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vfa und Kearney: Pharma-Innovationsstandort Deutschland braucht Trendumkehr

Deutschland hat im Wettbewerb der Standorte für Pharma-F&E einige Stärken vorzuweisen, fällt aber trotzdem seit einigen Jahren international zurück, etwa im Bereich der klinischen Studien. Die im Juli 2023 vom vfa und der Unternehmensberatung Kearney veröffentlichte Studie „Pharma-Innovationsstandort Deutschland“ nennt wesentliche Gründe dafür, zeigt aber auch Maßnahmen für eine Trendwende auf. Dazu zählt ein Roundtable „Pharma-Innovationsstandort Deutschland“ unter Koordination des Bundeskanzleramtes oder des Bundesgesundheitsministeriums.

Studienstandort Deutschland

In ihrer Analyse identifizieren die Autor:innen der Studie unter anderem große Handicaps für das Organisieren klinischer Studien, beim Zugang zu Gesundheitsdaten und im Bereich von Kooperationen mit der akademischen Forschung als belastend für den Innovationsstandort. Besonders ausführlich gehen sie auf die Probleme im Bereich klinische Studien ein, von denen alle Studiensponsoren (also Initiatoren von Studien) gleichermaßen betroffen sind – Pharmaunternehmen ebenso wie Forschungsinstitute und forschende Ärzt:innen.
In den letzten Jahren wurde Deutschland (früher mal weltweite Nr. 2 nach den USA) von einer Reihe von Ländern überholt: UK, Frankreich, Spanien und Kanada. Auch China liegt mittlerweile mit fast 7.800 laufenden Studien weit vor Deutschland. Das zeigt die folgende Grafik:

Wie sehr Deutschland im Studienwesen unter seinen Möglichkeiten bleibt, wird deutlich, wenn man die Studienaktivität und die Zahl der Studienteilnehmer:innen einmal ins Verhältnis zur Einwohnerzahl stellt. In beiden Fällen landet Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen weit hinten.

Podcast "vfa-Tonspur" zu diesem Thema:
Zu Gast sind Dr. Doris Henn, verantwortlich für klinische Studien in Deutschland/Österreich/Schweiz beim Unternehmen AstraZeneca, und Dr. Matthias Meergans, Geschäftsführer Forschung und Entwicklung beim vfa.


Und diese Werte drohen sich weiter zu verschlechtern. Wird nicht entschieden gegengesteuert, dürften nach Hochrechnung von Kearney 2030 beispielsweise hierzulande bis zu 35 % weniger klinische Studien durchgeführt werden, und 40 % weniger Personen an Studien teilnehmen. Das wäre ein herber Verlust gerade für solche Menschen in Deutschland, die auf die Chance auf einen frühzeitigen Zugang zu innovativen Behandlungsmöglichkeiten noch vor deren Zulassung hoffen.

Doch Deutschland verlöre auch in anderer Hinsicht, denn wenn sich Kliniken oder Arztpraxen an Studien beteiligen, sorgt das auch für mehr Ärztinnen und Ärzte, die im neuesten medizinischen Stand zuhause sind und dann ab Tag 1 der Markteinführung wissen, wie man mit den neuen Medikamenten behandelt. Gerade bei komplizierten Therapien wie den CAR-T-Zell-Therapien in der Onkologie ist das von enormem Wert für die Versorgung.
Und wenn für weitgehend zu Ende entwickelte neue Medikamente Härtefallprogramme aufgelegt werden, in deren Rahmen diese auch schon bedürftigen Nicht-Studienteilnehmer:innen gegeben werden können, dürften oft nur Ärzt:innen diese verordnen, die sie schon aus Studien kennen. Und würden die Hemmnisse überwunden, die heute die Mitwirkung deutscher Kliniken und Arztpraxen an Studien stark verzögern oder vereiteln, dann würde der deutsche Beitrag helfen, die Entwicklungszeiten für neue Medikamente zu verkürzen.

Was getan werden kann

Im Rahmen der Studie wertete Kearney die Beurteilungen von 50 Expert:innen aus der Pharmabranche dazu aus, wie sie Deutschland hinsichtlich relevanter Faktoren als Innovationsstandort aufgestellt sehen (Ist-Werte) und welche Leistungsfähigkeit man von einem guten Standort erwarten muss (Erwartungswerte). Das zeigt die nachfolgende Grafik.

Zu jedem dieser Punkte werden innerhalb der Studie konkrete Maßnahmen genannt, mit denen die Ziele erreicht werden können.

Dr. Matthias Meergans, Mitautor und Geschäftsführer Forschung & Entwicklung des vfa, fasst zusammen: „Die Stärkung des Innovationsstandorts kann gelingen, wenn Forschung wieder in konkurrenzfähigem Tempo ablaufen kann, Unternehmen und Universitäten besseren Zugang zu pseudonymisierten medizinischen Versorgungsdaten erhalten und das Ökosystem für Translation von Grundlagenforschung in Behandlungsmöglichkeiten für Patienten gestärkt wird. Um ein Beispiel zu nennen: Schon die verbindliche Einführung von Musterverträgen als Ausgangspunkt für Vertragsverhandlungen zwischen Pharmaunternehmen und Kliniken nach französischem Vorbild könnte in Deutschland viel bewirken.“