Zweckmäßige Vergleichstherapie - mehr Verlässlichkeit und bessere Kommunikation erforderlich
Verlässliche Rahmenbedingungen sind essenziell für den Pharmastandort Deutschland, für die Entwicklung innovativer Arzneimittel und damit für die Versorgung von Patientinnen und Patienten. Im AMNOG-Verfahren ist die Verlässlichkeit aufgrund von kurzfristigen Änderungen der zweckmäßigen Vergleichstherapie häufig nicht gegeben. Diese Vorgaben müssen besser komuniziert werden und mehr Planungssicherheit für die Durchführung klinischer Studien, die Nutzenbewertung und die Erstattung gewährleisten.

Zweckmäßige Vergleichstherapie: der Dreh- und Angelpunkt
Die zweckmäßige Vergleichstherapie ist von zentraler Bedeutung im AMNOG-Verfahren. So muss der Zusatznutzen neuer Arzneimittel gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie nachgewiesen werden. Sie stellt zugleich eine Grundlage für die anschließenden Verhandlungen der Erstattungsbeträge dar.
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Die Festlegung der zweckmäßigen Vergleichstherapie erfolgt durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Pharmazeutische Unternehmen können sich vorab zur zweckmäßigen Vergleichstherapie und zu Studien vom G-BA beraten lassen. Auf der Basis dieser Beratung können die Gestaltung klinischer Studien und die einzureichenden AMNOG-Dossiers an die Anforderungen des deutschen Gesundheitssystems ausgerichtet werden. Viele Unternehmen entscheiden sich dazu, geplante Zulassungsstudien auf Grundlage dieser Beratung an die Anforderungen des G-BA anzu-passen oder sogar eigens für das AMNOG-Verfahren in Deutschland zusätzliche Studien aufzusetzen. Solche Studien stellen eine hohe Investition dar und dauern mehrere Jahre. Außerdem bedeuten sie auch einen erheblichen Aufwand für beteiligte Studienärztinnen und -ärzte sowie eingeschlossene Patientinnen und Patienten.
Problem: Entwertung der Studien und des Zusatznutzens
Trotz der bestehenden Beratungsmöglichkeit ist die zweckmäßige Vergleichstherapie ein Unsicherheitsfaktor für den Ausgang eines AMNOG-Verfahrens. Sie kann vom G-BA zu jedem Zeitpunkt verändert werden: nach der Beratung, während einer laufenden Studie, zur Einreichung eines Dossiers oder sogar erst mit dem Beschluss. Nach vielen Änderungen in laufenden Nutzenbewertungen häuften sich zuletzt vor allem Änderungen unmittelbar zum Verfahrensbeginn. Die pharmazeutischen Unternehmer werden über diese Änderungen nicht in Kenntnis gesetzt. Eine Änderung, vom G-BA mit neuen Erkenntnissen oder einer Weiterentwicklung des Stands der medizinischen Erkenntnisse begründet, stellt stets eine schwer antizipierbare Abwägungsentscheidung für pharmazeutische Unternehmen dar.
Als besonders problematisch erweisen sich solche Änderungen der zweckmäßigen Vergleichstherapie, wenn dadurch klinische Studien der pharmazeutischen Unternehmen für die Nutzenbewertung entwertet oder gänzlich unbrauchbar werden. Vor allem dann, obwohl sie mit einer Vergleichstherapie in Übereinstimmung mit einer G-BA-Beratung konzipiert und durchgeführt wurden. Trotz wissenschaftlich hochwertiger Studien kann der Hersteller in solchen Fällen einen Zusatznutzen aus formalen Gründen nicht mehr belegen. Der im Vertrauen auf die Beratung des G-BA durch alle Beteiligten geleistete Aufwand in eine geeignete Studienlage wird so weder in der Bewertung noch in den Verhandlungen angemessen berücksichtigt.
So wurde beispielsweise für mehrere Medikamente zur Behandlung von Kopf-Hals-Tumoren, Melanomen, Multipler Sklerose, chronischer Rhinosinusitis oder Plaque-Psoriasis ein zunächst in der Dossierbewertung attestierter Zusatznutzen aufgrund kurzfristiger Änderungen der Vergleichstherapie im Beschluss aberkannt, obwohl Zulassungsstudien gemäß G-BA-Beratung oder sogar extra für das AMNOG-Verfahren durchgeführt worden waren.
Planungssicherheit: untergraben
Diese Situation gefährdet die essenzielle Planungssicherheit für die Hersteller. Dies gilt für die Investitionsentscheidungen und die Durchführung von Studien, wie auch für die Rahmenbedingungen der Nutzenbewertung und Verhandlung des Ersttattungsbetrages. Zugleich wird bei einem formal nicht belegten Zusatznutzen die Wahrnehmung der betroffenen Arzneimittel in der Versorgung verzerrt, sowohl aus Sicht der behandelnden Ärztinnen und Ärzte als auch aus Sicht der Patientinnen und Patienten.
Erschwerend kommt hinzu, dass eine Änderung der Vergleichstherapie sich auch zu einem möglichen strategischen Hebel der „AMNOG-Leitplanken“ entwickelt hat. So kann eine Änderung nicht nur zur Entwertung einer Studie und des Zusatznutzens führen, sondern auch zu weiteren nicht antizipierbaren Verhandlungszwängen.
Die Lösung: Verlässlichkeit und Kommunikation
Die Vorgaben zur zweckmäßigen Vergleichstherapie müssen transparent kommuniziert werden und mehr Verlässlichkeit aufweisen. Bei der Festlegung einer Vergleichstherapie sollte die bestehende Studienlage berücksichtigt werden, insbesondere wenn diese vom pharmazeutischen Unternehmen auf Grundlage einer G-BA-Beratung generiert wurde.
Lösungsvorschläge:
- Eine zweckmäßige Vergleichstherapie ist in der Nutzenbewertung ergänzend heranzuziehen, wenn sie übereinstimmend zur G-BA-Beratung in einer klinischen Studie eingesetzt wurde.
- Nach einer Beratung informiert der G-BA die pharmazeutischen Unternehmen möglichst frühzeitig über Änderungen und den Wortlaut der zweckmäßigen Vergleichstherapie.
Ist eine Änderung der zweckmäßigen Vergleichstherapie erforderlich, so verbessert eine ergänzende Berücksichtigung im Sinne einer Überbrückungsregelung die Planungssicherheit im AMNOG-Verfahren. Zugleich wird dadurch die bestverfügbare Evidenz besser berücksichtigt, während dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse angemessen Rechnung getragen wird. Eine frühe Kommunikation über Änderungen der Vorgaben ist nicht nur essenziell für ein faires Verfahren, sondern trägt auch zum Erkenntnisgewinn bei.
Fazit
Verlässliche Rahmenbedingungen sind essenziell für den Pharmastandort Deutschland, für die Entwicklung innovativer Arzneimittel und damit für die Versorgung von Patientinnen und Patienten.
Deshalb braucht das AMNOG-Verfahren mehr Verlässlichkeit und bessere Kommunikation bei den Vorgaben zur zweckmäßigen Vergleichstherapie. Hier muss endlich Planungssicherheit für die Durchführung klinischer Studien, die Nutzenbewertung und die Verhandlung des Erstattungsbetrags gewährleistet werden.
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