Ausweitung der Liefermengen für Covid-19-Impfstoffe
Pharma-Unternehmen haben in unter einem Jahr die ersten Covid-19-Impfstoffe nicht nur erfunden und erprobt, sondern für sie auch die Großproduktion aufgebaut. Deshalb können sie sie überhaupt jetzt schon ausliefern, wenn auch erst in kleineren Mengen. Nun wird diskutiert, wie man die Liefermengen noch schneller ausweiten kann.

Am 03.02.2021 erläuterte vfa-Präsident Han Steutel im "rbb INFOradio" die Herausforderungen, die die Hightech-Produktion von Covid-19-Impfstoffen mit sich bringt.
Dabei ist das bereits im Gange: Nach der Zulassung des Impfstoffs von Moderna am 6. Januar hat am 12. Januar auch die Belieferung Deutschlands begonnen, und die wöchentlichen Liefermengen sollen weiter ansteigen. Zudem wurde am 29.01.2021 auch der Impfstoff von AstraZeneca zugelassen. Ende der ersten Februarwoche hat die Belieferung begonnen, wenn auch in einem gegenüber ursprünglichen Plänen reduziertem Umfang. Experten rechnen zudem damit, dass die "Rolling Reviews" für die Impfstoffe von Novavax und Janssen bald in das abschließende Zulassungsverfahren übergehen, da seit 28. Januar (Novavax) bzw. 29. Januar (Janssen) Ergebnisse zu deren Wirksamkeit bekannt sind. Bei Janssen hat die EU schon Impfstoff bestellt, und mit Novavax Vorgespräche geführt. Auch für den Impfstoff von CureVac/Bayer hat der "Rolling Review" bei der EMA begonnen, wenn auch hier noch keine Studienergebnisse zur Wirksamkeit vorliegen.
Für welche Impfstoffe bald ein Zulassungsantrag gestellt werden könnte und welche Rolle Deutschland dabei spielt, stellt der vfa im Artikel "Impfstoffe zum Schutz vor der Coronavirus-Infektion Covid-19" dar.
Zügig wachsende Produktionsnetzwerke
Am 03.02.2021 berichtete vfa-Forschungssprecher Dr. Rolf Hömke in der Sendung Nano auf 3sat, wie die Liefermengen für Covid-19-Impfstoffe ausgeweitet werden.
Die Originalunternehmen haben selbst größtes Interesse daran, dass so viel wie möglich von ihren Covid-19-Impfstoffen geliefert werden kann. Deshalb haben die Firmen mit den am weitesten entwickelten Covid-19-Impfstoffen schon seit Monaten nicht nur ihre eigenen Produktionskapazitäten ausgeweitet, sondern auch immer mehr Kooperationen mit anderen Firmen etabliert. Diese können dann nach Umrüstung ihrer Anlagen und Schulung des Personals beispielsweise Komponenten für den Impfstoff zuliefern oder parallel zum Originalhersteller bestimmte Herstellungsschritte übernehmen oder den Impfstoff in Lizenz komplett eigenständig herstellen und vertreiben. Wenn die Originalunternehmen weitere mögliche Partner für solche Kooperationen identifizieren, können sie hier noch weiter ausbauen.
Das veranschaulicht das Beispiel der Unternehmen BioNTech und Pfizer. Die folgende Tabelle zeigt, wie diese seit Monaten ihr Produktionsnetzwerk Zug um Zug erweitern:
Datum der Bekanntgabe | Unternehmen; Standort | Funktion bei der Produktion des BioNTech/Pfizer-Impfstoffs |
05.05.2020 | BioNTech; Mainz (Rheinland-Pfalz) | F&E, Produktion |
05.05.2020 | BioNTech; Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) | Produktion |
05.05.2020 | Pfizer; Puurs (Belgien) | Produktion |
05.05.2020 | Pfizer; Kalamazoo, Andover, Chesterfield (alle USA) | Produktion |
02.09.2020 | Polymun; Wien (Österreich) | Formulierung |
10.09.2020 | Dermapharm; Brehna (Sachsen-Anhalt) | seit Oktober 2020 Formulierung und Abfüllung |
14.09.2020 | Siegfried; Hameln (Niedersachsen) | ab Juli 2021 Abfüllung |
17.09.2020 | BioNTech; Marburg (Hessen) | ab Februar 2021 Produktion |
07.10.2020 | Rentschler Biopharma; Laupheim (Baden-Württemberg) | Fertigungsschritte mRNA-Reinigung |
18.11.2021 | Delpharm; Saint-Rémy-sur-Avre (Normandie, Frankreich) | ab April 2021 Abfüllung |
06.01.2021 | Dermapharm; Brehna (Sachsen-Anhalt) | Kapazitätsverdopplung für Formulierung und Abfüllung |
13.01.2021 | Baxter BioPharma Solutions; Halle (Westfalen) | ab Februar sterile Fertigungsdienstleistungen |
14.01.2021 | Allergopharma; Reinbek (Schleswig-Holstein) | künftig Abfüllung |
15.01.2021 | Pfizer; Puurs (Belgien) | Umbau für mehr Produktionskapazität |
27.01.2021 | Sanofi; Frankfurt a.M. | ab Sommer 2021 Abfüllung |
29.01.2021 | Novartis; Stein a. Rh. (Schweiz) | ab Ende Q2 Abfüllung |
01.02.2021 | Rentschler Biopharma; Laupheim (Baden-Württemberg) | Ausweitung der Kapazität für den Fertigungsschritt mRNA-Reinigung für BioNTech/Pfizer |
10.02.2021 | BioNTech; Marburg | Start der Produktion im Marburger Werk |
05.02.2021 | Merck; Darmstadt (Hessen) | Beschleunigte Versorgung mit Lipiden, die für den Impfstoff von BioNTech/Pfizer benötigt werden |
11.02.2021 | Evonik; Hanau und Dossenheim | Ausweitung der Lipid-Produktion für den Impfstoff von BioNTech/Pfizer |
Quelle: Pressemitteilungen der genannten Unternehmen; Medienberichte; Auskünfte der Unternehmen
In ähnlicher Weise haben auch andere Unternehmen Netzwerke für die Produktion ihrer Impfstoffe aufgebaut oder selbst Lizenzen an andere Unternehmen vergeben, die über die nötige Ausrüstung und dafür qualifiziertes Personal verfügen. Auch die benötigten dabei umfassende Schulung durch das Originalunternehmen.
Kooperationen, nicht Zwangslizenzen, sind der Weg zum schnellen Ausbau
Keine rasche Erweiterung der Produktionskapazitäten verspricht hingegen die Idee, mittels Patentaufhebung und Zwangslizenzen beliebige andere Pharma-Unternehmen mit der Produktion der Impfstoffe zu beauftragen. Denn Impfstoffherstellung gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben in der Arzneimittel-Produktion. Dabei kommt es auf jedes Detail an, damit die Impfstoffe wirksam und verträglich ist.
Impfstoffherstellung braucht immer einen intensiven technischen Vorlauf. Da geht nichts auf Zuruf.»
Nur mit Hilfe des Originalherstellers kann ein anderes Unternehmen zügig in den Stand versetzt werden, an der Produktion mitwirken. Deshalb sind Kooperationen der schlüssige Weg zur zügigen Ausweitung der Produktionsmengen.
Produktionsmethoden für Covid-19-Impfstoffe: anspruchsvoll und unterschiedlich
Die Herstellungsweise für die verschiedenen Typen von Impfstoffen, die gegen Covid-19 bereits zugelassen oder in Entwicklung sind, unterscheidet sich wesentlich voneinander. Sie weicht in den meisten Fällen auch deutlich von der Produktionsmethode für die üblichen in Deutschland empfohlenen Impfstoffe gegen andere Krankheiten ab, die direkt aus abgetöteten oder abgeschwächten Erregern hergestellt werden.
So basieren einige der Covid-19-Impfstoffe auf gentechnisch hergestelltem Spikeprotein des SARS-CoV-2-Virus. Mediziner nennen sie Subunit-Impfstoffe. In einem Fall wird zu ihrer Herstellung eine Kultur mit Insektenzellen in Nährmedium verwendet, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie das betreffende Protein herstellen. Dieses Protein muss anschließend von allen Resten der Insektenzellen und des Nährmediums gereinigt werden. Erst danach kann es zusammen mit einer Emulsion aus Hilfsstoffen zum fertigen Impfstoff verarbeitet werden. Dabei dienen die Adjuvantien genannten Hilfsstoffe dazu, die Immunreaktion bei den Geimpften zu verstärken. Der fertige Impfstoff wird schließlich in sterile Glasgefäße abgefüllt.
Ganz anders werden Vektorviren-Impfstoffe hergestellt. Für sie benötigt man große Zellkulturen mit Säugetierzellen. Mit biotechnischen Methoden werden diese Zellen ausgerüstet, um Viren zu bilden – allerdings keine Coronaviren, sondern harmlose Vektorviren, die Menschen nicht krankmachen können. Die Vektorviren werden gentechnisch so verändert, dass sie die genetische Bauanleitung für das Spikeprotein des Covid-19-Erregers SARS-CoV-2 tragen. Das ist entscheidend dafür, dass die Vektorviren nach dem Impfen für eine Schutzreaktion gegen Covid-19 sorgen können. Die Vektorviren werden schließlich aus der Zellkultur „abgeerntet“. Nachdem man sie gründlich, aber schonend gereinigt hat, kann man sie in einer impftauglichen Flüssigkeit in Glasgefäße abfüllen.
Noch anders verläuft die Herstellung von messengerRNA-(mRNA)-Impfstoffen. Sie beginnt im ersten Schritt mit der Vermehrung von Bakterien, denen zuvor gentechnisch kleine ringförmige DNA-Stücke eingefügt wurden, in großen Bioreaktoren. Die DNA-Ringe vermehren sich mit den Bakterien. Wenn diese dann abgetötet werden, setzen sie die ringförmigen DNA-Stücke wieder frei. Diese sind nötig für die Herstellung der eigentlichen mRNA. Im nächsten Schritt muss aus diesem Mix hochgradig reine mRNA hergestellt werden. Diese wird dann in einem weiteren Arbeitsschritt in Flüssigkeit in submikroskopische Bläschen eingeschlossen, die aus naturidentischen und künstlichen fettartigen Molekülen bestehen; diese Lipidnanopartikel genannten Bläschen dürfen dabei weder zu klein noch zu groß geraten. Die fertige Lösung mit den Lipidnanopartikeln wird anschließend in Glasgefäße abgefüllt.