Drucken
öffnen / schließen
Wenn Sie diese Felder durch einen Klick aktivieren, werden Informationen an Facebook, Twitter oder Google in die USA übertragen und unter Umständen auch dort gespeichert. Näheres erfahren Sie hier: https://www.heise.de/ct/artikel/2-Klicks-fuer-mehr-Datenschutz-1333879.html

Das AMNOG-Alphabet

Das AMNOG-Alphabet bietet einen systematischen Überblick über Schlüsselbegriffe, Verfahren und Webfehler, die für die Bewertung, Preisfindung und Erstattung von Medikamenten in Deutschland entscheidend sind. Woche für Woche wird hier ein neuer Begriff aus dem AMNOG-Kontext aufgeschlüsselt – von "A" für AMNOG bis "Z" für zweckmäßige Vergleichstherapie.

A wie AMNOG

AMNOG steht für das „Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz“. Inzwischen ist die Abkürzung zu einem Eigennamen geworden. AMNOG meint das Verfahren der Preisregulierung innovativer Arzneimittel in Deutschland, das bereits seit 2011 gilt. Pharmazeutische Hersteller vereinbaren demnach mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel auf Basis einer vorheriger Zusatznutzenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Bei einem nicht belegten Zusatznutzen entstehen der gesetzlichen Krankenversicherung im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie keine Mehrkosten.

Strukturelle Eingriffe haben das AMNOG-Verfahren zuletzt in eine gefährliche Schieflage gebracht. Sie beeinträchtigen den Zugang von Patient:innen zu Arzneimittelinnovationen in Deutschland und sind das Gegenteil einer nachhaltigen Standortpolitik. Eine politische Kurskorrektur ist notwendig. Der vfa hat hierzu mit seinem Konzept „AMNOG 2025“ einen Beitrag zur aktuellen Reformdebatte geleistet. Die forschenden Pharmaunternehmen stehen für einen konstruktiven Dialog zu diesen Handlungsfeldern gerne bereit.

Mehr zu

B wie Beratung

Die Beratung ist ein Kernstück der AMNOG-Nutzenbewertung. Es ist gesetzlich verankert, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die pharmazeutischen Unternehmen zu Fragen rund um geplante klinische Studien, anwendungsbegleitende Datenerhebungen oder zur zweckmäßigen Vergleichstherapie eine Möglichkeit zur Beratung anbieten muss. Über die letzten Jahre hat sich diese Möglichkeit als unverzichtbar erwiesen.

Die Beratung ist zwar unverbindlich, sie hilft jedoch zur essenziellen Planbarkeit der Prozesse beizutragen. Gerade bei der Verlässlichkeit bestehen jedoch Verbesserungspotenziale. Von enormer Bedeutung ist auch, dass für die G-BA-Beratung ausreichende Kapazitäten bereitstehen. Dies war in den vergangenen Jahren nicht immer der Fall, so dass freie Termine (vor allem ohne dringende Anliegen) erst mit langem Vorlauf zur Verfügung standen.

Dennoch: im europäischen Vergleich gilt die AMNOG-Beratung als beispielhaft. Umso wichtiger wäre es, dass auch im zukünftigen Prozess des europäischen HTA ausreichende Beratungskapazitäten zur Verfügung stehen. Für ein optimales Zusammenspiel von AMNOG mit dem EU-HTA müssen aber auch die nationalen G-BA-Beratungen gestärkt werden. Dies gilt insbesondere für Beratungen bezüglich nationaler Zusatzanalysen, die ergänzend zum europäischen Bewertungsumfang vorgelegt werden sollen.

Mehr zum

C wie Cross-over-Studie

Der Begriff „Cross-over“ steht für eine vorgesehene oder erlaubte Möglichkeit für die Patientinnen und Patienten bei einer klinischen Studie von einem Studienarm in den anderen zu wechseln. Der Wechsel kann in beide oder auch nur in eine Richtung erfolgen. Besonders häufig ist diese Option in Zulassungsstudien für onkologische Arzneimittel vertreten. Dies zum Beispiel, wenn die Patient:innen im Kontrollarm trotz der Behandlung eine Progression der Krebserkrankung erleiden und aus diesem Grund in den Studienarm mit einem neuen Arzneimitteln wechseln. Die Option eines Therapiewechsels ist häufig aus ethischen Gründen erforderlich, um die Möglichkeit eines neuen Behandlungsansatzes nicht unnötig lange den Patient:innen vorzuenthalten. Damit gewährleistet dies Option auch die notwendige Akzeptanz und Durchführbarkeit einer Zulassungsstudie.

Im Rahmen der AMNOG-Nutzenbewertung stoßen klinische Studien mit einem Cross-over jedoch auf große Probleme:


  • die für solche Studien zentralen Endpunkte wie z.B. Progression-freies Überleben (PFS) werden nicht berücksichtigt,
  • für die Endpunkte wie Gesamtüberleben wird zugleich keine Adjustierung für den Effekt des Therapiewechsels akzeptiert.
In der Folge entsteht oft eine Sackgasse: Ohne Cross-over ist keine Studie möglich, mit Cross-over ist der Nachweis des Zusatznutzens erschwert oder sogar nicht möglich. Dieser Webfehler im AMNOG besteht von Beginn an, eine Anpassung des „lernenden Systems“ ist allerdings nie erfolgt. Wir finden: es wird Zeit für das AMNOG, sich auch hier weiterzuentwickeln.

Mehr zu

D wie Dossier

Bei jeder AMNOG-Nutzenbewertung müssen pharmazeutische Unternehmen umfangreiche Dossiers einreichen. Hierfür müssen Dossiervorlagen mit detaillierten Vorgaben für die Einreichung von Studiendaten und Analysen verwendet werden. Trotz der maximalen Transparenz von Studiendaten wurden die Anforderungen zuletzt noch einmal erweitert. Der Umfang der Dossiers stieg auf das 4- bis 5-fache mit einem extremen Anstieg des Aufwandes.

Es wurde gezeigt, dass im Schnitt nur 23 % der eingereichten Analysen im AMNOG-Prozess berücksichtigt wurden. Große Teile der Datenanforderungen erweisen sich für die Nutzenbewertung also als schlicht nicht notwendig. Die Schlussfolgerung sollte klar sein: die Dossiervorlagen sind kritisch zu überprüfen und die überbordenden Anforderungen sind auf die notwendigen Analysen zu reduzieren.

Auch für das anstehende europäische HTA ist dies von höchster Bedeutung. Im Vergleich zu anderen europäischen Systemen übersteigen die AMNOG-Anforderungen das Maß und bergen so das Risiko fraglicher nationaler Zusatzanalysen in Ergänzung zum europäischen HTA-Bewertungsbericht. Es gilt also: die Dossier-Anforderungen im AMNOG gehören auf den Prüfstand. Nur so kann eine bürokratiearme und effiziente HTA-Bewertung ohne Qualitätsverlust erreicht werden.

Mehr zu

E wie Evidenztransfer

Als Evidenztransfer oder Extrapolation wird die Übertragung von Studiendaten von einer Population auf eine andere bezeichnet. Im AMNOG steht der Begriff vor allem für die Möglichkeit der Evidenzübertragung bei der Zusatznutzenbewertung von Kinderarzneimitteln und pädiatrischen Anwendungsgebieten durch den G-BA.

Grundsätzlich unterliegen die Entwicklung und die Zugänglichkeit von Kinderarzneimitteln in der EU einer speziellen Förderung und Regulierung. Zugleich gelten für die Studien an Kindern besondere Limitationen und Anforderungen. Auch im AMNOG sollte ursprünglich den Besonderheiten solcher Arzneimittel stärker Rechnung getragen werden.

Die Praxis zeigt jedoch: Ein Evidenztransfer von Erwachsenen auf Kinder und Jugendliche wurde vom G-BA in den letzten Jahren nur in wenigen speziellen Fällen in nur drei Therapiegebieten angewandt. Bei nicht-randomisierten Zulassungsstudien zuletzt sogar vor über 6 Jahren. Eine Realität, die außerhalb der Fachkreise kaum beachtet wird. Dies, obwohl die Verfügbarkeit von Kinderarzneimitteln stärker in den Fokus der Politik gerückt ist.

Wir finden: Die starren Anforderungen des Evidenztransfers sollten einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Die Besonderheiten von Therapiesituationen, auch bei der Durchführung pädiatrischer Studien, sollten im AMNOG besser gewürdigt werden.

Mehr zu

F Finanzierbarkeit

Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist immer wieder im Fokus der politischen Diskussion. Hierfür leistet das #AMNOG seit 2011, was die Politik von ihm erwartet: es sorgt zusätzlich zu verschiedenen anderen Kostendämpfungsinstrumenten für Milliardeneinsparungen. Da über die Jahre immer mehr Arzneimittel vom AMNOG-Verfahren erfasst werden, ergibt sich so ein exponentielles Rabattwachstum, das für wachsende Einsparungen sorgt. Das zurückliegende Jahr 2023 markierte dabei einen Rekord: so werden Entlastungen in Höhe von 8,3 Mrd. Euro für die gesetzlichen Krankenkassen erwartet. In dem Gesamtzeitraum von 2011 bis 2023 kumulieren sich die AMNOG-Einsparungen bereits auf knapp 45 Mrd. Euro. Für das Jahr 2024 wird sogar ein Einsparvolumen in Höhe von 10,5 Mrd. Euro prognostiziert.

Mehr zu

G Governance

Wie ist es, wenn eine Institution als Regelgeber, Spieler und Schiedsrichter zugleich agiert? Im AMNOG besteht ein solche unzureichende Gewaltenteilung als Problem von Beginn an. Konkret: Der GKV-Spitzenverband stellt durch seine Beteiligung in den Gremien des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die Weichen für das Ergebnis des AMNOG-Verfahrens. Er ist an der Gestaltung der Verfahrensordnung, der Beratung zu den Studien, der Festlegung der zweckmäßigen Vergleichstherapie sowie der eigentlichen Beschlussfassung beteiligt. Damit wird maßgeblich die Ausgangslage für die von ihm anschließend geführten Verhandlungen zum Erstattungsbetrag festgelegt. Die Governance-Problematik ist auch an den Voten des GKV-Spitzenverband ersichtlich: bei nicht einstimmig gefassten Beschlüssen des G-BA stimmte der GKV-SV seit 2011 in allen Fällen für eine schlechtere AMNOG-Nutzenbewertung. Ein Webfehler im AMNOG, der einer kritischen Überprüfung bedarf.

H wie Health-Related Quality of Life

Health-Related Quality of Life (HRQoL) steht für gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Erfassung ihrer subjektiven Beurteilung durch die Patient:innen. Neben der Mortalität, der Morbidität und den Nebenwirkungen gehört die Lebensqualität zu den zentralen Paramatern für die Bewertung des Zusatznutzens neuer Arzneimittel im AMNOG.

Neben dem unbestreitbar hohen Stellenwert der Lebensqualität bestehen bei ihrer Messung und Bewertung zahlreiche Herausforderungen. So kann sich bei seltenen Erkrankungen die Auswahl eines geeigneten Fragebogens als komplex gestalten. Ebenso umstritten kann die Frage sein, welche Schwellenwerte für relevante Veränderungen der Lebensqualität verwendet werden sollten. Für viele Therapiesituationen ist es enorm schwierig, einen nachhaltigen Rücklauf der Fragebögen zu gewährleisten.

Als essenziell für die AMNOG-Bewertung sind daher realistische, praktikable und wissenschaftlich akzeptierte Vorgaben. Die forschenden Pharmaunternehmen stehen offen für einen gemeinsamen Dialog auf der Suche nach Lösungen.

Mehr zum Thema Lebensqualität im AMNOG hier: Publikation von Böhme et al.

I wie Indirekter Vergleich

Was ist zu tun, wenn für die AMNOG-Nutzenbewertung eine randomisiert-kontrollierte Studie vorliegt, jedoch nicht gegenüber der vom G-BA vorgegebenen zweckmäßigen Vergleichstherapie? In diesem Fall kann der Zusatznutzen eines neuen Arzneimittels auch in einem sogenannten indirekten Vergleich nachgewiesen werden. Soweit die Theorie durch gesetzliche Vorgaben. Die Bewertungspraxis sieht jedoch seit vielen Jahren für die eigentlich präferierte und am häufigsten verwendete Art der indirekten Vergleiche (adjustiert mit einem Brückenkomparator) anders aus. Diese indirekten Vergleiche werden zwar hin und wieder vom G-BA methodisch akzeptiert, eine Anerkennung des Zusatznutzens gab es daraus bislang gerade mal in zwei Fällen. Dies bei nahezu 1000 Verfahren in der gesamten AMNOG-Historie nach über 13 Jahren.

Die Zahlen sprechen für sich und zeigen, dass die praktischen Anforderungen an indirekte Vergleiche eine nahezu unüberwindbare Hürde darstellen. Auch hier liegt ein Webfehler im AMNOG vor, der endlich einer kritischen Überprüfung bedarf.

J wie Joint Clinical Assessment

Ab 2025 startet die europäische HTA-Bewertung von neuen Arzneimitteln. Damit sollen europaweit die Verfügbarkeit von neuen Therapien verbessert, die Verfahren effizienter gestaltet und der Innovationsstandort Europa gestärkt werden.

Das Herzstück des europäischen HTA ist dabei die gemeinsame klinische Bewertung, das sogenannte Joint Clinical Assessment (JCA), das zukünftig die Grundlage der AMNOG-Nutzenbewertung sein soll. Doch gerade hier besteht aktuell großer Handlungsbedarf: ob bei der noch unzureichenden Beteiligung der pharmazeutischen Unternehmen, unrealistischen Zeitvorgaben oder unzureichenden Vorabinformationen für eine angemessene Vorbereitung.

Dies kann nicht nur zum Risiko für die Qualität des JCA, sondern auch für die anschließende Nutzbarkeit der europäischen Bewertung im AMNOG-Verfahren in Deutschland werden. Zugleich müssen auch die nationalen AMNOG-Prozesse bestmöglich mit dem europäischen HTA verzahnt, so dass die Arbeit effizient aufeinander aufbaut und der JCA im AMNOG genutzt wird.

Für die Stärkung der europäischen Idee und Zusammenarbeit müssen die Weichen also jetzt gestellt werden!

Mehr zum Thema EU-HTA hier.

K wie Kombinationsabschlag

Das AMNOG-Verfahren umfasst alle neuen Arzneimittel, auch wenn sie als Kombination eingesetzt werden. Dennoch hat der Gesetzgeber mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz einen pauschalen Zwangsabschlag in Höhe von 20 Prozent für Kombinationstherapien mit neuen Wirkstoffen vorgesehen.

Nach rund 1,5 Jahren Beratungen und Umsetzungsversuchen verdeutlicht sich: der Kombinationsabschlag war weder notwendig noch sachgerecht. Er lässt sich auch nicht zielgenau und aufwandsarm umsetzen. Die Benennungspraxis des G-BA ist trotz mehrfacher Anpassungen bis heute mit zahlreichen Problemen behaftet. Auch die technische Umsetzung der Abrechnung wäre bürokratisch und fehleranfällig. Daher ist neu zu überlegen, ob ein zusätzlicher Abschlag überhaupt der richtige Regelungsansatz ist. Schließlich kann der kombinierte Einsatz von Arzneimitteln im Rahmen der AMNOG-Preisverhandlung umfassend und bürokratiearm berücksichtigt werden.

Mehr zum Mehrwert von Arzneimittelkombinationen https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/personalisierte-medizin/warum-manchmal-kombinierte-medikamente-mehr-erreichen

Mehr zur rechtssicheren und praxistauglichen Lösung für Arzneimittelkombinationen https://www.vfa.de/positionspapier-kombinationstherapien.pdf

L wie Leitplanken

Wäre zuletzt ein Unwort des Jahres für das AMNOG zu wählen, dann hätte das Wort Leitplanken gute Chancen. Denn, das Kernprinzip des AMNOG-Verfahrens ist die nutzenbasierte Preisfindung für innovative Arzneimittel. Sprich: Arzneimittel mit einem medizinischen Mehrwert dürfen mehr kosten als die bisherige Standardtherapie. Das Prinzip sorgt für Milliardeneinsparungen, bietet Innovationsanreize und verlässliche Rahmenbedingungen.

Diese Logik und die Planbarkeit des AMNOG-Verfahrens sind jedoch mit den Leitplanken im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) zuletzt ausgehebelt worden. Bestimmte Innovationen können nun trotz belegten Zusatznutzen nicht mehr angemessen honoriert werden. Die Risiken für die Versorgung von morgen liegen auf der Hand: Anreize für die Entwicklung verbesserter Therapieansätze und die Markteinführung dieser Medikamente in Deutschland werden verringert. Negative Auswirkungen sind auch für den Pharmastandort Deutschland festzustellen. Eine politische Kurskorrektur ist also dringend erforderlich.

Mehr zu Leitplanken und Fehlentwicklungen nach AMNOG-Reform hier.

Mehr zur Relevanz verlässlicher Rahmenbedingungen für den Pharmastandort Deutschland hier.