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Rekordhonorar für Ärzte - Tausende protestieren

Berlin/Essen (dpa) - Tausende Hausärzte haben gegen Sparpläne von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) protestiert - obwohl ihr von den Beitragszahlern finanziertes Honorar kräftig gestiegen ist. Bei Rösler stoßen die streikenden Ärzte auf taube Ohren.

"Es ist Krieg gegen die Hausärzte", sagte der rheinische Chef des Hausärzteverbands, Dirk Mecking, am Mittwoch bei einer Kundgebung in Essen. Hier und bei einer Veranstaltung in Sindelfingen waren nach Verbandsangaben knapp 5000 Ärzte dabei. Die Allgemeinmediziner wenden sich dagegen, dass die Koalition ihnen in der Regel kein höheres Honorarplus durch die Hausarztverträge als den anderen Ärzten mehr zugestehen will.

Zugleich wurde bekannt, dass das Honorar der rund 150 000 niedergelassenen Ärzte im vergangenen Jahr auf 30,8 Milliarden Euro
stieg: ein Plus von 11 Prozent im Vergleich zu 2007, dem Stand vor der jüngsten Honorarreform. 2008 hatten die Mediziner rund 1,8 Milliarden Euro weniger verdient. Auch das Honorar der Hausärzte war zuletzt gestiegen.

Die Einnahmensteigerung der Praxisärzte insgesamt geht aus einer Erhebung des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung hervor, die der Nachrichtenagentur dpa vorlag und über die auch die "Süddeutsche Zeitung" berichtete. Den größten Zuwachs im Vergleich zu 2007 erzielten die Ärzte demnach in Hamburg (+ 24,1 Prozent) und Thüringen.

Tausende Allgemeinärzte gaben sich aber wütend. Viele Patienten standen vor verschlossener Tür. Jede vierte Hausarztpraxis sei geschlossen, sagte der Sprecher des Hausärzteverbandes, Stefan Lummer. Mehr als die Hälfte der rund 4000 hessischen Allgemeinmediziner schlossen laut Verbandsangaben ebenfalls ihre Praxen, dazu rund 800 in Hamburg. Notfälle würden weiter behandelt.

Der hessische Verbandschef Dieter Conrad warnte, in fünf Jahren werde Unterversorgung zur Regel. Mecking sagte: "Die Politiker werden erst wach, wenn der Hausarzt vor Ort weg ist." Aktionen gab es auch in Hannover und in Dillingen im Saarland.

Die Krankenkassen mahnten, die Ärzte verspielten ihren noch guten Ruf. "Die Hausärzte verdienten im Jahr 2009 im Durchschnitt 8300 Euro brutto im Monat zuzüglich Privateinnahmen, das ist ein Einkommen, mit dem man sehr gut leben kann", sagte der Chef des Ersatzkassenverbands, Thomas Ballast. Der Vizechef des Kassen- Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, sagte: "Die Ausgaben für Arzthonorare steigen seit Jahren von Rekordniveau zu Rekordniveau, und auch für 2011 soll es nach dem Willen der Politik und der Ärzte schon wieder mehr geben."

Auch Rösler wies die Forderungen zurück. "Es geht nicht darum, dass wir Honorare beschneiden wollen, sondern wir wollen Steigerungen begrenzen", sagte der FDP-Politiker. Höhere Vergütungen in den umstrittenen Hausarztverträgen sollten zudem weiter möglich sein. Das Geld soll aber etwa bei den Arzneiverordnungen wieder eingespart werden, wie von Anfang an vorgesehen. Bestehende Hausarztverträge hätten Bestandsschutz. "Also ist nicht jeder Protest in vollem Umfang für mich zu erklären." Ärztefunktionäre dürften die Ärzte nicht gegeneinander ausspielen.

Bei neuen Hausarztverträgen will die Koalition kein höheres Honorarplus mehr zugestehen als bei anderen Ärzten. Versicherte sollen sich durch solche Verträge freiwillig besser versorgen lassen können, wenn sie immer zuerst zum Allgemeinmediziner gehen. Die Hausärzte werten mehr Geld als Ausgleich langer Benachteiligung. Zuletzt nahmen 20 000 der rund 45 000 Hausärzte mit Kassenpatienten an diesen Modellen teil - sowie 3,9 Millionen Versicherte.

Nach den jüngsten Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für 2008 erzielten die Hausärzte im Schnitt ein Honorar von rund 185 000 Euro im Jahr. Von dem Geld mussten noch Praxisausgaben, Steuern und Sozialausgaben bezahlt werden. Im ersten Halbjahr 2009 legte das Honorar aus dem allgemeinen Ärztetopf im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,5 Prozent zu. Das Geld aus den Hausarztverträgen eingerechnet ergaben sich mehr als 10 Prozent.

Rösler setzte den Spitzenverband der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung unter Druck, sich in den Verhandlungen für das Ärztehonorar im kommenden Jahr insgesamt zu einigen. "Sie müssen entscheiden", sagte er. Am 24. September - zwei Tage nach dem geplanten Kabinettsbeschluss zur Gesundheitsreform - nehmen Kassen und Ärzte die Verhandlungen wieder auf.