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Pharmakonzerne hungrig auf Biotech - Wachstum gesucht

Frankfurt/Main (dpa) - Die Pharmabranche steht vor einer nie dagewesenen Zäsur. Noch verdienen die meisten großen Konzerne prächtig. Doch Umsatzeinbrüche durch auslaufende Patente, mangelnder Produktnachschub sowie Kostendruck durch Gesundheitsreformen in Europa und den USA setzen die Branche immer stärker unter Druck.

Laut Branchendienst IMS Health verlieren bis 2013 Medikamente mit einem Umsatzvolumen von rund 135 Milliarden Dollar (98 Mrd Eur) ihren lukrativen Patentschutz. Das ist mehr als je zuvor, der Weltpharmamarkt hat eine Größe von insgesamt rund 800 Milliarden Dollar. Um zukünftiges Wachstum und Gewinne zu sichern, buhlen daher die Arzneimittelhersteller wieder verstärkt um Biotech-Unternehmen.

Deren Produkte gelten als Wachstumsmarkt und sind schwerer zu kopieren. Doch nach den jüngsten Milliardenübernahmen in der Biotech- Branche werden die attraktiven Übernahmeziele allmählich knapp - und damit steigen die Preise. Die wohl spektakulärste Übernahme der vergangenen Jahre war die übernahme des Biotech-Pioniers Genentech durch Roche für rund 47 Milliarden Dollar.

Am Montag ging der Übernahmekampf um das US-Unternehmen Genzyme in die nächste Runde: Der französische Pharmakonzern Sanofi-Aventis ergriff bei seinem feindlichen Vorstoß die Offensive und wandte sich mit seinem 18,5 Milliarden-Dollar-Angebot (13,5 Mrd Euro) nun direkt an die Aktionäre. Zu denen gehört auch der US-Milliardär und Großinvestor Carl Icahn. Die Genzyme-Führung lehnt das Gebot ab. Genzyme wäre seit dem Kauf von Aventis die größte Übernahme für Sanofi.

Neben Sanofi hat auch der US-amerikanische Pharma- und Konsumgüterkonzern Johnson & Johnson seine Fühler ausgestreckt: Der Bebe-Hersteller will seine Minderheitsbeteiligung an dem Impfstoffspezialisten Crucell auf 100 Prozent aufstocken.

Für forschende Pharmakonzerne ist die erfolgreiche Entwicklung von Medikamenten extrem wichtig. Mehr als 100 Milliarden Dollar stecken die großen Pharmakonzerne jährlich in die Forschung. Doch nur einer von hundert Wirkstoffen schafft es auf den Markt. Während in den 90- er Jahren weltweit um die 60 neue Medikamente zugelassen wurden, ist es inzwischen nur noch die Hälfte. In der Regel laufen Patente nach 20 Jahren aus. In der Folge können die Umsätze um 80 Prozent einbrechen, da die Hersteller von Nachahmermedikamenten (Generika) dann billigere Konkurrenzprodukte anbieten können.

Prominentestes Beispiel für den Patentablauf eines Kassenschlagers ist der Blutfettsenker Lipitor, der dem Weltmarktführer Pfizer aus den Vereinigten Staaten in Spitzenzeiten einen Jahresumsatz von über 12 Milliarden Dollar bescherte. Fast so erfolgreich war der Blutverdünner Plavix vom US-Konzern Bristol-Myers Squibb und der französischen Sanofi-Aventis.

In der Pharmabranche sind also neue Rezepte gefragt: In Deutschland müssen die Hersteller höhere Zwangsrabatte und ein staatliches Preismoratorium verdauen, in den USA hat die Branche Preisnachlässe von alleine 80 Milliarden Dollar für die nächsten zehn Jahre zugesagt. Die fetten Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten weltweit sind vermutlich vorbei: IMS Health erwartet für den Weltpharmamarkt 2010 ein Plus von nur noch vier bis sechs Prozent.