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US-Forscher: PID-Verbot ist moralisch fragwürdig

Münster (dpa) - Wie ein großer Elefantenrüssel nähert sich die Pipette dem Embryo. Immer näher. Dann zieht sie an dem kleinen Zellhaufen, rüttelt und reißt solange daran herum, bis eine Zelle schließlich aufgibt und mitgerissen wird. Lee Silver mag es kontrovers. Und er scheut sich nicht, auf seinen Vorträgen Videos von realen PID-Untersuchungen oder künstlichen Befruchtungen zu zeigen. «Menschliche Embryonen haben keinen moralischen Wert für mich», sagt der Professor von der amerikanischen Princeton University. «Forscher untersuchen menschliche Herzzellen und schütten diese danach in den Ausguss. Wo ist der Unterschied zu Embryonen?»

Der 58 Jahre alte Silver hat sich immer wieder mit kontroversen Büchern und Aussagen in die Debatte um Stammzellforschung eingemischt. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa hat er jetzt ein eventuelles Verbot der PID (Präimplantationsdiagnostik) in Deutschland als nicht praktikabel bezeichnet. Kanzlerin Angela Merkel hatte sich für ein solches Verbot ausgesprochen. Deutsche Paare könnten sich ohne Probleme in Italien oder England behandeln lassen, wo deutlich liberalere Gesetze gelten würden, hält Silver dem entgegen.

Außerdem sei die moralische Argumentation fragwürdig. Hierbei verwies Silver auf die in Deutschland bereits erlaubte Untersuchung des Kindes im Mutterleib. Dabei werde ebenfalls das Erbgut auf Krankheiten hin untersucht und das Kind eventuell abgetrieben. «Wenn ich die Wahl zwischen einem wenige Zellen großen Embryo und einem bereits menschlich aussehenden Fötus hätte, würde ich mich für den Embryo entscheiden», sagte der US-Wissenschaftler.

Silver glaubt auch nicht, dass die PID flächendeckend eingesetzt werden würde. «Hier geht es nur um seltene, schwere Krankheiten, die in den Genen beider Elternteile vorkommen.» Diesen Eltern könne die Technik helfen, ein gesundes Kind zu bekommen. In der Debatte sei es wichtig, den Menschen die praktischen Konsequenzen eines Verbots aufzuzeigen. «Stellen Sie sich vor, was ein Verbot für Eltern bedeutet, die bereits ein krankes Kind haben und sich ein zweites wünschen», sagte Silver. «Ohne PID überlassen sie eine eventuelle Erkrankung des zweiten Kindes dem Zufall.» Mit PID könnten Ärzte hingegen gezielt einen gesunden Embryo auswählen.

In der Diskussion um Stammzellforschung könne die Wissenschaft keine Antworten liefern. Die große Frage, wann etwas zum Mensch werde, sei wissenschaftlich nicht beantwortbar. Der Mensch würde gerne alles in «Mensch und Nicht-Mensch» einteilen, aber die Natur passe nicht in solche Kategorien. «Die Übergänge sind fließend», so der 58-Jährige.

Deshalb müsse die Gesellschaft entscheiden, wo sie die Grenzen zieht. «Das ist wie mit einem Tempo-Limit auf der Autobahn. Warum sollen 120 Stundenkilometer erlaubt sein, aber 121 nicht?» Hier müsse die Gesellschaft zwischen der persönlichen Freiheit des Einzelnen und den möglicherweise negativen Konsequenzen abwägen. Silver hat seine Entscheidung schon getroffen: «Ich freue mich, dass es auf deutschen Autobahnen keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt.»