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Patienten in klinischen Studien

Genetische Begleituntersuchungen

Jeder Mensch ist einzigartig – auch wenn es darum geht, ob ein Medikament bei ihm wirkt und ob er es verträgt. Vieles hat einen Einfluss darauf, bei­spielsweise wie jemand lebt oder wie funktionstüchtig Leber und Nieren sind. Aber auch die Erbanlagen – die Gene – spielen eine Rolle.

„Pharmakogenetik“ heißt die wissenschaftliche Disziplin, die untersucht, wie Erbanlagen die Reaktion auf bestimmte Arzneimittel beeinflussen. Pharmakogenetische Analysen – oft auch einfach genetische Analysen genannt – sind heutzutage ein Bestandteil vieler klinischer Studien. Natürlich wird man Ihnen sagen, ob das auch für die Studie gilt, für die Sie sich inte­ressieren.

Gene sind wie eine Bedienungsanleitung, in der jede Zelle ständig nachliest, wann und wie sie verschiedene Proteine (auch Eiweiße genannt) herstellen soll. Die menschliche Erbinformation besteht aus einer Abfolge von circa drei Milliarden Bausteinen, die in wissenschaftlichen Texten mit den Buchstaben A,C,G und T dargestellt werden. Über 99,9 Prozent der Erbinformation sind bei allen Menschen gleich; das heißt aber, dass wir uns dennoch an ungefähr 3 Millionen Stellen in der Erbinformation von anderen Menschen unterschei­den können. Unterschiede in einem Gen führen zu Unterschieden bei einem Protein. Und das wiederum führt zu einem Unterschied im Körperbau, in einem Lebensvorgang oder auch bei der Reaktion auf ein bestimmtes Arzneimittel. Manchmal genügt schon eine Abweichung in nur einem ein­zigen Buchstaben für einen wesentlichen Unterschied.

Gene beeinflussen die Wirksamkeit und Verträglichkeit

Betrachten wir als Beispiel das Gen für ein Protein mit dem Namen „Cyto­chrom P450 2D6“, kurz CYP2D6. Dieses Gen kommt in der Menschheit in rund 70 Varianten vor, von denen mindestens 16 dazu führen, dass das entsprechende Protein überhaupt nicht oder nicht funktionstüchtig gebildet wird (siehe Abbildung S. 24). Ausgerechnet dieses Protein spielt aber eine Schlüsselrolle dabei, etliche Arzneimittel­-Wirkstoffe im Körper abzubauen und auszuscheiden.

Wer über Gene verfügt, mit denen das CYP2D6-­Protein nicht gebildet werden kann, behält die Wirkstoffe lange im Körper, bis sie wieder abgebaut und ausgeschieden sind. Die Wirkstoffmengen aus mehreren Medikamenteneinnahmen sammeln sich im Körper an, und das kann zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen. Für Europäer liegt die Wahrscheinlichkeit für eine solche Variation im Erbgut bei 5 bis 10 Prozent.

Umgekehrt läuft der Wirkstoffabbau durch CYP2D6 bei rund 3 Prozent aller Europäer besonders schnell, denn eine Besonderheit in ihrem Erbgut sorgt dafür, dass sie besonders viel CYP2D6­-Protein bilden. Eine normale Medika­mentendosis wird dann so schnell abgebaut, dass der Wirkstoff keine oder nur geringe Wirkung entfalten kann.

Gehört ein Medikament zu denen, die CYP2D6 abbaut, kann noch vor der Verordnung mit Hilfe einer Unter­suchung der CYP2D6-­Gene festgestellt werden, ob der oder die Erkrankte das Medikament in normaler Dosis, in erhöhter Dosis oder aber lieber gar nicht bekommen sollte. Im letzten Fall würde ein anderes Medikament verordnet.

Auch Krebszellen haben Veränderungen in den Buchstaben ihrer Gene – Fachleute sprechen von Mutationen. Viele Krebsmedikamente wirken nur, wenn bei den Krebszellen eine ganz bestimmte Mutation eingetreten ist. Andere wirken nur solange, wie eine bestimmte Mutation noch nicht ein­getreten ist; tritt diese irgendwann doch noch auf, verlieren die Mittel ihre Wirkung. Deshalb ist es oft nötig, bestimmte Gene in den Tumorzellen einer Patientin oder eines Patienten zu untersuchen, ehe das geeignete Medika­ment ausgewählt werden kann.

Um einen solchen Test zu entwickeln, muss man aber erst einmal die Gene finden, von denen es abhängt, ob sich ein Medikament im Einzelfall einsetzen lässt oder nicht. Genau dazu können genetische Begleituntersuchungen bei Studien dienen. In anderen Fällen soll mit ihnen herausgefunden werden, ob bestimmte Gene eine Rolle dabei spielen, dass jemand für eine bestimmte Krankheit anfällig ist oder dafür, dass bei ihm oder ihr eine Krankheit anders verläuft als bei den meisten anderen Erkrankten.

Die Untersuchungen werden in der Regel an ohnehin erforder­lichen Blutproben durchgeführt, oder im Fall von Krebs an einigen Zellen aus dem Tumor.

Einwilligung nötig

Sie werden ausdrücklich darüber informiert, wenn bei Ihrer Studie eine genetische Begleitunter­suchung vorgesehen ist. Bei manchen Studien können Sie dann wählen, ob Sie an der Studie mit oder ohne diese Begleituntersuchungen teilnehmen wollen. Bei anderen Studien ist die Begleituntersuchung fester Bestandteil, und Sie Entscheiden zwischen einer Teilnahme und dem Verzicht darauf. Wichtig ist in jedem Fall: Niemand darf Gene von Ihnen untersuchen, ohne Ihre Einwilligung dazu zu haben!

Genutzt werden dürfen Ihre genetischen Daten auch nur zu den Forschungs­zwecken, denen Sie zugestimmt haben und nur von denjenigen, denen Sie das mit Ihrer Einwilligung gestattet haben. Auch hier haben Sie wieder das Recht, jederzeit Ihre Einwilligung zurückzunehmen.

Ablauf genetischer Untersuchungen

Wenn Sie mitmachen, dann wird auf dem Gefäß mit der Blut-­ oder Zellprobe nicht Ihr Name, sondern eine Nummer oder ein Strich­-Code angegeben. Für alle anderen außer Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt sind Ihre genetischen Daten also anonym. Der übrige Teil Ihrer Studiendaten wird getrennt und unabhängig davon verschlüsselt. Auf die Vertraulichkeit und den Schutz der genetischen Daten wird, wie bei allen anderen klinischen Daten aus der Studie auch, streng geachtet.

Es kann für die Untersuchung erforderlich sein, genetische Daten mit ande­ren Studiendaten (z. B. Blutuntersuchungswerten, EKG­-Ergebnissen, dem Krankheitsverlauf) zu vergleichen. Das geschieht durch Fachleute, denen Ihre Daten ohne Namensangabe übermittelt wurden. Diese interessiert ohnehin nicht der Einzelfall, sondern nur, was sich aus der Betrachtung der Daten von Hunderten oder Tausenden von Teilnehmern ergibt.

Die Daten und Proben werden nach Abschluss der geplanten Analysen noch mindestens 15 Jahre lang gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des Daten­schutzes sicher verwahrt. Danach kann die sichere Verwahrung fortgesetzt werden, oder die Daten und Proben werden vernichtet.

Die Studienergebnisse werden später ausschließlich in einer Form veröffentlicht, die keinen Rückschluss auf einzelne Personen zulässt.

Ansonsten haben nur noch die Arzneimittelbehörden das Recht, die Daten der Begleituntersuchungen anzusehen, wenn das der Sicherheit der Teil­nehmerinnen und
Teilnehmer oder der Qualität der zu entwickelnden Medikamente dient. Auch in diesem Fall gilt aber, dass sie die Einzeldaten streng vertraulich behandeln müssen.