Pharmaprüfer: Koalition gefährdet optimale Krebsbehandlung
Berlin (dpa) - Krebskranke könnten nach Ansicht des obersten Pharmakontrolleurs Deutschlands durch die Pläne der Koalition künftig unnötigerweise fragwürdige Arzneimittel bekommen. "Das widerspricht natürlich den Interessen der Krebspatienten", sagte der neue Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Jürgen Windeler, am Donnerstag in Berlin.
Windeler kritisierte, dass die Regierung Vorgaben für die neue schnellere Bewertung von Medikamenten nach Markteinführung machen soll - und nicht der unabhängige Gemeinsame Bundesausschuss von Krankenkassen, Ärzten und Kliniken. Es bestehe die Gefahr, dass die Anforderung an die zugrundeliegenden Arznei-Studien und das Niveau der Nutzenbewertung gesenkt werde.
Dies betreffe auch Mittel gegen seltene Erkrankungen, für die es Ausnahmen geben soll. "Menschen mit seltenen Erkrankungen haben das gleiche Recht auf eine qualitativ hochwertige Behandlung", mahnte Windeler. "Man muss den Eindruck haben, dass im Moment diskutiert wird, den Interessen der Industrie deutlich entgegenzukommen." Die Pharmabranche hatte gefordert, dass die Kriterien für die Nutzenbewertung von der Regierung aufgestellt werden. Zunächst hatte dies der Bundesausschuss machen sollen.
Diese schnelle Bewertung neuer Mittel soll der Ausschuss mit Hilfe des IQWiG vornehmen. Hat ein neues Mittel einen geringen zusätzlichen Nutzen im Vergleich zu bereits eingeführten Medikamenten, sollen die Kassen dafür nicht mehr zahlen müssen als für die älteren Therapien.
Der Ausschussvorsitzende Rainer Hess warnte vor der nun geplanten Rechtsverordnung: "Eine solche Regelung dient weder der Schnelligkeit noch der Klarheit - sondern führt zu Dauerkonflikten." Denn der Bundesausschuss müsse die Details der Arzneibewertung auf Basis der Verordnung weiter regeln. Der Patientenvertreter Stefan Etgeton warnte: "Wenn der Anreiz für die Industrie, sich um Innovationen zu kümmern, abgesenkt wird, kann das nicht im Interesse der Patienten sein."
Der Vize-Chef der Unionsfraktion, Johannes Singhammer (CSU), wies die Kritik zurück. "Eine Rechtsverordnung geht schneller", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Bereits zum 1. Januar solle sie gelten. Erst die Koalition führe die schnellere Arzneibewertung ein - sie wolle nicht zugleich eine Hintertüre für laschere Regeln schaffen, versicherte er. "Es ist die Aufgabe der Politik, verantwortliche Vorgaben zu machen und dann dem Sachverstand des Bundesausschusses zu überantworten."
Seit Jahren treiben die von den Pharmafirmen frei festgesetzten Preise die Ausgaben der Kassen in die Höhe. Viele Mittel sind oft kaum verändert - höhere Preise gelten Experten oft als nicht vertretbar. Neue Mittel hätten oft auch Nachteile, monieren Kritiker.