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Pharmabranche setzt auf die Schwellenländer

Frankfurt/Main (dpa) - Staatlich verordnete Sparmaßnahmen, mageres Wachstum in Europa und den USA sowie die starke Konkurrenz billiger Nachahmerpillen machen der Pharmabranche das Leben schwer. Doch die «Rettung» naht: Die Nachfrage aus Schwellenländern wie China oder auch Indien soll in den kommenden Jahren für sprudelnde Gewinne bei Pillenherstellern wie Pfizer und Co. sorgen. Denn der steigende Wohlstand in den «Emerging Markets» geht mit einer Zunahme von Volkskrankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck einher.

Auch deutsche Hersteller wie der Pharma- und Chemiekonzern Merck oder Bayer wollen wie Sanofi aus Frankreich oder die Schweizer Pharmakonzerne Novartis und Roche in dem Milliardenmarkt mitmischen. «Ich bin seit meinem Amtsantritt bei Merck 2007 nie so optimistisch aus Indien abgereist wie in diesem Jahr», sagte Merck-Chef Karl-Ludwig Kley jüngst. Er sehe keinen Grund, warum das zweistellige Wachstum dort nicht fortgesetzt werden könne. Kley hält Indien für den Schlüsselmarkt in Südostasien.

Bayer-Chef Marijn Dekkers setzt ebenfalls auf Asien. Im Teilkonzern HealthCare (Gesundheit) will der Niederländer in den nächsten Jahren von den prognostizierten zweistelligen jährlichen Zuwachsraten im chinesischen Pharmamarkt profitieren. Auch Roche-Vorstandschef Severin Schwan rechnet für Lateinamerika und Asien in den kommenden Jahren mit einem prozentual zweistelligen Wachstum. China habe mittlerweile die Infrastruktur, um klinische Studien in späten Entwicklungsphasen durchführen zu können, sagte Schwan Ende Oktober. Die zunehmende Landflucht, die Alterung der Bevölkerung und die Zunahme typischer Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes werden China nach Marktanalysen schon 2020 zum zweitgrößten Markt für verschreibungspflichtige Medikamente machen, nach den Vereinigten Staaten.

Weniger als zehn Prozent macht das Geschäft in Deutschland noch für das Schwergewicht Boehringer Ingelheim aus. Bei Bayer sieht es ähnlich aus. Dies liegt unter anderem auch daran, dass die Medikamentenpreise nach Berechnungen der Schweizer Bank UBS europaweit in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich drei Prozent jährlich gesunken sind. Die Pharmaindustrie in Deutschland hat bis September laut Branchendienst IMS Health fast drei Milliarden Euro gesetzliche Rabatte auf ihre verschreibungspflichtigen Medikamente gewährt.

Bayer steuert gegen: Unmittelbar nach seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr hatte Dekkers die Mitarbeiter mit der Ankündigung gegen sich aufgebracht, 4500 Stellen in den westlichen Industrieländern zu streichen - gleichzeitig sollen 2500 Stellen in Schwellenländern entstehen. Auch Novartis kürzt: Insgesamt sollen konzernweit rund 2000 Stellen wegfallen - und rund 700 in Niedriglohnländern wie beispielsweise China oder Indien entstehen.

Der weltweite Pharmaumsatz könnte laut Branchendienst IMS Health bis 2015 von derzeit 856 Milliarden Dollar auf mehr als eine Billion Dollar wachsen. In diesem Jahr werde die Branche weltweit um fünf bis sieben Prozent zulegen, die Schwellenländer um 15 Prozent und der chinesische Pharmamarkt allein um rund ein Viertel. Auf der anderen Seite steht der noch weltweit größte Pharmamarkt Nordamerika: Dieser macht fast 40 Prozent am Branchenumsatz aus - mit abnehmender Tendenz: Bis 2015 werden Patentabläufe für wichtige Kassenschlager wie den Blutfettsenker Lipitor von Pfizer oder den Blutverdünner Plavix von Sanofi für einen weiteren Rückgang auf weniger als ein Drittel sorgen.

Sanofi-Chef Christopher Viehbacher will daher die Abhängigkeit von den Märkten des Westens verringern. In den ersten neun Monaten kam fast ein Drittel des Umsatzes aus Asien, Osteuropa, Lateinamerika oder Afrika. Die Franzosen sind mit ihren in Frankfurt-Höchst produzierten Medikamenten gegen Diabetes weltweit die Nummer zwei nach der dänischen Novo Nordisk. Rund um den Globus leiden rund 285 Millionen Erwachsene an der Krankheit. Die Zahl wird nach Berechnungen der Internationalen Diabetes-Gesellschaft (IDF) in den kommenden zwanzig Jahren auf gut 390 Millionen steigen. Die Weltgesundheitsorganisation sieht das kritisch und wirbt in den einzelnen Schwellenländern schon für mehr Bewegung.