"Von null auf 55.000 - das ist eine unglaubliche Leistung"
Die HIV/Aids-Pandemie im südlichen Afrika bedroht in vielen Staaten fast die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung. Um dieser Herausforderung zu begegnen, bedarf es viel mehr als nur der Bereitstellung von antiretroviralen Medikamenten. Der Aufbau einer entsprechenden medizinischen Infrastruktur, die Ausbildung von medizinischen Fachkräften und die Aufklärung und Betreuung der betroffenen Menschen erfordern die Zusammenarbeit vieler Institutionen und Unternehmen. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Partnerschaft ist die African Comprehensive HIV/Aids Partnership (ACHAP) in Botswana. Diese umfassende Initiative hat es in fünf Jahren geschafft, für mehr als 50.000 Menschen eine antiretrovirale Dauertherapie sicherzustellen - Tendenz steigend. Mindestens ebenso wichtig ist aber die erfolgreiche Ausrichtung des ganzen Landes auf die Bekämpfung von HIV/Aids.
Dr. Donald de KorteDr. Donald de Korte war bis Mitte 2005 der Projektleiter von ACHAP. Er schildert im folgenden Interview mitvfa.dedie Herausforderungen, mit der sich die Initiative konfrontiert sah und die vielfältigen Aktivitäten, die zu ihrer Überwindung notwendig waren und sind.
Herr de Korte, die African Comprehensive HIV/Aids Partnerships (ACHAP) kämpft seit fünf Jahren in Botswana gegen die Pandemie. Was wurde bisher erreicht?»
De Korte: Botswana hat das höchste HIV-Aufkommen der Welt. Etwa 38 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ist mit HIV infiziert, und als wir mit unserer Arbeit begannen, befand sich das Land in einer unvorstellbaren Krise.
Wir haben drei wesentliche Ergebnisse erzielt.
Erstens werden heute bereits mehr als 50 Prozent jener Menschen, die aufgrund klinischer Kriterien antiretrovirale Medikamente benötigen, auch entsprechend behandelt. In Zahlen ausgedrückt sind das momentan etwa 55.000 Menschen. Bei all diesen Patienten handelt es sich um Neupatienten, die innerhalb der letzten drei Jahre in das Behandlungsprogramm aufgenommen wurden. Von null auf 55.000 - das ist eine unglaubliche Leistung.
Die African Comprehensive HIV/AIDS Partnerships (ACHAP) sind eine "Public-Private-Partnership" der Regierung Botswanas, der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung und des US-amerikanischen Unternehmens Merck Inc. (in Deutschland unter dem Firmennamen MSD Sharp & Dohme tätig). Die ACHAP dient dem Ziel, HIV/Aids in Botswana zu bekämpfen. Die Zusammenarbeit wurde im Juli 2000 begründet und umfasst mehrere Programme mit unterschiedlichen Partnern, unter anderem für die Behandlung von HIV/Aids, die Beratung und Betreuung von Betroffenen und Aids-Waisen, für den Aufbau medizinischer und pharmazeutischer Infrastruktur, den Abbau der Stigmatisierung Betroffener und andere Präventionsmaßnahmen. Wegen der Integration aller notwendigen Maßnahmen sind die ACHAP ein besonders gutes Beispiel für Public Private Partnerships zur Bekämpfung der HIV/Aids-Pandemie in Entwicklungsländern. Mehr Details finden Sie im Internet unter: www.achap.org
Weil immer mehr Menschen behandelt werden, ergibt sich außerdem ein sehr wichtiges Phänomen: Mehr und mehr Menschen möchten über ihren HIV-Status informiert werden. Infolgedessen werden bedeutend mehr HIV-Tests vorgenommen. Jedem, der in eine Klinik oder ein Krankenhaus geht, egal für welche Krankheit - ob Bluthochdruck, Diabetes, Beinbruch oder Kopfschmerzen - wird ein HIV-Test angeboten. Als ich in Botswana ankam, waren weniger als fünf Prozent der Bevölkerung auf HIV getestet. Momentan sind es mehr als 50 Prozent. Im Prinzip war diese Steigerung nur möglich, weil uns mit der antiretroviralen Therapie eine lebensrettende Behandlungsmaßnahme zur Verfügung steht. Anderenfalls wäre es unethisch, die Leute zu testen. Jetzt werden sie jedoch getestet, und wenn das Testergebnis HIV-positiv ist, werden sie an die Behandlungszentren überwiesen. Falls sie eine Behandlung benötigen, bekommen sie die antiretrovirale Therapie. Wenn nicht, bleiben sie dennoch in der Datenbank und werden alljährlich ärztlich untersucht. Das heißt, sie gehören grundsätzlich zum Gesundheitssystem und werden wie in Frankreich, Deutschland oder anderen Ländern der Welt angemessen behandelt. Die Tests sind also unser zweiter großer Erfolg.
Siegerinnen der Wahl zur "Miss Stigma-free"Das dritte Resultat unserer Arbeit ist ein Abbau der Stigmatisierung - und damit ein Erfolg in der Prävention. Anfangs wollte niemand seinen HIV-Status öffentlich preisgeben. Dies hat sich radikal geändert. Anfang des Jahres hatten wir einen Schönheitswettbewerb mit dem Titel "Miss Stigma-free Election". Etwa 200 junge HIV-positive Frauen nahmen an der Wahl zur schönsten HIV-positiven Frau Botswanas teil. Dies kennzeichnet eine grundlegende Veränderung der Einstellung gegenüber Menschen mit HIV/AIDS. Und das hat Konsequenzen: Wir sehen die ersten Anzeichen dafür, dass es weniger Neuerkrankungen gibt und dass sich weniger Menschen mit HIV anstecken. Wissenschaftlich ist das zwar sehr schwer messbar, aber hierfür werden die Testergebnisse junger Frauen herangezogen. In der Kategorie junger Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren sehen wir eine deutliche Verringerung der Neuerkrankungen. Wir glauben, dass dies ein Zeichen dafür ist, dass sich unsere Präventionsmaßnahmen allmählich auszahlen.
Blutproben für HIV-TestsWir haben also Behandlungsmöglichkeiten, die Tests, wir haben den Abbau der Stigmatisierung und schließlich Präventionsmaßnahmen, die die Situation verbessern.
Die Menschen werden ihr Sexualverhalten nur ändern, wenn sichergestellt ist, dass sie medizinisch versorgt werden können. Zunächst müssen sie jedoch erfahren, ob sie HIV-positiv oder negativ sind - und dafür müssen sie wissen, dass sie versorgt werden, wenn das Testergebnis positiv ausfällt.
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