Impfstoffe – Wie sie wirken und wovor sie schützen
Impfstoffe schützen vor Infektionskrankheiten, indem sie das Immunsystem zur Herstellung von Antikörpern und Vermehrung bestimmter Immunzellen anregen. Sie sind mit die wichtigsten Mittel zur Prävention gegen Krankheiten. Forschende Pharmaunternehmen entwickeln immer wieder neue und verbesserte Impfmöglichkeiten. Man unterscheidet Totimpfstoffe, Lebendimpfstoffe und genbasierte Impfstoffe.

Gegen viele Krankheitserreger kann sich das menschliche Immunsystem eigentlich wehren. Es stellt unter anderem Antikörper her und vermehrt bestimmte Immunzellen, die gezielt gegen den eingedrungenen Keim vorgehen. Diese bleiben noch lange nach der Infektion erhalten, so dass ein lang andauernder Schutz entsteht, eine Immunität.
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Aktive und passive Immunisierung
Aber bei einigen Erregern gelingt dem Körper diese Verteidigung schlecht, wenn es diesem Keim noch nie zuvor begegnet ist. Impfen bedeutet, das Immunsystem präventiv durch Impfstoffe mit den Merkmalen eines Erregers bekannt zu machen, ehe es zu einer echten Infektion kommt. Das Immunsystem reagiert wie bei einer echten Infektion und schafft Immunität. Im Fall einer späteren Ansteckung bricht die Krankheit gar nicht aus oder nimmt zumindest einen milderen Verlauf. Die Erregerbetandteile, die die Immunreaktion hervorrufen, heißen Antigene (von "Antikörper generierend"; nicht von "Gen").
Impfstoffe werden auch Vakzinen genannt. Der Name leitet sich von vaccinus – lateinisch für „von der Kuh" – her. Denn mit Flüssigkeiten, die Kuhpockenviren enthielten, wurde in England ab 1796 wirksam gegen die Pocken geimpft bzw. „vaccinated", wie man es dort nannte. Das war eine der ersten Impfmethoden der Geschichte.
Aktivimpfungen: Prävention gegen Infektionskrankheiten mit Lebend-, Tot- und genbasierten Impfstoffe
Ärzte nennen die Impfungen auch Aktivimpfungen, weil der menschliche Körper in Reaktion auf die Impfung selbst aktiv werden muss, um den gewünschten Immunschutz aufzubauen. Sowohl Lebendimpfstoffe als auch Totimpfstoffe können Geimpfte meist für viele Jahre schützen ‒ zum Teil sogar lebenslang. Das wird aber häufig erst erreicht, wenn sie zwei oder dreimal nacheinander im Abstand von Wochen oder sogar Monaten gespritzt wurden. Es gibt jedoch auch Impfungen, bei denen eine Injektion ausreicht. Wie lange genbasierte Impfstoffe (Vektorviren-Impfstoffe, mRNA-Impfstoffe) schützen, muss sich erst noch zeigen; es gibt sie erst seit vergleichweise kurzer Zeit.
Alle verfügbaren Impfstoffe richten sich gegen Infektionskrankheiten. Krebserkrankungen im Genital/Anal-Bereich von Frauen und Männern sowie Genitalwarzen zählen ebenfalls dazu, da sie von verschiedenen Stämmen sexuell übertragener humaner Papillomviren (HPV) ausgelöst werden.
Vor folgenden Krankheiten kann man sich heute mit zugelassenen Impfstoffen schützen:
- Cholera [T, L]
- Covid-19 [M, V, P]
- Dengue-Fieber [L]
- Diphtherie [P]
- Ebola [V]
- FSME = Frühsommer-Meningoenzephalitis [T]
- Gelbfieber [L]
- Genitalwarzen durch humane Papillomviren (HPV) [P])
- Haemophilus-influenzae-b-Infektion (Hib-Infektion) [P]
- Hepatitis A [P]
- Hepatitis B [P]
- Herpes zoster (Gürtelrose) [L, T]
- Hirnhautentzündung oder Sepsis durch Meningokokken der Serogruppen A, B, C, W135 und Y [P]
- Influenza (saisonale echte Grippe) [P, L]
- Japanische Enzephalitis [T]
- Krebsarten im genitalen / analen Bereich durch humane Papillomviren (HPV) [P]
- Lungen- und Mittelohrentzündung durch Pneumokokken [P]
- Malaria [P] (nur bei Kleinkindern in Malaria-Gebieten)
- Masern [L]
- Milzbrand (Anthrax) [P]
- Mumps [L]
- Pertussis (Keuchhusten) [P]
- Pocken [L]
- Polio [T]
- Rotaviren (Brechdurchfall) [L]
- Röteln [L]
- Tetanus = Wundstarrkrampf [P]
- Tollwut [P]
- Typhus [L, P]
- Varizellen (Windpocken) [L]
Erläuterung: [L] = Lebendimpfstoff, [T] = Impfstoff mit abgetöteten Erregern, [P] = Protein-basierter Impfstoff, [V] = Vektor-Impfstoff, [M] = mRNA-Impfstoff
Der einzige Impfstoff gegen Tuberkulose, der sogenannte BCG-Impfstoff, wird in Deutschland wegen seines hierzulande schlechten Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht angewendet. Zudem ist er bei Erwachsenen unwirksam.
Neben Impfstoffen gegen einzelne Krankheiten gibt es auch Kombinationsimpfstoffe, die vor bis zu sechs Krankheiten gleichzeitig schützen. Hierdurch lässt sich die Zahl der erforderlichen Injektionen im Vergleich zu Einzelimpfungen verringern. Kombinationsimpfstoffe kommen vor allem für die Grundimmunisierung von Kindern und für Auffrischimpfungen bei Erwachsenen zum Einsatz.
Lebendimpfstoffe erzielen oft besonders langen Schutz
Lebendimpfstoffe enthalten vermehrungsfähige Erreger. Aber es handelt sich meist um Stämme der Erreger, denen die krank machenden Eigenschaften abgezüchtet wurden. Diese heißen „attenuierte“ Erreger. Die Lebendimpfstoffe gegen Mumps, Masern und Röteln enthalten solche attenuierten Viren und bewirken meist lebenslangen Impfschutz.
Attenuierte Viren gehen mit dem Restrisiko einher, dass die Impfung in seltenen Fällen doch ähnliche Beschwerden wie die Krankheit selbst hervorruft. Doch die Symptome fallen meist sehr schwach aus und dauern nur wenige Tage an. Dennoch gibt es aus diesem Grund spezielle Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für Schwangere.
Totimpfstoffe
Totimpfstoffe enthalten nur „totes“, das heißt nicht vermehrungsfähiges Material: das sind abgetötete Krankheitserreger oder Bestandteile von ihnen, die Antigene (s.o.). Der Immunschutz durch Totimpfstoffe hält meist nur einige Jahre an und muss dann ggf. aufgefrischt werden.
Spezielle Formen der Totimpfstoffe sind insbesondere die folgenden:
Subunit- und Spaltimpfstoffe: Sie enthalten keine ganzen abgetöteten Erreger, sondern nur daraus gewonnene oder gentechnisch hergestellte Biomoleküle. Die meisten Grippeimpfstoffe sind Spaltimpfstoffe, die aus echten Grippeviren hergestellt werden. Mehrere Subunit-Impfstoffe enthalten zwar ebenfalls ausgewählte Moleküle eines Erregers, diese wurden jedoch nicht aus dem Erreger selbst gewonnen, sondern gentechnisch in großen Stahltanks mit Hefe-, Säugetier- oder Insektenzellen produziert. Den Zellen wurden zuvor die dazu nötigen Gene des Erregers übertragen. Das gilt beispielsweise für die Impfstoffe gegen Hepatitis B oder Cholera.
Konjugatimpfstoffe sind Subunitimpfstoffe, bei denen die Erregermoleküle nicht direkt in den Impfstoff eingebracht, sondern zuvor an Proteine gebunden werden, die eine Trägersubstanz darstellen. Diese so genannten Konjugate erzielen eine stärkere Immunreaktion und einen länger anhaltenden Schutz als das Antigen allein. Mehrere Impfstoffe gegen Hirnhaut- und Lungenentzündung zählen zu den Konjugatimpfstoffen; hier sind die Antigene Polysaccharide von der Oberfläche der Bakterien.
VLP-Impfstoffe enthalten Virus-like Particles. Das bedeutet, dass die Antigene nicht einfach ungeordnet im Impfstoff gelöst sind, sondern sich mit weiteren Molekülen zu kleinen Gebilden zusammengelagert haben, die wie Viren aussehen. Das sorgt in manchen Fällen für bessere Impfwirkung. Anders als Viren sind die VLP aber nicht vermehrungsfähig. Beispiele für VLP-Impfstoffe sind die Vakzinen gegen Krankheiten, die von humanen Papillomviren (HPV) verursacht werden.
Genbasierte Impfstoffe
Bei Lebend- und Totimpfstoffen werden dem Körper die abgeschwächten Erreger oder Erregerantigene mit dem Impfstoff zugeführt. Bei genbasierten Impfstoffen müssen Körperzellen hingegen ein Antigen selbst herstellen, nachdem ihm das entsprechende Gen mit dem Impfstoff appliziert wurde. Das ist das Prinzip von Vektorviren-, mRNA- und DNA-Impfstoffen.
Für Vektorviren-Impfstoffe wird im Labor ein Gen des betreffenden Erregers (z.B. dem Ebola-Virus) harmlosen Viren mitgegeben. Diese können zwar in menschliche Zellen eindringen und sich eventuell dort auch vermehren, machen aber nicht krank. Die befallene Zelle produziert daraufhin eine Zeit lang auf Basis des Gens das Erregerantigen, was zur Immunreaktion beim Geimpften führt. Das Erbgut der befallenen Zellen wird dabei nicht verändert. Als harmlose Vektorviren kommen unter anderem die Impfviren aus Pocken- und Masern-Impfstoffen in Betracht, oder auch Affen-Adenoviren. Die ersten Vektorviren-Impfstoffe wurden gegen Dengue-Fieber und Ebola zugelassen. Auch zwei der in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffe enthalten Vektorviren.
mRNA-Impfstoffe enthalten hingegen keine Viren, sondern nur das betreffende Erreger-Gen in Form sogenannter Messenger-RNA. Diese wird in kleine Bläschen, die Lipidnanopartikel, verpackt und als Impfstoff gespritzt. Gelangt die Messenger-RNA in Zellen, stellen diese damit das Erregerantigen her, was wiederum zu einer Immunreaktion führt. Auch hier wird das Erbgut der Körperzellen nicht verändert, und die Antigenproduktion endet nach kurzer Zeit wieder. Bislang gibt es zwei zugelassene mRNA-Impfstoffe – beide gegen Covid-19 – und viele weitere sind gegen verschiedene Krankheiten in Entwicklung.
DNA-Impfstoffe ähneln den RNA-Impfstoffen, enthalten jedoch das betreffende Erregergen in Form der Erbsubstanz DNA. Bislang gibt es noch keine zugelassenen DNA-Impfstoffe, doch es sind welche gegen Covid-19 in Entwicklung. Das fortgeschrittenste Projekt hat Phase II der Erprobung mit Freiwilligen erreicht.
Passivimmunisierung: Wenn es für eine Impfung zu spät ist
Sind bei einem Menschen schon Krankheitserreger eingedrungen, ist es für eine Impfung meist zu spät. Eine Ausnahme stellt Tollwut dar, wo eine Aktivimpfung sofort nach einer Ansteckung fast immer noch einem Krankheitsausbruch zuvorkommt.
Wurde eine Impfung versäumt, lassen sich manche Krankheitserreger nach dem Eindringen noch durch eine Passivimmunisierung mit einem sogenannten Antiserum in Schach halten. Dabei handelt es sich in gewisser Hinsicht um eine „transplantierte Impfung“. Früher wurden Passivimmunisierungen mitunter auch „Passiv-Impfungen“ genannt. Dabei werden dem Patienten Immunglobuline gespritzt, die aus der Blutflüssigkeit (dem Serum) geimpfter Menschen und selten auch dem von Pferden gewonnen wurden. Immunglobuline sind auch bekannt als Antikörper. Die Injektionslösungen für die Passivimmunisierung heißen in Anlehnung an ihre Herkunft auch Antiseren.
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Woran Pharmaforscher arbeiten
Seit einigen Jahren gibt es eine Art „künstliche Antiseren“. In einem der beiden bislang zugelassenen Präparate sind Antikörper gegen das RSV-Virus enthalten, die nicht aus Blutserum gewonnen, sondern gentechnisch hergestellt wurden. Im anderen sind – ebenfalls gentechnisch hergestellte – Antikörper gegen das Toxin des bakteriellen Darmkeims Clostridium difficle enthalten. Weitere Antikörper-basierte Passivimmunisierungen gegen andere Virus- oder bakterielle Infektionen sind in Entwicklung.
Gegen die folgenden Krankheiten sind Antikörper bzw. Antiseren zur Passivimmunisierung verfügbar:
- Botulismus (Fleischvergiftung durch Botulinum-Bakterien)
- Cytomegalieviren-Infektion (CMV-Infektion)
- Darmkoliken durch Clostridium difficile (Rezidive)
- Diphtherie
- Hepatitis A
- Hepatitis B
- Masern
- RSV-Infektion (gentechnisch hergestellt)
- Röteln
- Tetanus = Wundstarrkrampf
- Tollwut
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Der Wert von Impfstoffen: Leben schützen - Gesundheitssysteme entlasten
Zudem gibt es verschiedene Immunglobulin-Präparate mit Antikörpergemischen, die Menschen mit schwerer Immunschwäche gleich gegen eine Vielzahl von Infekten passiv immunisieren. Durch Passivimmunisierung wirken auch Antiseren gegen Schlangen- und Skorpionsgifte und gegen die Rhesusfaktor-Unverträglichkeit zwischen Mutter und Kind während der Schwangerschaft.
Alle Impfstoffe und Immunglobuline sind Originalpräparate. Generika, also günstigere Nachahmerpräparate, gibt es davon nicht. Einige Generikafirmen vertreiben allerdings Originalimpfstoffe in Lizenz.