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Neue Angriffspunkte für die Bekämpfung von Malaria

Forscher der Universitäten Bern und Genf haben zwei neue Angriffspunkte zur Hemmung von Malaria-Parasiten entdeckt. Es handelt sich dabei um Enzyme, die für den Parasiteneintritt und den Austritt aus Wirtszellen des Menschen entscheidend sind. Hemmt man sie, bleibt der Parasit in der Wirtszelle gefangen und geht zugrunde.

Diese Hemmung könnte zum Beispiel mit einem ebenfalls von Schweizer Forschern identifizierten Molekül gelingen. Bei allen drei neuen Molekülen handelt es sich um sogenannte Aspartat-Proteasen, die andere Proteine zu Peptiden abbauen können. Zwei dieser Proteasen, Plasmepsin IX und Plasmepsin X, sind für das Überleben und die Verbreitung des Parasiten entscheidend, während die dritte Protease, ASP3, diese beiden für die Malaria-Parasiten überlebenswichtigen Proteasen und somit deren Verbreitung hemmen kann(1) .

Malaria ist eine der weltweit bedrohlichsten Infektionskrankheiten mit 445.000 Todesfällen allein im Jahr 2016.(2) Sie wird von einzelligen Parasiten der Gattung Plasmodium hervorgerufen und über die weiblichen Anopheles-Stechmücken von Mensch zu Mensch übertragen. 90% der Todesfälle sind auf dem afrikanischen Kontinent zu verzeichnen; 72% aller Todesfälle betrafen 2016 Kinder unter fünf Jahren.(3) Anders ausgedrückt war Malaria verantwortlich für den Tod jedes zehnten Kindes, das im Jahr 2016 starb und stellt somit eine der Hauptursachen für Kindersterblichkeit weltweit dar.

Malaria beginnt oft mit unspezifischen und grippeähnlichen Symptomen, so dass Diagnosestellung und Therapiebeginn meist verzögert erfolgen. Die Hauptkennzeichen der Erkrankung in ihrem ausgeprägten Stadium sind Fieberschübe, Schweißausbrüche und Schüttelfrost. Fieberschübe treten auf, wenn die Parasiten in ihrem sogenannten Merozoiten-Entwicklungsstadium massenhaft aus den roten Blutkörperchen in den Blutkreislauf strömen. Dabei kann es auch zu schweren Komplikationen kommen, die sich mit den bislang vorhandenen Medikamenten nicht effizient behandeln lassen. Dies ist vor allem auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen schreitet die Resistenzbildung sehr schnell voran und zum anderen beschränkt sich die Wirkung der Medikamente auf eine ganz bestimmte Entwicklungsphase des Parasiten, ohne dabei die weitere Verbreitung der Krankheit zu hemmen.

Zudem entwickeln Menschen in den tropischen Übertragungsgebieten eine Semi-Immunität: wenn sie sich mit dem Parasiten infizieren, sind bei ihnen die Symptome der Erkrankung sehr viel schwächer. Wenn sie jedoch wieder von einem Moskito gestochen werden, können sie zum Überträger werden – selbst, wenn sie Malariamedikamente einnehmen, und können so die Ausbreitung der Malaria befördern.

Proteasen dienen als molekulare Scheren und zerschneiden Proteine, daher ihr Name. Die Schweizer Forscher entdeckten die Protease namens Plasmepsin IX (PMIX), die dem Plasmodium-Parasiten beim Anheften an die Oberfläche der Wirtszelle hilft. Sie wird also für die Invasion des Wirtes benötigt und funktioniert, indem sie auf sogenannte Adhäsine wirkt. Eine weitere Protease, Plasmepsin X (PMX), hilft dem Malaria-Parasiten beim Eintritt in die Wirtszelle sowie bei der Freisetzung aus der Wirtszelle.(4)

Beiden identifizierten Proteasen (PMIX und PMX) kommt eine Schlüsselrolle für das Überleben und die Verbreitung des Malaria-Parasiten zu. Bei der dritten Protease, die in der Schweiz entdeckt wurde, handelt es sich um die ASP3 Aspartat-Protease, welche die PMIX- und PMX-Proteasen inhibieren und somit eine potente Anti-Malaria Wirkung aufweisen könnte. Indem man also diese beiden Proteasen, die für den Ein- und Austritt aus der Wirtszelle benötigt werden, durch ASP3 hemmt, kann der Parasit die befallene Wirtszelle nicht mehr verlassen; er wird in ihr festgehalten und kann so keine weiteren Zellen befallen. Dieser Ansatz weckt nun neue Hoffnung im Kampf gegen die weltweit tödlichste parasitäre Infektionskrankheit.(5)

Zudem sind die identifizierten Proteasen-Angriffspunkte nicht nur für die Malariabekämpfung relevant. Die Ergebnisse sind auch für die generelle Parasitenbekämpfung von Bedeutung: Plasmodien haben insgesamt ein großes Wirtsspektrum, einschließlich des Menschen und verschiedener Nutz- und Haustiere. Der in der Schweiz aufgedeckte Mechanismus der Aspartat-Proteasen-Hemmung könnte bei anderen pathogenen Parasiten ebenfalls wirksam sein, wie beispielsweise in einer Studie mit dem Erreger der Toxoplasmose, Toxoplasma gondii, gezeigt wurde.(6)

Obwohl forschende Pharma-Unternehmen bereits Medikamente gegen Malaria und andere vernachlässigte Tropenerkrankungen entwickelt haben und bedürftigen Ländern zu Sonderkonditionen zur Verfügung stellen, sind weitere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf diesem Gebiet erforderlich. Während die Unternehmen hier bis in die 1990er-Jahre nur vereinzelte Aktivitäten zeigten, haben sie ihre Arbeiten seit den frühen 2000er Jahren wesentlich verstärkt. Einen kleinen Teil solcher Projekte betreiben die Firmen im Alleingang, den größten Teil hingegen im Rahmen von Produktentwicklungspartnerschaften (Product Development Partnerships, PDPs) – also im Verbund mit Partnern wie Stiftungen, Forschungseinrichtungen, regierungsnahen und anderen Organisationen und anderen Unternehmen, wie beispielsweise die Medicines for Malaria Venture, die Drugs for Neglected Diseases Initiative oder die PATH – Malaria Vaccine Initiative.(7)

Damit den Erkrankten und Gefährdeten aber wirklich geholfen werden kann, genügt es nicht, geeignete Medikamente zu entwickeln. Zwingend nötig ist der Ausbau des Gesundheitswesens in den betroffenen Ländern, inklusive eines Mindestmaßes an Aufklärung über Gesundheit und Krankheit bei den Bürgern. Ein Minimum an Gesundheitsinfrastruktur ist zudem erforderlich, sonst ist aller Aufwand für die Entwicklung neuer Medikamente nutzlos.

Literaturtipps: