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Kassenchef beißt bei Krankenhäusern auf Granit

Berlin/Stuttgart (dpa) - Mit seiner Forderung nach weiteren Klinikschließungen hat der Chef der größten Krankenkasse Barmer GEK, Christoph Straub, einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Bei den Vertretern der Krankenhäuser und Sozialministerien hieß es, die Kliniken hätten bereits in den vergangenen Jahren den Gürtel eng geschnallt. «Die Kliniken haben ihre Hausaufgaben gemacht», sagte Thomas Reumann vom Vorstand der Deutschen Krankenhausgesellschaft am Montag in Stuttgart. Sie seien keineswegs die Kostentreiber im Gesundheitswesen, sondern schon «wie eine Zitrone» ausgepresst. Straubs Forderung sei «völlig daneben».

Straub hatte der «Welt» gesagt: «Es gibt heute zu viele Krankenhäuser und vor allem zu viele Krankenhausbetten». Und: «Wir leisten uns Strukturen, die größer und teurer sind als in anderen Ländern.» In einer späteren Mitteilung betonte er, es gehe ihm nicht um Klinikschließungen, sondern um Strukturreformen. «Das ist keine Einzelmeinung», hieß es beim Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sein Sprecher Florian Lanz verwies darauf, dass jedes fünfte Krankenhausbett in Deutschland leer stehe. Doch wie diese Betten abgebaut werden solle vor Ort entschieden werden.

Auch bei der Thüringer Krankenhausgesellschaft kommt Straubs Vorschlag nicht gut an: Weitere Schließungen seien «nicht opportun».
Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium wandte sich ebenfalls dagegen. «Die platte Forderung nach einer Schließung von Krankenhäusern und dem Abbau von Betten ist keine Lösung», sagte Ministeriumssprecherin Beate Fasbender-Döring in Mainz. Es gehe darum, sich die Versorgungsstruktur in einzelnen Regionen anzusehen. «Wir setzen auf Kooperation und Fusionen von Krankenhäusern, um die Versorgung vor allem in den ländlichen Regionen sicherzustellen.»

Auch in Sachsen-Anhalt werden weitere Klinikschließungen strikt abgelehnt. «Jeder Mensch, auch in den ländlichen und dünn besiedelten Gebieten, hat ein Recht auf eine angemessene gesundheitliche Betreuung», sagte ein Sprecher des Sozialministeriums.

Auch die Kommunen warnen vor weiteren Schließungen. «Wir haben auf dem Land keine Überversorgung, zum Teil sogar eine Unterversorgung», sagte Irene Vorholz, Sozialbeigeordnete des Deutschen Landkreistags, in Berlin. Sie betonte, die Menschen müssten in zumutbarer Entfernung ärztliche Hilfe finden. «Die Versorgungssicherheit muss überall gewährleistet bleiben, sonst gibt es eine Zwei-Klassen-Versorgung auf dem Land und in der Stadt.» Die zeitlichen Fristen bei der Notfallversorgung könnten schon heute nicht immer eingehalten werden. Die Notärzte kommen von den Krankenhäusern an die Unfallorte.

Auch in Großstädten stößt die Forderung auf Widerstand. Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit wies darauf hin, dass in den Kliniken der Hauptstadt schon in den vergangenen Jahren massiv Betten abgebaut worden seien. Laut Sprecherin Regina Kneiding gab es in Berlin 1991 noch 104 Krankenhäuser mit rund 39 900 Betten, im Jahr 2010 aber nur noch 79 Krankenhäuser mit etwa 19 800 Betten. Sie räumte aber Verbesserungsbedarf bei der Verbindung der stationären und ambulanten Versorgung ein.

Straub hatte betont, niedergelassene Ärzte und angestellte Krankenhausärzte müssten sowohl ambulante als auch stationäre Leistungen erbringen können.

Nach GKV-Angaben stellen Krankenhaus- vor den Arzneimittel-Kosten den größten Einzelposten. Sprecher Lanz sagte: «Jeder dritte Euro im Gesundheitswesen fließt in die Krankenhäuser.»