Multiple Sklerose: Symptome, Krankheitsverlauf und Behandlungsmöglichkeiten
Bei der Multiplen Sklerose (MS) werden Nervenstrukturen zerstört, was verschiedene Symptome auslöst. Der Krankheitsverlauf ist oft schubförmig, aber das ist von Patient zu Patient sehr verschieden.
Die heutigen Medikamente zur Dauerbehandlung der Multiplen Sklerose (MS) können bei vielen Patienten einen Teil der Krankheitsschübe verhindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen – allerdings nicht bei allen. Pharma-Unternehmen entwickeln deshalb neue Medikamente, die noch zuverlässiger und bei noch mehr Verlaufsformen von MS wirksam sein sollen.
Was ist Multiple Sklerose und welche Ursachen gibt es dafür?
Bei Multipler Sklerose werden die Nervenhüllen beschädigt. Dadurch liegen Nervenfasern teilweise frei, was zu einer gestörten Weiterleitung elektrischer Signale führt.MS ist eine chronische und bisher nicht heilbare Krankheit von Gehirn und Rückenmark (dem zentralen Nervensystem, ZNS). Die Krankheit wird auch Encephalomyelitis disseminata (ED) genannt. Multiple Sklerose zählt zu den Autoimmunkrankheiten und beginnt meist im frühen Erwachsenenalter. Dabei greift das Immunsystem die Umhüllung der Nervenzellen an und zerstört schließlich auch die Zellen selbst.
Die Ursachen für eine Erkrankung sind nicht klar. Es gibt wohl keinen Einzelfaktor, der alleine MS auslöst. Eher wird ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren angenommen. Manche könnten in den ererbten Genen liegen, andere in Virus-Infektionen (z.B. mit Masern-, Herpes- oder Epstein-Barr-Viren), in Vitamin D-Mangel oder Rauchen. Auch das Geschlecht scheint einen Einfluss zu haben; denn es leiden etwa doppelt so viele Frauen wie Männer an MS. Der könnte jedoch sowohl biologisch als auch durch die im Schnitt unterschiedlichen Lebensumstände von Frauen und Männern begründet seit. Insgesamt leiden in Deutschland rund 240.000 Menschen an der einen oder anderen Form der Krankheit (1)
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Wie sich MS äußert – Symptome, Verlauf und Diagnose
Multiple Sklerose tritt häufig unvermittelt und unerwartet auf. Oftmals ist zunächst nur ein einzelnes Symptom vorhanden, bei manchen Patienten sind es jedoch sofort mehrere. Beschwerdebild und Verlauf der Krankheit können dabei ganz unterschiedlich ausfallen. Die Symptome versuchen Mediziner durch eine gezielte Multiple Sklerose-Therapie zu mildern.
Häufige Symptome der Multiplen Sklerose:
- Sehstörungen z.B. mit Verschwommen- oder Nebelsehen, Sehausfall
- Krämpfe, Muskelzuckungen, Schwerfälligkeit, spastische Lähmungserscheinungen, die vor allem die Beine betreffen, teils auch die Hände
- Müdigkeit, allgemeine Mattigkeit oder Konzentrationsstörungen („Fatigue“)
- Gefühlsstörungen der Haut z.B. Kribbeln, Taubheitsgefühl
- Unsicherheiten beim Gehen, Störungen der Bewegungskoordination
- Lähmungen oder Störungen beim Entleeren von Darm oder Blase
Meist verläuft die MS in Schüben, also Phasen mit Symptomen, die sich dann wieder zurückbilden. Das ist die sogenannte schubförmig remittierende MS. Je nachdem, ob sich die angegriffenen Stellen im Zentralen Nervensystem regenerieren können oder nur vernarben, normalisieren sich die Funktionen nach dem Schub wieder oder bleiben beeinträchtigt. Im ZNS von MS-Patienten finden sich oft nach einiger Zeit vielfache Vernarbungen (medizinisch „multiple Sklerosen“), die der Krankheit auch den Namen geben. Nach 10-15 Jahren bleibt bei einem Drittel dieser Patienten die Regeneration nach einem Schub aus.
Anders als beim schubförmigen Verlauf schreitet bei rund 10 % der Patienten MS von Beginn an unaufhaltsam fort - auch primär progrediente MS genannt. Dies ist der schwerste Krankheitsverlauf. Es gibt noch eine Mischform, die sekundär progrediente MS. Diese entwickelt sich aus der schubförmigen MS, wenn sich die Symptome nach einem Schub kaum noch oder gar nicht mehr zurückbilden.
Für eine sichere MS-Diagnose gibt es nicht die eine Untersuchungsmethode. Vielmehr sind neben einer neurologischen Untersuchung weitere notwendig. So werden beispielsweise die Rückenmarksflüssigkeit („Liquor“) untersucht, eine Kernspintomographie (MRT) und auch elektrophysiologische Messungen (z.B. zur Leitungsfähigkeit der Sehnerven) durchgeführt.
Da für alle Anzeichen der Multiplen Sklerose auch andere Krankheiten als Ursache in Frage kommen, handelt es sich bei einer MS-Diagnose immer um eine „Ausschlussdiagnose“. Es werden also zunächst andere Krankheiten ausgeschlossen – z.B. Borreliose, eine HIV-Infektion oder auch Gefäß- und Stoffwechselerkrankungen.
Behandlung von Multipler Sklerose: Therapiemöglichkeiten und Medikamente
Multiple Sklerose ist nicht heilbar. Durch moderne Behandlungsmöglichkeiten kann der Verlauf jedoch meist lange herausgezögert und verbessert werden. Damit sind die Möglichkeiten zur Multiple Sklerose-Therapie für MS-Patienten heute erheblich besser als noch bis Mitte der 1990er Jahre, als man nur akute Schübe dämpfen konnte.
Die Therapie der Multiplen Sklerose stützt sich dabei auf mehrere Säulen:
- Schubtherapie: Behandlung akuter MS-Schübe, damit Beschwerden sich schnell zurückbilden
- Verlaufsmodifizierende Therapie (= Basistherapie): Reduktion der Schwere und Häufigkeit der Schübe, um die beschwerdefreie oder -arme Zeit zu verlängern
- Symptomatische Therapie: Linderung von MS-Beschwerden und Vorbeugung möglicher Komplikatione
Medikamente für Patienten mit schubförmiger MS
Für Patienten mit schubförmig verlaufender MS stehen mehrere Medikamente zur Verfügung, die den Angriff des Immunsystems auf die Nervenzellen abschwächen. Bei akuten Schüben können u.a. Cortison-Präparate die Symptome dämpfen. Darüber hinaus können wiederkehrend angewendete sogenannte Basistherapeutika viele Schübe verhindern und zum Teil das Fortschreiten der Krankheit hinauszögern.
Zu den schon am längsten verfügbaren Basistherapeutika zählen die Betainterferon-Präparate und das synthetische Peptidgemisch Glatirameracetat; sie alle müssen regelmäßig gespritzt werden. Schlägt eins dieser Basistherapeutika an, kann das etwa ein Drittel bis die Hälfte aller neuen Schübe verhindern und die Schwere der Schübe vermindern. Das Spritzen allerdings fällt manchen Patienten schwer; und die Mittel wirken nur bei rund 70% der Patienten. Etliche Patienten erleben auch belastende Nebenwirkungen wie grippeähnlichen Symptome durch die Basistherapie mit diesen Mitteln. 2018 kam noch ein Antikörper-Medikament (mit Ocrelizumab) hinzu.
Schon seit 2011 kamen aber auch Basistherapeutika in Tablettenform heraus, mit den Wirkstoffen Fingolimod, Teriflunomid, Dimethylfumarat und Cladribin. Diese neuen Medikamente – und darin unterscheiden sie sich nicht grundsätzlich von den älteren – eliminieren bestimmte Zellen des Immunsystems oder dämpfen ihre Aktivität, damit deren Angriffe im ZNS unterbleiben. Die genauen Wirkprinzipien, mit denen das erzielt wird, sind jedoch andere; und einige Patienten begrüßen es sehr, dass sie ihre Medikamente nicht spritzen müssen. Der Einsatz von einigen von ihnen ist auf Patienten mit hoher Schubfrequenz beschränkt.
Leiden Patienten trotzdem an häufigen Schüben, kann auch eins von zwei Antikörperpräparaten oder ein Chemotherapeutikum (zur Schub- oder Dauerbehandlung) eingesetzt werden, was jedoch mit höheren Risiken für die Patienten durch belastende, in Einzelfällen auch schweren Nebenwirkungen verbunden sein kann. Eins der Antikörperpräparate (Natalizumab) wird in Dauertherapie eingesetzt, für das andere (Alemtuzumab) genügen zwei kurze Behandlungsphasen für eine langanhaltende Wirkung.
Medikamente für Patienten mit primär-progredienter MS
Für Patienten mit primär-progredienter MS gab es lange Zeit trotz intensiver Forschung kein zugelassenes Basis-Medikament. 2018 kam erstmals ein solches Medikament heraus; es enthält den Antikörper Ocrelizumab. Es kann die Krankheitsaktivität dämpfen.
MS: Was im Körper passiert und wie Medikamente dagegen wirken
Zu den Aufgaben des Immunsystems zählt, eindringende Krankheitskeime wie Viren oder Bakterien abzuwehren. Dazu muss es fähig sein, zwischen „fremd“ und „körpereigen“ zu unterscheiden. Bei der MS gelingt ihm dies jedoch im Falle der Nervenzell-Hüllen nicht: Das Immunsystem hält sie für fremd und startet einen Großeinsatz der Immunzellen, der allerdings nicht im gesamten ZNS gleichzeitig erfolgt, sondern sich auf einzelne Regionen konzentriert und dort zu einer Entzündung führt. Beteiligt am Immunangriff sind unterschiedliche weiße Blutkörperchen: sogenannte Fresszellen (Makrophagen, sie können andere Zellen in direktem Kontakt vernichten), T-Lymphozyten und B-Lymphozyten. Letztere schädigen das ZNS nicht direkt, sondern produzieren Antikörper, die sich auf die Nervenzell-Hüllen setzen und diese damit für weitere Immunzellen „zum Abschuss freigeben“.
Die Medikamente in der MS-Therapie greifen an verschiedenen Stellen in den Entzündungsprozess ein. Einige Präparate verhindern die Vermehrung bestimmter Immunzellen. Ein anderes hindert T- und B-Lymphozyten daran, die Lymphknoten zu verlassen und ins ZNS einzudringen. Ein weiteres stört die Kommunikation zwischen Immunzellen, so dass diese ihren Angriff nicht koordinieren können.
MS-Forschung und neue Medikamente für die Multiple Sklerose-Therapie
Dennoch ist vieles bis heute nicht zufriedenstellend: Keines der Basistherapeutika kann alle Schübe verhindern. Und für bestimmte Formen der MS ist noch kein oder erst ein Medikament zugelassen. Deshalb versuchen Pharmaforscher weiterhin, für die Patienten Medikamente zu entwickeln, die noch wirksamer und noch besser verträglich sind. Und sie arbeiten an weiteren Medikamenten gegen die stetig fortschreitende (die sogenannte "primär-progrediente" oder "sekundär-progrediente“) MS.
Weitere MS Medikamente in Erprobung oder Zulassungsverfahren
Wirkstoff; Einnahmeform | Wirkungsweise | Stand des Projekts |
Siponimod = BAF-312; zum Schlucken | verhindert Freisetzung von T- und B-Lymphozyten aus den Lymphknoten | in der EU Zulassung gegen sekundär progrediente MS in 10/2018 beantragt; in den USA schon zugelassen |
Ozanimod; zum Schlucken | verhindert als S1P1- und S1P5-Rezeptorantagonist die Freisetzung von T- und B-Lymphozyten aus den Lymphknoten | in der EU Zulassung gegen schubförmige MS beantragt seit 03/2019; in USA ebenfalls Zulassung beantragt |
Ponesimod; zum Schlucken | verhindert Freisetzung von T- und B-Lymphozyten aus den Lymphknoten | in klinischer Erprobung, Phase III |
Ofatumumab; intravenös | k. A. | in klinischer Erprobung, Phase III |
Immunoglobulin Octagam | k. A. | in klinischer Erprobung, Phase III |
Diroximel fumarat (ein Monomethylfumarat-Prodrug) | k.A. | in klinischer Erprobung, Phase III; in USA Zulassung seit 12/2018 gegen schubförmige MS beantragt |
Ublituximab | veranlasst die Dezimierung von B-Lymphozyten | in klinischer Erprobung gegen schubförmige MS, Phase III |
Adamantin, controlled release | k.A. | in klinischer Erprobung gegen nicht näher spezifizierte MS, Phase III |
MD-1003 (D-Biotin) | k.A. | in klinischer Erprobung gegen primär- und sekundär-progrediente MS, Phase III |
Ocrelizumab | k.A. | in klinischer Erprobung gegen sekundär-progrediente MS, Phase III (gegen schubförmige und primär-progrediente MS schon zugelassen) |
Tabelle: Medikamente für die Basistherapie der Multiplen Sklerose (soweit nicht anders angegeben der schubförmigen MS) in Phase III, im Zulassungsverfahren oder vor der Markteinführung (Stand: 28.05.2019)