vfa-Faktencheck zum “AMNOG-Report 2025“ der DAK-Gesundheit
Die DAK-Gesundheit hat am 13. Mai 2025 unter Autorenschaft von Prof. Greiner (Universität Bielefeld) und Mitarbeitern von Vandage GmbH den AMNOG-Report 2025 veröffentlicht. Der vfa hat sich mit wesentlichen Aussagen des diesjährigen Reports auseinandergesetzt und diese einem Faktencheck unterzogen.

Aussage 1:
Die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel seien in den vergangenen Jahren überproportional stark angestiegen.
vfa-Check
Die Aussage findet sich Jahr für Jahr im Report, ist aber nicht hinreichend eingeordnet. Fakt ist, dass zeitgleich der Anteil der Arzneimittelausgaben an den gesamten Gesundheitsausgaben in Deutschland konstant bleibt. Dies gilt auch für den Anteil der patentgeschützten Arzneimittel, der sich seit Jahren unter der 50-Prozent-Marke bewegt, trotz der zurückliegenden innovationsstarken Jahre. Es wird also abermals viel Lärm um eine weitgehend normale langfristige Entwicklung gemacht.
Mehr unter Arzneimittelmarkt in Deutschland: Analyse der Arzneimittelausgaben.
Aussage 2:
Die AMNOG-Regulierung sei überkomplex geworden und trage nicht zur Innovationsförderung sowie wirksamer Ausgabenregulierung bei.
vfa-Check
Die Aussage ist grundsätzlich zutreffend. Der vfa hat von Anfang an vor Überregulierung und Überkomplexität durch zurückliegende AMNOG-Eingriffe gewarnt, so insbesondere bei der Aushebelung der Grundprinzipien des AMNOG im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG). Maßnahmen, wie die „Leitplanken“ oder der Zwangsabschlag auf Kombinationen, haben mit dem Prinzip der nutzenbasierten Preisbildung gebrochen und führen zu einer abnehmenden Planungssicherheit sowie einer Verschärfung des Innovationsrückstands. Immerhin werden inzwischen die Fehlgriffe von vielen erkannt.
Zugleich wirken im Arzneimittelmarkt bereits viele verschiedene Kostendämpfungsinstrumente. Allein durch das AMNOG-Verfahren werden 10,3 Milliarden Euro Entlastung für die Krankenkassen für das zurückliegende Jahr 2024 erwartet. Für das Jahr 2025 wird ein Einsparvolumen in Höhe von 12,2 Mrd. Euro prognostiziert. Das bleibt im Kassenreport unerwähnt.
Mehr unter Arzneimittelzugang in der EU: Rückstand im Vergleich zu den USA sowie Arzneimittelmarkt in Deutschland: Analyse der Arzneimittelausgaben.
Aussage 3:
Die AMNOG-bewerteten Arzneimittel würden in immer spezialisierteren bzw. kleineren Anwendungsgebieten zugelassen und nicht mehr zwangsläufig randomisiert-kontrollierte Studien vorweisen.
vfa-Check
Der medizinische Fortschritt und die Arzneimittelforschung ermöglichen in der Tat zunehmend zielgerichtete Therapieansätze, die der Behandlung von eng abgegrenzten, schwer erkrankten Patient:innen mit unzureichenden Therapiealternativen dienen. Der Fortschritt wird zugleich zur Herausforderung, da die Durchführung von klinischen Studien vor allem in solchen besonderen Therapiesituationen deutlich erschwert ist. Hier kann es unmöglich oder unangemessen sein, Studien höchster Evidenzstufe durchzuführen. Diese Dynamik sollte auch bei der AMNOG-Nutzenbewertung abbildbar sein.
Mehr unter: AMNOG: Besondere Therapiesituationen und Besondere Therapiesituationen und ihre Herausforderungen.
Aussage 4:
Als Vorschläge zur Vereinfachung des AMNOG werden im DAK-Report der Rückbau der Leitplanken, eine uneingeschränkte Orphan Drug-Bewertung, keine Verknüpfung von Standortförderung und Preisfindung sowie Vereinfachung von Pay-for-Performance-Modellen skizziert.
vfa-Check
Statt eines echten Rückbaus der kritisch beleuchteten Leitplanken verbirgt sich hinter dem Vorschlag ein Umbau des Verhandlungsrahmens zu einem System aus indikationsspezifischen, dauerhaft gedeckelten Höchstpreisen - gänzlich ohne Würdigung des Zusatznutzens und mit verminderten Innovationsanreizen. Dies wäre eine komplette Abkehr vom ursprünglichen AMNOG-Prinzip einer nutzenbasierten Preisbildung.
Die Herausforderungen der klinischen Entwicklung bei seltenen Erkrankungen bleiben bei der AMNOG-Bewertung bislang unberücksichtigt. Daher würde eine uneingeschränkte Orphan Drug-Bewertung entgegen der Behauptung im Report keineswegs zur verbesserten Transparenz führen, sondern lediglich die Limitationen des AMNOG im Umgang mit Orphan Drugs widerspiegeln. Zugleich unterliegen gut 80 Prozent der Orphan Drug-Umsätze bereits einer uneingeschränkten AMNOG-Bewertung. Denn: ab einem Jahresumsatz von 30 Mio. Euro wird ein Orphan Drug im AMNOG erneut und wie jedes andere innovative Medikament bewertet. Der überwiegende Teil der Orphan Drugs generiert hingegen Jahresumsätze weit unter 30 Mio. Euro. Eine im Dezember 2024 veröffentlichte Studie hat die immense Bedeutung der Orphan Drug-Regelung für die Marktverfügbarkeit aufgezeigt: bei ihrer Abschaffung wären 57 Prozent der Orphan Drugs einem sehr hohen bis maximalen Marktrücknahmerisiko ausgesetzt.
Mehr unter: Orphan Drugs: Mythen & Fakten und Orphan-Drug-Regelung: Abschaffung schränkt Patientenversorgung ein.
Mit dem Medizinforschungsgesetz (MFG) wurde eine Ausnahme-Option für die „Leitplanken“ geschaffen. Die ersten Erfahrungen zeigen jedoch, dass die technische Ausgestaltung zu noch mehr Komplexität und weniger Planungssicherheit führt. Von einer, wie im DAK-Report behauptet, „weitestgehend problemlos möglichen“ Umsetzung der MFG-Klausel kann in der Praxis jedenfalls nicht die Rede sein. Allein eine komplette Abschaffung der Leitplanken könnte hier Abhilfe schaffen.
Nachvollziehbar sind hingegen Argumente für eine Vereinfachung von Pay-for-Performance-Modellen. Innovative Erstattungsmodelle können im Einzelfall helfen, vor allem bei besonderen Therapiesituationen der begründbaren Unsicherheit zu begegnen und Patient:innen einen schnellen Zugang zu diesen Therapien zu ermöglichen.
Mehr unter: Neue Ansätze im AMNOG für bessere Patientenversorgung.
Aussage 5:
Als Ideen für neue ausgabenbezogene Maßnahmen skizziert der DAK-Report u.a. eine Dynamisierung des Herstellerabschlags sowie eine Orientierung der Preise an Forschungs- und Entwicklungskosten.
vfa-Check
Die negativen Effekte eines Herstellerabschlages liegen auf der Hand und werden auch im DAK-Report genannt. Der Reformvorschlag für die Ausgestaltung macht das Instrument allerdings nicht besser. Er hemmt die langfristige Investitionsbereitschaft, wirkt faktisch wie eine Budgetierung und macht die Erstattungsbedingungen in Deutschland für die forschenden Pharmaunternehmen kein Stück planbarer.
Nachvollziehbar ist hingegen die ökonomische Kritik des Reports hinsichtlich der im Raum stehenden Ansätze einer kostenbasierten Preisbildung. Denn: sie setzen falsche Anreize, lassen Investitionen für „Fehlschläge“ außer Acht und sind zudem in der Praxis nicht sinnvoll realisierbar. Zugleich gefährden sie den schnellen Zugang zu innovativen Arzneimitteln in erheblichem Maße.