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Gen- und Zelltherapien: Mehr Freiraum für Fortschritt statt Untergangsszenarien

Die vfa-Kurzbewertung zum TK-Report: „Arzneimittel-Fokus: Gentherapeutika – Hoffnungsträger oder Systemsprenger?“

Asiatische Labormitarbeiterin schaut in ein Mikroskop

Die Techniker Krankenkasse (TK) hat in Kooperation mit dem aQua-Institut (Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen) am 6.3.2024 die diesjährige Ausgabe des TK-Reports mit dem Titel „Arzneimittelfokus: Gentherapeutika – Hoffnungsträger oder Systemsprenger?“ veröffentlicht. Der Report stellt zwar das Innovationspotenzial dieser neuartigen Therapieoptionen heraus, dramatisiert aber die finanziellen Auswirkungen potenziell kommender Gentherapien. Beim genauen Lesen offenbart der Report weitere Unstimmigkeiten. Der vfa hat sich daher mit den wesentlichen Aussagen des Reports auseinandergesetzt.

Forschung ist der Schlüssel zum Fortschritt!

Im Report des vergangenen Jahres 2023 sprach die TK von 1 Mrd. USD an Forschungsaufwendungen pro Arzneimittel. Im diesjährigen Report wurde ein Rechenmodell verwendet, bei dem 4 Mrd. Euro pro Arzneimittel angesetzt werden. Die Auswahl der Zahlen der TK erfolgt also eher selektiv. Immerhin wird anerkannt, dass die Forschung und Entwicklung von innovativen Arzneimitteln sehr hohe Aufwendungen für die pharmazeutischen Unternehmen verursacht. Gleichzeitig stellt der Report den hohen Forschungsaufwand implizit als Problem dar. Der Vorwurf an forschende Unternehmen, viel Forschung zu betreiben, wirkt jedoch abwegig. Vor allem dort, wo der medizinische Bedarf am höchsten ist.

Überholte Tsunami-Warnung

Der TK-Report verweist auf alte Prognosen, nach denen bis 2025 zehn bis zwanzig Gen- und Zelltherapieprodukte pro Jahr zugelassen werden sollten. Schon heute ist jedoch anhand der Zulassungsdaten ersichtlich, dass diese Zahlen überschätzt waren und so nicht eingetreten sind. Die Forschung und Entwicklung bleibt bei diesen hochkomplexen Arzneimittel auch weiterhin eine große Herausforderung für die pharmazeutischen Unternehmen, die bei weitem nicht in jedem Fall zum Erfolg führt.

Konstruierte Drohkulisse – schon wieder

Der Report baut eine hypothetische Drohkulisse auf, wonach für das GKV-System zusätzliche Ausgaben von bis zu 35,6 Milliarden Euro entstehen könnten. Für die Konstruktion dieser Zahl werden jedoch gleich mehrere essenzielle Faktoren außer Acht gelassen. Zum einen, dass Arzneimittelkandidaten es selbst in Phase III-Studien nicht immer bis zur Zulassung schaffen. Zum anderen, dass die betrachteten Pipeline-Arzneimittel natürlich nicht alle zum selben Zeitpunkt zugelassen und eingesetzt werden, sondern nach und nach. Der Report lässt vor allem außer Acht, dass die Gen- und Zelltherapien für schwerwiegende Erkrankungen und besondere Therapiesituationen mit kleineren Patientengruppen zugelassen werden. Und selbst dort nicht bei allen Betroffenen verordnet werden. Die Zahlenspiele zur möglichen Behandlung von 3,8 Millionen Patientinnen und Patienten durch den angeblichen Einsatz bei Volkskrankheiten sind somit schlicht unseriös. Ebenso unhaltbar sind aber auch andere Annahmen, wie zur durchschnittlichen Rendite oder zum weltweiten Marktanteil der deutschen GKV-Versicherten. Insgesamt wird damit abermals ein Untergangsszenario skizziert. Trotz der Tatsache, dass ähnliche Szenarien in der Vergangenheit stets ausgeblieben sind.

AMNOG: große Einsparpotenziale mit nutzenbasierter Preisbildung

Der Report unterschätzt massiv die Wirkung der seit 2011 geltenden AMNOG-Regulierung, der natürlich auch alle Gen- und Zelltherapien unterliegen. Die dadurch realisierten Einsparungen erhöhen sich nämlich von Jahr zu Jahr. Allein für 2024 werden Entlastungen in Höhe von 10,5 Milliarden Euro für die gesetzlichen Krankenkassen erwartet. Die Gesamteinsparungen werden damit auf 45 Milliarden Euro anwachsen. Dies zugleich bei hoher Verfügbarkeit von innovativen Arzneimitteln für die Patientinnen und Patienten, wo Deutschland bis zuletzt führend in Europa war.

Bereits seit einiger Zeit geriet diese Balance jedoch ins Wanken. Ein therapeutischer Mehrwert konnte durch starre AMNOG-Vorgaben öfter nicht mehr adäquat abgebildet werden. Umso weniger nachvollziehbar ist, dass die TK nun sogar eine weitere Abkehr vom Prinzip der nutzenbasierten Preisbildung fordert.

Mehr Freiraum für Fortschritt statt Untergangsszenarien

Insgesamt stellt der diesjährige TK-Report eine erneut verpasste Chance dar, um eine sachliche und lösungsorientierte Debatte zu zukunftssicheren Rahmenbedingungen zu führen. Diese ist jedoch zwingend erforderlich, um gerade für besondere Therapiesituationen bei Gen- und Zelltherapien eine angemessene Nutzenbewertung durchführen zu können sowie mehr Spielräume für flexible bzw. erfolgsabhängige Erstattungsmodelle zu gewähren.

Mehr Informationen zu den aktuellen Handlungsfeldern u.a. bei Gen- und Zelltherapien finden Sie unter AMNOG 2025 – aktuelle Handlungsfelder.