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Wie entwickelt der Malaria-Erreger Resistenzen?

Durch Mutationen im Kelch13-Gen können Malaria-Erreger resistent gegen den breit eingesetzten Wirkstoff Artemisinin werden. Bislang war unklar, welche Rolle Kelch13 im Krankheitsgeschehen hat, doch nun konnten Forscher den Mechanismus der Artemisinin-Resistenz entschlüsseln.

Farbige 3d-Illustration von Malaria-Erregern in der Blutbahn

Malaria gefährdet insbesondere Kinder

Zwar nimmt die Zahl der Malariafälle seit mehreren Jahren ab, dennoch wurden im Jahr 2018 laut Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit 228 Millionen Malaria-Erkrankte gezählt, etwa 85% davon in Afrika südlich der Sahara. Besonders Kinder sind von der Tropenkrankheit betroffen. Für sie verläuft die Krankheit oft tödlich: Zwei Drittel der 405.000 in 2018 an Malaria Verstorbenen waren Kinder – diese Erkrankung ist damit eine der Haupttodesursachen für Kinder weltweit. Haupt-Auslöser der Malaria in Afrika ist der einzellige Parasit Plasmodium falciparum. Dieser wird von weiblichen Anopheles-Stechmücken übertragen und vermehrt sich anschließend in Leber- und roten Blutzellen, bevor er durch einen erneuten Stich wieder in eine Stechmücke gelangt. (1) (2) (3)

Ein Wirkstoff aus Beifuß

In der Behandlung von Malaria-Erkrankungen haben sich verschiedene Wirkstoffe bewährt. Dazu zählen Artemisinin, Chinin (das unter anderem als Bitterstoff in Tonic Water vorkommt) sowie Chloroquin. Letzteres wird momentan auch als Behandlungsoption für Patienten mit COVID-19 getestet, nachdem es im Reagenzglas auch gegen Coronaviren Wirksamkeit gezeigt hatte. Heute werden wegen der Resistenzen gegen die älteren Malariamittel üblicherweise der aus Beifuß gewonnene Naturstoff Artemisinin oder dessen Derivate (ARTs) eingesetzt. Beifuß fand bereits in der traditionellen chinesischen Medizin Verwendung zur Malaria-Behandlung. Doch erst nach der Isolierung von Artemisinin in reiner Form und dessen Wirksamkeitsnachweis durch die chinesische Wissenschaftlerin Tu Youyou wurden ART-basierte Antimalariamittel breit in der Therapie von Malaria eingesetzt. Für diese Leistungen wurde Tu 2015 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. (4) (5)

Artemisinin-Resistenzen beeinflussen Hämoglobin-Aufnahme der Parasiten

ART-basierte Antimalariamittel haben zwei Effekte: Zum einen töten sie lebende Parasiten im Blut ab und zum anderen verhindern sie deren Vermehrung. Ihr genauer Wirkmechanismus wird zwar noch erforscht, aber wahrscheinlich zerfallen ARTs im Körper in reaktive Bruchstücke, die anschließend Moleküle verändern, die für das Überleben der Malaria-Parasiten notwendig sind. Seit mehreren Jahren werden allerdings vermehrt Resistenzen von Plasmodium falciparum gegen ARTs beobachtet. Durch Gensequenzierungen wurde ermittelt, dass Artemisinin-resistente Parasiten Mutationen im Gen für das Protein Kelch13 tragen. Nun haben Forscher der Radboud Universität in den Niederlanden und des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin die Rolle von Kelch13 bei der Ausbildung der ART-Resistenz aufgeklärt.

Dafür entwickelten sie zunächst eine Technik, mit der sich potenzielle Interaktionspartner von Kelch13 identifizieren ließen. Von einigen der so ermittelten Proteine war bereits bekannt, dass sie an Prozessen der Aufnahme von Molekülen aus der Umgebung in Zellen – der sogenannten Endozytose – beteiligt sind. Mit hochauflösender Mikroskopie stellten die Forscher zudem fest, dass Kelch13 in der Parasitenzelle an ein bislang unbekanntes Kompartiment gebunden ist, das sich in der Nähe sogenannter Nahrungs-Vakuolen befindet. Über diese versorgt sich die Parasitenzelle in großem Umfang mit Nährstoffen aus ihrer Umgebung, etwa den Zellen, in denen sie sich einnistet. Der Protein-Komplex, an dem Kelch13 beteiligt ist, stellt vermutlich einen speziellen Weg der Nährstoff-Aufnahme neben den bisher bekannten Endozytose-Prozessen dar, der insbesondere zur Aufnahme des Blutfarbstoffs Hämoglobin in die Parasitenzelle dient.

Hämoglobin-Aufnahme nötig für Wirkung von Artemisinin

Befällt der Malaria-Parasit rote Blutzellen, nimmt dieser über die Endozytose hohe Mengen an Hämoglobin auf, um daraus Bausteine für seinen Stoffwechsel zu gewinnen. Dabei werden – so die Hypothese – im Hämoglobin enthaltene Eisen-Ionen freigesetzt, die dann den Zerfall von ARTs in reaktive Bruchstücke katalysieren. ARTs sind demnach umso wirksamer, je mehr freie Eisenionen durch die Hämoglobin-Aufnahme in der Parasitenzelle gebildet werden. Das Wissenschaftler-Team untersuchte daher auch, ob die Endozytose bei resistenten Parasiten verändert ist. Dabei stellten sie fest, dass Mutationen von Kelch13, wie sie bei resistenten Erregern zu beobachten sind, die Funktionsfähigkeit von Kelch13 beeinträchtigen. Als Folge dessen ist die Aufnahme von Hämoglobin in die Parasitenzelle reduziert, wodurch weniger Eisenionen, die ARTs in die reaktiven Bruchstücke spalten können, zur Verfügung stehen. Auf diesem Weg erreicht der Parasit eine Resistenz gegen die ARTs. Dabei muss er aber genau abwägen, wie stark er diese Zufuhr drosselt, um weiterhin genügend Hämoglobin zum Überleben zu haben. Um ihre Erkenntnisse weiter zu untermauern, schleusten die Forscher intaktes Kelch13-Protein in resistente Parasitenzellen, die kein funktionsfähiges Kelch13 mehr produzieren konnten und erreichten so die Wiederherstellung der Wirkung von ARTs, da wieder mehr Hämoglobin aufgenommen wurde. (6)

Erkenntnisse eröffnen neue Wege in der Malaria-Behandlung

Auf Basis dieser Erkenntnisse entwickeln die Forscher nun neue Strategien für Malaria-Medikamente und zur Vermeidung oder Bekämpfung von Resistenzen gegen Artemisinin und verwandte Wirkstoffe. Weltweit laufen laut der Datenbank ClinicalTrials.gov derzeit ca. 30 Studien, in denen Wirkstoffe zur Malaria-Therapie getestet werden. Von neuen zur Verfügung stehenden Behandlungen würden insbesondere Kinder profitieren, da sie von der oft lebensbedrohlichen Erkrankung am meisten betroffen sind. (7) (8) (9)

Literaturtipps