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Pharmabranche warnt vor Einschnitten - Kassen halten dagegen

Berlin (dpa) - Die Pharmaindustrie warnt wegen des Rabattdrucks vor dem Aus für neue Medikamente auf dem deutschen Markt. «Wenn die Politik nicht aufpasst und die beteiligten Akteure nicht konstruktiver und pragmatischer die anstehenden Fragen lösen, werden Innovationen in Deutschland zwar theoretisch billiger, sind aber praktisch nicht mehr verfügbar», sagte Birgit Fischer, die Geschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller, der Nachrichtenagentur dpa.

Neu mit dem schwarz-gelben Arzneigesetz AMNOG eingeführt wurde, dass sich der Erstattungspreis der Kassen für neue Medikamente nach dem Mehrwert für die Patienten zu richten hat. Bisher konnten die Unternehmen die Preise frei festsetzten. Der Bundesausschuss stellt diesen Zusatznutzen aufgrund von Studien fest. Es folgen Preisverhandlungen zwischen Hersteller und Kassen-Spitzenverband. Über rund 30 Mittel wird derzeit verhandelt.

Die Krankenkassen wollen die Pharmareform wirken lassen. «Jetzt ist nicht die Zeit für vorschnelle Gesetzesänderungen, sondern für die besonnene Anwendung des geltenden Rechts», sagte der Vize-Chef des Kassenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, der dpa. Kommende Woche will die Koalition entscheiden.

Unterstützung bekommen die Kassen vom Chef des maßgeblichen Gemeinsamen Bundesausschusses von Kassen, Ärzten und Kliniken, Rainer Hess. «Wir müssen die Verfahren nun erst einmal zwei Jahre so belassen und umsetzen, um Qualitätsverbesserungen und Einsparungen abschätzen zu können», sagte Hess der dpa anlässlich der letzten Ausschusssitzung unter seiner Leitung am Donnerstag in Berlin. Hess scheidet altersbedingt aus.

Ende Mai hatte AstraZeneca als erster Pharmakonzern mit dem Kassenverband einen Rabatt für ein neues Mittel ausgehandelt. Der Nachlass von rund 19 Prozent soll Einsparungen im einstelligen Millionenbereich alleine für diesen Blutverdünner bringen. Das Gesetz funktioniere, sagte Stackelberg.

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller weist darauf hin, dass sich die Forschung unterhalb eines bestimmten Preisgefüges nicht mehr lohne. «Vier solcher Fälle hatten wir bereits», sagte Fischer. So nimmt GlaxoSmithKline ein Epilepsie-Medikament vom deutschen Markt. Der Bundesausschuss sah den Zusatznutzen als nicht belegt ansah.

Kommende Woche verhandeln die Fachpolitiker der Koalition vorerst letztmals über mögliche Nachbesserungen an dem Gesetz. Dabei geht es unter anderem darum, ob die Erstattungspreise künftig geheim bleiben sollen, wie das die Pharmabranche gefordert hatte. Der Ausgang sei offen, hieß es in Koalitionskreisen.

Ausschuss-Chef Hess sieht die Arzneiprüfung als Fortschritt. Ärzte und Patienten könnten sich nun nach wenigen Monaten über Zusatznutzen und Nebenwirkungen neuer Mittel verglichen mit anderen Präparaten informieren. Die Preisverhandlungen könnten dann auch die Kassen-Ausgaben senken.

Mit Spannung wird erwartet, wann die bereits länger angebotenen Medikamente mit Patentschutz dem Verfahren unterzogen werden. Hess dämpfe die Erwartungen. «Ein Rundumschlag, mit dessen Hilfe das vom Gesetzgeber angestrebte Einsparpotenzial von 1,4 Milliarden Euro schnell zu erreichen wäre, bietet sich nicht an.»