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"Von null auf 55.000 - das ist eine unglaubliche Leistung"

"Anfänglich sagten sie noch, HIV sei nicht ihr Problem"

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Ist es angesichts so überwältigender Probleme nicht schwierig, Prioritäten zu setzen? Wie kommen Entscheidungen bei den ACHAP zustande?»

Botswanas Präsident Festus Mogae und Spender Bill GatesDe Korte: Das ursprüngliche Projekt wurde von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung mit 50 Millionen Dollar gefördert und die US-Firma Merck & Co. steuerte den gleichen Betrag bei. Die Projektsumme betrug also 100 Millionen Dollar. Wir beschlossen, dass wir eine nationale Strategie entwickeln müssen. Sie sollte von unten nach oben arbeiten und die gesamte Gesellschaft so mobilisieren, dass tatsächlich alle Betroffenen berücksichtigt werden. Das hat sehr viel Zeit gekostet: 18 Monate für die Strategieentwicklung und weitere 18 Monate zur Priorisierung, da es sich hier um eine Partnerschaft mit der Regierung handelte. Man arbeitet schließlich mit einem Staat zusammen, also dürfen sich die eigenen Programmziele nicht von den Zielen des Landes unterscheiden, sondern müssen identisch sein. Die Entwicklung einer solchen nationalen Strategie ist immer ein langwieriger Prozess, denn die Lösung stellt einen Teil der Strategieentwicklung dar und die Elemente sind miteinander verzahnt.

Andererseits konnten wir gleichzeitig schon ein paar "schnelle Erfolge" erzielen. Wir wussten, dass bestimmte Programme dringend nötig waren, und eines davon war das Therapiezugangsprogramm. In einem weiteren Teilprogramm wurden im ganzen Land Kondome bereitgestellt. So nahmen wir sofort und gleichzeitig einige Maßnahmen in Angriff, bei denen wir davon ausgehen konnten, dass sie ohne den langen Abstimmungsprozess implementiert werden können. Ein anderes Programm betraf Blutproben. Wir mussten den sicheren Umgang mit den Proben im ganzen Land sicherstellen, was vor unserer Ankunft nicht gewährleistet war. Dies waren also Programme, die wir sofort durchgeführt haben.

"HIV nicht unser Problem": Beerdigung eines AIDS-Opfers

Parallel dazu haben wir eine nationale Strategie entwickelt. Dabei ist etwas Faszinierendes passiert: Wir begannen unseren Beratungsprozess mit verschiedenen Vertretern und Teilen der Gesellschaft, zum Beispiel mit der Polizei, für deren Mitarbeiter wir Workshops entwickelten. Anfänglich sagten sie noch, HIV sei nicht ihr Problem. Als man jedoch Nachforschungen anstellte, fand man heraus, dass die Polizei von ihren 5.000 Mann jeden Monat etwa acht Mitarbeiter verlor. Was war ihre Todesursache? Angegeben wurden Lungenentzündung, Tuberkulose und andere Krankheiten. Nachforschungen ergaben jedoch, dass alle diese Menschen an AIDS oder Krankheiten in Verbindung mit AIDS gestorben waren. Als wir die Führungsspitze der Polizei mit dieser Tatsache konfrontierten, setzte ein Umdenken ein: Ja, Sie haben tatsächlich Recht, wir haben da ein wirklich großes Problem, hörten wir nun. Und irgendwann kam die Einsicht: "Wir müssen jetzt wirklich umfängliche Präventionsmaßnahmen durchführen. Wir müssen sicherstellen, dass alle Polizeistationen über genügend Kondome verfügen. Wir brauchen Aufklärungsmaßnahmen sowie Testeinrichtungen, und alle müssen getestet werden." Und dann fing der Staat an, mehr Geld für die Programme bereitzustellen als ursprünglich vorgesehen. Als wir die Initiative starteten, betrug das nationale Budget Botwanas für den Kampf gegen HIV/AIDS etwa drei Millionen Dollar pro Jahr. Bei meiner Abreise waren es 350 Millionen Dollar. Mehr als das Hundertfache. Derzeit wird ein erheblicher Teil des gesamten Staatshaushaltes für HIV/AIDS bereitgestellt. Also hat die Entwicklung der nationalen Ziele in vielfacher Weise zu einem Beratungsprozess geführt, der dazu beigetragen hat, die gesamte Gesellschaft gegen HIV/Aids zu mobilisieren.

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Das hört sich fast nach einer Erfolgsstory ohne Gegenwind an! Gab es keine größeren Probleme, die Sie zu lösen hatten?»

HIV-Tests im Labor: Personal ist knappDe Korte: Die größte Herausforderung ist der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Sagen wir zum Beispiel, Sie möchten ein Therapieprogramm starten, die Medikamente sind verfügbar und viele Probleme sind gelöst, aber dann stellen Sie fest: Sie haben nicht genug Ärzte. Sie haben keine Apotheken, es gibt keine Labortechniker und so weiter. Wenn Sie feststellen, dass weniger als fünf Prozent der Bevölkerung getestet werden, dann müssen Sie die Testkapazitäten erweitern. Die nächste Frage besteht darin, wo Sie Beratungspersonal finden, wo Sie die Mitarbeiter herbekommen, um die Testkapazitäten tatsächlich sicherzustellen, denn im Land gibt es eigentlich kein Personal. Das Problem des Personalmangels ist am wichtigsten - und am schwierigsten zu überwinden. Ähnliche Erfahrungen haben wir auch anderswo in Afrika gemacht. Der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern ist eines der Hauptprobleme und einer der Gründe, warum Geld oftmals nicht so schnell ausgegeben wird, wie man vielleicht möchte, denn es gibt unter diesen Umständen gar keine Möglichkeit, es sinnvoll auszugeben.

Das andere schwierige Problem, mit dem wir konfrontiert wurden, war die extreme Verleugnung des HIV-Problems und gesellschaftliche Stigmatisierung. Manchmal war es sehr schwer, dieses Maß an Verleugnung zu durchbrechen. Die Leute waren nicht immer zur Zusammenarbeit bereit. Sie waren sich dieser schweren Krise, die außerordentliche Anstrengungen und Maßnahmen erfordert, nicht immer bewusst.

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