmer, Smartstep Consulting, erarbeitet worden ist, werden die Vorschläge ausführlicher dargestellt.