Im Blick: Die Sicherheit der zugelassenen Covid-19-Impfstoffe
Die Top-Priorität bei der Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen war von Beginn an die Verträglichkeit und Sicherheit. Erfreulicherweise erwiesen sich gleich die ersten Impfstoffe als gut verträglich. Die Sicherheitsüberprüfung endet aber nicht mit der Zulassung der Impfstoffe, sondern wird auch danach fortgesetzt. Wie das organisiert ist, wird hier erläutert.

Während der Entwicklung wurde die Verträglichkeit jedes Impfstoffs zunächst in Tierversuchen und dann (bei guten Ergebnissen) in allen anschließenden klinischen Studien mit Freiwilligen geprüft. Alle Covid-19-Impfstoffe, die bislang in der EU zugelassen wurden oder für die eine EU-Zulassung beantragt ist, haben dabei eine gute Verträglichkeit gezeigt: Viele Studienteilnehmer erlebten zwar die üblichen Impfreaktionen (Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit oder etwas erhöhte Körpertemperatur in der ersten Zeit nach der Impfung etc.), aber keine problematischen Nebenwirkungen.
Der längste Abschnitt bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 ist die Erprobung mit Freiwilligen. Dabei ist viel zu beachten. Wie diese Impfstoffe erprobt werden, ist hier ausführlich beschrieben.
Weil die Phase III-Studien mit sehr vielen Teilnehmern (ca. 20.000 bis 45.000) durchgeführt wurden und von diesen ja rund die Hälfte Injektionen mit dem echten Impfstoff erhalten haben, war bzw. ist schon zum Zeitpunkt der Zulassung die Verträglichkeit breit abgesichert. Trotzdem fallen auch in Studien dieser Größenordnung keine Nebenwirkungen auf, die nur sehr selten – also bei weniger als jedem oder jeder zehntausendsten Geimpften – auftreten.
Erfahrungen in der Anwendung
Wie bei allen als Spritze oder Infusion verabreichten Medikamenten kann auch bei Covid-19-Impfstoffen in sehr seltenen Fällen eine sofortige heftige Immunreaktion auftreten, die Anaphylaxie genannt wird. Glücklicherweise wissen Impfärzte, wie sie diese Reaktion mit gängigen Medikamenten behandeln können. Als Vorsichtsmaßnahme genügt es daher, die Geimpften nicht sofort heimgehen zu lassen, sondern sie noch mindestens eine Viertelstunde weiter zu beobachten. Nur Menschen, die bei der ersten Injektion anaphylaktisch reagiert haben, sollten die zweite Dosis (die sonst nach drei bzw. vier Wochen ansteht) nicht erhalten.
Laufende Sicherheitsüberwachung
Mit der App SaveVac 2.0 können Geimpfte Nebenwirkungen melden.Die Sicherheit der zugelassenen Covid-19-Impfstoffe wird auch weiterhin untersucht. Auf diese Weise sollen die bereits bekannten Nebenwirkungen weiter charakterisiert und bewertet, aber auch noch mögliche weitere, sehr seltene und bislang unbekannte Nebenwirkungen erkannt und Wege zu ihrer Vermeidung ausgearbeitet werden.
Diese Aufgabe (die in Fachkreisen Pharmakovigilanz genannt wird) gehen die Arzneimittelbehörden und die Impfstoff-Hersteller weltweit auf drei Arten an:
- Nachbeobachtung der Teilnehmer aus den Phase-III-Studien:
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studien, die die Grundlage der Zulassungen sind, werden auch nach der Ermittlung der Wirksamkeit weiter regelmäßig auf mögliche Nebenwirkungen untersucht – typischerweise zwei Jahre lang. - Untersuchung von Kohorten von Geimpften:
Unter den Geimpften werden in vielen Ländern Menschen rekrutiert, die bereit sind, in den Tagen nach der Impfung und auch noch ein halbes und ein ganzes Jahr danach über ihren Gesundheitszustand und mögliche Impfreaktionen Auskunft zu geben. Eine solche Gruppe von Personen heißt „Kohorte“. Die Teilnehmer der deutschen Kohorte übermitteln ihre Auskünfte mithilfe der App SaveVac 2.0 vertraulich an die zuständige Arzneimittelbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut. - Spontanmeldungen von Geimpften:
Alle Meldungen von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen, die Geimpfte aus eigener Initiative („spontan“) abgeben, werden gesammelt. Zum Melden sind alle Geimpften aufgerufen. Melden können sie beispielsweise über ihren Arzt oder Apotheker oder das Meldeportal der Arzneimittelbehörden www.nebenwirkungen.bund.de (mehr dazu hier). Dabei muss der bzw. die Geimpfte nicht selbst den Nachweis erbringen, dass die erlebte negative körperliche Reaktion wirklich eine Impfnebenwirkung ist. Vielmehr kann jede Reaktion, von der jemand vermutet, dass es eine Nebenwirkung sein könnte, gemeldet werden. Die Meldungen gehen in die europäische Datenbank EudraVigilance und werden von Experten der nationalen Zulassungsbehörden gemeinsam mit der europäischen Zulassungsbehörde EMA gesichtet und daraufhin untersucht, ob die berichteten medizinischen Ereignisse wirklich eine Impffolge sein könnten oder rein zufällig kurz nach der Impfung aufgetreten sind.
Natürlich können nicht nur Geimpfte, sondern auch deren Angehörige potentielle Nebenwirkungen melden und auch Angehörige der Gesundheitsberufe, wie Ärzte und Apotheker, sind per Berufsordnung dazu verpflichtet, Verdachtsfälle von Nebenwirkungen zu melden.
Viele Menschen, viele medizinische Ereignisse: Vor diesem Hintergrund spielen sich die Impfungen ab
Die Überprüfung der Sicherheit der Impfstoffe im laufenden Impfgeschehen erläuterte vfa-Forschungssprecher Dr. Rolf Hömke in einem Beitrag von Deutsche Welle TV am 22.01.2021
Bei der Bewertung hilft den Arzneimittelbehörden, dass sie durch Auswertung anonymisierter Krankenakten wissen, wie viele medizinische Ereignisse ohnehin binnen eines Monats oder Jahres bei Frauen bzw. Männern einer bestimmten Altersgruppe zu erwarten sind. So wissen sie beispielsweise, wie viele aus einer Gruppe von 100.000 über 80-jährigen Frauen im Schnitt in einem Monat einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden oder eine Erstdiagnose für Diabetes oder Alzheimer erhalten. Ebenso wissen sie, wie viele erwachsene Männer unter 30 Jahren im gleichen Zeitraum eine Erstdiagnose für Multiple Sklerose oder Gelenkrheuma erhalten. Man weiß auch, wie viele Menschen einer bestimmten Altersgruppe durchschnittlich binnen eines Monats versterben.
Anhand solcher Auswertungen ist ersichtlich, dass es gar nicht anders sein kann, als dass einige Menschen Stunden, Tage oder Wochen nach der Impfung medizinisch behandelt werden müssen oder sogar sterben, ohne dass das etwas mit der Impfung zu tun hätte. Erst eine erhöhte Rate solcher Ereignisse wäre ein Alarmzeichen. Trotzdem wird jeder Einzelfall eines zeitlichen Zusammentreffens von Impfung und medizinischem Notfall auch direkt darauf untersucht, ob ein ursächlicher Zusammenhang bestehen könnte.
Sollte eine bis dato nicht bekannte schwere Impfreaktion festgestellt werden, würden die Arzneimittelbehörden mit dem Hersteller zusammen versuchen zu ermitteln, bei welcher Gruppe von Personen oder unter welchen Bedingungen sie überhaupt nur auftritt. Davon ausgehend, würden dann unverzüglich Gegenmaßnahmen konzipiert.
Für Deutschland berichtet die zuständige Arzneimittelbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), jetzt wöchentlich auf seiner Website über die gemeldeten Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung.
Internationale Kooperation bei Sicherheitsüberwachung und Sicherheitsmaßnahmen
Die Verdachtsmeldungen sammelt nicht nur jedes Land oder die EU für sich allein. Sie werden im Rahmen der Aktivitäten der Weltgesundheitsorganisation WHO aus aller Welt zusammengeführt, damit eine bis dato noch unbekannte Nebenwirkung, die Gegenmaßnahmen erfordert, so schnell wie möglich erkannt werden kann, und die Risikominimierungsmaßnahmen auch weltweit angewendet werden. Das ist sinnvoll, da die Covid-Impfstoffe ja bereits in über 40 Ländern zur Anwendung kommen.
Neben der Überwachung der Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe geht es bei den internationalen Kooperationen natürlich auch um Erkenntnisgewinn.
Verträglichkeit für Schwangere und ungeborene Kinder
Im Rahmen der klinischen Studien haben alle Hersteller und die mit ihnen kooperierenden medizinischen Einrichtungen darauf geachtet, dass keine schwangeren Frauen an den Studien teilnehmen. Das ist das normale Vorgehen bei jedem neuen Medikament, ganz unabhängig davon, ob Wissenschaftler eine Gefahr für Mutter oder Kind vermuten oder nicht.
Trotzdem wurden vereinzelt unwissentliche Schwangerschaften bei Teilnehmerinnen entdeckt. Diese Schwangerschaften werden engmaschig überwacht und deren Ausgang dokumentiert. Zusätzlich werden die Mütter und die neugeborenen Kinder untersucht. Bislang deutet nichts auf ein Problem hin. Trotzdem sollten die Covid-Impfstoffe laut Zulassungsbehörde aus Vorsichtsgründen derzeit nur nach genauer ärztlicher Risikoabschätzung für Schwangere in Betracht gezogen werden. Bei der EMA will man erst noch weitere Ergebnisse von geplanten Untersuchungen abwarten.