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«Chemisches Kondom» gegen Aids erstmals erfolgreich

Wien/Washington (dpa) - Zum ersten Mal hat sich ein Gel gegen Aids als wirksam gezeigt. Das «chemische Kondom», dem ein Aidsmittel beigemischt ist, wird vor dem Sex in die Scheide eingeführt. In einer südafrikanischen Pilotstudie mit rund 900 Frauen sank das Ansteckungsrisiko mit HIV um knapp 40 Prozent. Die Untersuchung, die im US-Fachjournal «Science» erscheint, sollte am Dienstagmittag auf der Weltaidskonferenz in Wien vorgestellt werden.

In den vergangenen 20 Jahren Forschung habe keine der elf Studien mit sechs verschiedenen Mikrobizid-Kandidaten einen nennenswerten Schutz vor HIV erreicht, betonen die Wissenschaftler um Quarraisha Abdool Karim vom südafrikanischen Aids-Forschungszentrum CAPRISA in «Science». Sie hatten ein Scheidengel getestet, das zu einem Prozent das Aidsmittel Tenofovir enthält. Dieser Wirkstoff wird auch in Tablettenform gegen HIV-Infektionen eingesetzt.

Die Studienteilnehmerinnen wurden in zwei etwa gleich große Gruppen eingeteilt. Die eine bekam das Gel mit dem Aidsmittel, die andere ein wirkstoffloses Gel (Placebo). Alle Frauen wurden intensiv über den Schutz vor Aids und anderen Geschlechtskrankheiten beraten, bekamen Kondome und wurden regelmäßig untersucht und wenn nötig behandelt. Die von den Regierungen der USA und Südafrikas finanzierte Studie sei nach den international höchsten ethischen Maßstäben gestaltet worden, betonen die Autoren.

Nach 30 Monaten hatten sich in der Wirkstoffgruppe 38 Frauen mit HIV infiziert, in der Plazebogruppe 60. Umgerechnet auf die Teilnahmedauer der Probandinnen ergaben sich 5,6 HIV-Infektionen pro 100 Teilnahmejahre in der Wirkstoffgruppe und 9,1 in der Plazebogruppe. Durch das Gel sank die Infektionshäufigkeit damit rechnerisch um 39 Prozent.

In der Untergruppe derjenigen Frauen, die das Gel sehr regelmäßig angewendet haben - in mindestens 80 Prozent aller Fälle - lag die Infektionshäufigkeit in der Wirkstoffgruppe sogar um 54 Prozent niedriger. Allerdings stehen diese Ergebnisse statistisch nicht auf sehr festen Füßen und müssen zunächst durch weitere, größere Studien bestätigt werden, wie auch die Studienautoren betonen.

Dennoch sind die Forscher vorsichtig optimistisch, nach 20 Jahren Forschung Frauen den Weg zu einem selbstbestimmten Schutz vor Aids eröffnen zu können. Im besonders schwer von der Immunschwäche- Epidemie betroffenen südlichen Afrika können Frauen oft nicht den Gebrauch von Kondomen durchsetzen. In der Folge trifft sie die Ansteckung überproportional häufig: Rund 60 Prozent der neu Infizierten in dieser Region sind Frauen. Von einen funktionierenden «chemischen Kondom» erhoffen sich Forscher eine Wende in der Aidsepidemie.

Allerdings gab es auch zuvor schon aussichtsreiche Kandidaten. So schien das Vaginalgel «Pro 2000» zunächst das Infektionsrisiko deutlich zu senken. In einer großen Studie mit mehr als 9000 Frauen in vier afrikanischen Ländern zeigte sich letztlich jedoch keinerlei Schutzwirkung.