Regierung drosselt Milliardenzuschüsse an die gesetzliche Krankenversicherung
Berlin (dpa) - Zur Konsolidierung des Haushalts will der Bund die Milliardenzuschüsse an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) vorübergehend kräftig drosseln. Angesichts des Rekordpolsters der GKV von 30,3 Milliarden Euro soll der Bundeszuschuss im kommenden Jahr um 2,5 auf 11,5 Milliarden Euro gekürzt werden. Einen entsprechenden Bericht der «Süddeutschen Zeitung» bestätigte das Gesundheitsministerium am Mittwoch in Berlin. Die Krankenkassen warnten vor einem Anstieg der Beiträge. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wies dies zurück.
Nach neuen Zahlen hat die GKV bis Ende 2013 Reserven von 30,3 Milliarden Euro angesammelt, davon alleine 13,6 Milliarden beim Gesundheitsfonds, der Geldsammel- und -verteilstelle der GKV. 16,7 Milliarden Euro haben die einzelnen Kassen auf der hohen Kante. «Wir können es uns deshalb leisten, aus dieser Reserve im Jahr 2015 vorübergehend Geld zur Haushaltskonsolidierung zur Verfügung zu stellen», sagte Gröhe. Die Kassen-Ausgaben stiegen 2013 um 4,9 Prozent je Versicherten. Allein für Ärzte betrug der Anstieg 10,6 Prozent, für Krankenhausbehandlung 3,7 Prozent.
Im laufenden Jahr sollen wie bereits geplant nur 10,5 Milliarden Euro aus Steuermitteln an die Krankenversicherung fließen. 2015 soll es eine Milliarde mehr sein, bisher waren laut Sozialgesetzbuch allerdings 14 Milliarden Euro vorgesehen. Die Kürzung soll Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) helfen, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Schulden vorzulegen. Für 2016 ist dann ein Zuschuss von 14 Milliarden geplant. Von 2017 an soll der Zuschuss dauerhaft um 500 Millionen auf 14,5 Milliarden Euro erhöht werden.
Gröhe sagte, er habe in den Etatverhandlungen klar gemacht, dass das Geld, das 2015 zur Entlastung des Haushalts zur Verfügung gestellt werde, wieder in den Gesundheitsfonds zurückfließen müsse. «Da bin ich mir mit dem Finanzminister einig.» Auswirkungen auf die Beiträge hätten die Pläne nicht. Denn den Kassen stünden auch 2014 und 2015 die vollen 14 Milliarden Euro aus dem Fonds zur Verfügung. Dies soll aus den Fonds-Reserven finanziert werden.
Die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, warnte dagegen: «Den Bundeszuschuss zu kürzen, wäre ein Beschleunigungsprogramm für Beitragserhöhungen.» Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben gehe spätestens 2015 wieder auf. Die Kassen-Mitglieder müssen laut bisherigen Schätzungen in drei Jahren mit Zusatzbeiträgen von rund 1,5 Prozent des Einkommens rechnen.
Pfeiffer betonte zudem, der Bundeszuschuss diene der Mitfinanzierung versicherungsfremder Leistungen, etwa der beitragsfreien Versicherung der Kinder. Für solche Familienleistungen geben die Kassen mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr aus. Für die Chefin des Verbandes der Ersatzkassen, Ulrike Elsner, zeigen die Pläne, «wie beliebig der Gesetzgeber mit versprochenen Steuerzuschüssen umgeht». Auch AOK und Barmer GEK forderten mehr Verlässlichkeit beim Bundeszuschuss.
Die Sozialverbände lehnten die Pläne rundheraus ab. Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte, statt in die Sozialkassen zu greifen, müsse die Regierung ihr Tabu der Steuererhöhungen für Reiche aufgeben. Der Sozialverband Deutschland mahnte: «Die Krankenversicherung darf nicht zum Spielball des Bundesfinanzministers werden.» Der Deutsche Gewerkschaftsbund warnte vor einem Raubzug durch die Kassen der Sozialversicherungsträger.
Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink kritisierte: «Die Kürzung wird dazu führen, dass es eher als vorausgesagt zu deutlichen Zusatzbeiträgen für die Versicherten kommt.» Linke-Gesundheitsexperte Harald Weinberg warnte, die Versicherten müssten jeden einzelnen nun vom Bund eingesparten Euro später an ihre Krankenkasse abführen.