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Compassionate Use schnell erklärt

Eine Krankenschwester trägt ein in ein Laken gewickeltes Kind über einen Krankenhausflur.

Was ist Compassionate Use?

Compassionate Use ist die englische Bezeichnung für Arzneimittel-Härtefall-Programme. Damit können bestimmte Patientinnen und Patienten im Ausnahmefall mit einem Medikament behandelt werden. Dafür gibt es strikte Voraussetzungen: Patientinnen und Patienten müssen eine lebensbedrohliche Krankheit haben, können mit bereits zugelassenen Therapien nicht zufriedenstellend behandelt werden, und es gibt für sie keine therapeutische Alternative mehr.

Wie funktionieren diese Härtefall-Programme?

Zuerst muss der Hersteller das in Frage kommende Medikament mit entsprechenden Dokumenten zur Qualität und bisherigen Erprobung bei der zuständigen deutschen Arzneimittelbehörde für ein Härtefall-Programm anmelden. In Deutschland sind dies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder das Paul-Ehrlich-Institut (PEI).

Dabei ist genau geregelt, welche exakte Diagnose bei Patienten gestellt sein muss, damit das Compassionate-Use-Programm einsetzbar ist. Das schon ein Stück weit erprobte, aber noch nicht zugelassene Medikament kann dann vom behandelnden Arzt für einen Patienten angefordert werden, der diese Kriterien erfüllt. Der Arzt muss später dem Hersteller das anonymisierte Behandlungsprotokoll für die wissenschaftliche Auswertung zur Verfügung stellen. So können im Rahmen des Programms weitere Erkenntnisse über das Medikament gewonnen werden.

Wo finden Ärzte und Patienten Informationen zur Teilnahme?

Die Arzneimittelbehörden BfArM und PEI veröffentlichen alle aktuellen Härtefall-Programme auf ihrer Website. Beim PEI finden sich die Programme zu Antikörper-Medikamenten, Blutprodukten und Impfstoffen; alle anderen Medikamente sind auf der Website des BfArM gelistet. Antragsberechtigt sind nur Ärzte; Patientinnen und Patienten können ihren Arzt aber darauf ansprechen.

Individueller Heilversuch vs. Härtefall-Programm: Was ist der Unterschied?

Das Härtefall-Programm muss von einem „individuellen Heilversuch“ unterschieden werden. Hierbei wird vom behandelnden Arzt bei einem einzelnen Patienten ein noch nicht zugelassenes Medikament angewendet. Im Härtefall-Programm gilt dies für die genau definierte Gruppe von Patientinnen und Patienten.

Off-Label-Use vs. Härtefall-Programm: Wo sind die Unterschiede?

Das wichtigste Kriterium ist: Beim sogenannten Off-Label-Use ist das Medikament bereits zugelassen, aber nicht für die Krankheit oder Altersgruppe des Patienten. Demgegenüber befinden sich Medikamente bei Härtefall-Programmen noch im Zulassungsprozess. Die folgende Tabelle stellt beide Behandlungsarten zum besseren Verständnis gegenüber:

.Off-Label-UseHärtefall-Programm/Compassionate Use
Zulassungsstatus des Medikamentszugelassennoch nicht zugelassen
Anwendungsgebietenicht für das zugelassene Anwendungsgebiet oder die Altersgruppe (z.B. Kinder)für das Krankheitsbild, für das eine Zulassung erreicht werden soll
Dauerbis zur Zulassungserweiterung des Medikamentsmaximal bis zur Markteinführung des Medikaments

Wer trägt die Kosten?

Die Kostenfrage bei Härtefall-Programmen ist klar geregelt: Der Arzneimittelhersteller muss das Medikament kostenlos abgeben. Die Krankenkasse kommt für die weiteren Behandlungskosten und eventuellen Klinikaufenthalte auf.

Was ist noch wichtig?

Wenn das Warten auf die Zulassung einer Therapie keine Option mehr darstellt, weil Behinderungen oder tödliche Folgen drohen, können Härtefall-Programme eine Lösung sein. Es braucht hier aber immer ausreichende Hinweise auf die Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels. Da diese zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht behördlich bestätigt sind, bedeutet die Härtefall-Anwendung eine Abwägung, ob der Nutzen in diesem speziellen Patientenfall mögliche Risiken übersteigt. Dafür braucht es die Zusammenarbeit von Ärzten, Pharma-Unternehmen und den Arzneimittelbehörden.