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Arzneiprüfer: Koalition lässt Pharmafirmen freie Hand

Berlin (dpa) - Die Koalition lässt Pharmafirmen nach Ansicht der obersten Pharmakontrolleure möglicherweise doch weitgehend freie Hand bei neuen, teuren Arzneimittel. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kritisierten am Montag in Berlin einen entsprechenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zur geplanten Neuordnung des Arzneimarkts. Nach dem der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Antrag soll der Bundesausschuss neue Mittel nur dann von der Verordnung ausschließen können, «wenn deren Unzweckmäßigkeit erwiesen ist».

Bislang genügt es, dass die Kontrolleure zeigen, dass ein Zusatznutzen nicht belegt ist. Künftig soll dem Änderungsantrag zufolge der Beweis geführt werden, dass ein Mittel keinen Zusatznutzen hat. Fehlende Nutzennachweise sollen nicht mehr reichen.

«Das geht nicht», sagte IQWiG-Leiter Jürgen Windeler am Montag der dpa. «Man kann prinzipiell nicht beweisen, dass etwas nicht da ist.» Windeler sagte weiter: «Wenn man einen solchen Nachweis verlangt, heißt das, dass der Gemeinsame Bundesausschuss keine Ausschlüsse aufgrund von Unzweckmäßigkeit mehr fällen kann.» Der Bundesausschuss schreibt in einer Stellungnahme für eine Anhörung im Bundestag an diesem Mittwoch, da er den Nachweis einer Unzweckmäßigkeit nie führen könne, «hätte der Hersteller es selbst in der Hand, durch Unterlassen weiterer Studien Verordnungseinschränkungen (...) zu verhindern».

Der Leiter der Abteilung Arzneimittel beim Spitzenverband der Krankenkassen, Wolfgang Kaesbach, sagte dem Magazin «Der Spiegel»: «Das heißt im Umkehrschluss, dass der Nutzen eines Präparats künftig schon durch die Zulassung bewiesen sein soll. Das ist der Wahnsinn.» Der Pharmaindustrie sei es gelungen, die Politik einzuleimen.

Das Gesetz soll verhindern, dass die Pharmafirmen wie bisher oft neue Mittel zu hohen Preisen auf den Markt bringen, die keinen echten Zusatznutzen im Vergleich zu bisherigen Therapien haben. Eine schnellere Nutzenbewertung als bisher soll künftig Basis dafür sein, dass die Kassen neue Mittel ohne Mehrwert nur bis zur Erstattungshöhe bisheriger Medikamente zahlen müssen. Bereits bisher kann der Bundesausschuss nach langen Verfahren teure, neue Mittel von der Erstattung ausschließen, wenn sie keinen echten Zusatznutzen haben.

Windeler hofft noch auf Änderungen. «Ich frage mich ernsthaft, ob diejenigen, die einen solchen Vorschlag gemacht haben, die Konsequenzen wirklich bedacht haben.» Bereits mit weiteren geplanten Details des Gesetzes hatte sich die Koalition den Vorwurf eingehandelt, der Pharmalobby gefolgt zu sein. So soll das Bundesgesundheitsministerium die Kriterien für die Nutzenbewertung festlegen, nicht der von der Politik unabhängige Bundesausschuss selbst.

Das Gesundheitsministerium wies die Kritik entscheiden zurück. «Mit der von der Koalition geplanten Änderung soll mehr Klarheit und größere Rechtssicherheit geschaffen werden», sagte ein Sprecher. «Der Gemeinsame Bundesausschuss soll im Unterschied zu heute seine Entscheidung, ein Arzneimittel von der Kostenerstattung auszunehmen, lediglich noch mit einem wissenschaftlichen Beleg untermauern», sagte er. «Das hilft auch dem Gemeinsamen Bundesausschuss.»