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#MacroScopePharma 03/23

Der Economic Policy Brief des vfa



Standort unter Druck: Künftige Exporterfolge sind keine Selbstläufer


Deutschlands Geschäftsmodell ist im Wesentlichen auf den Export von Industriegütern ausgerichtet. Seit Jahren baut Deutschland bei wichtigen Gütern seine Weltmarktanteile aus. Besonders gefragt sind Hightechprodukte aus Schlüsselbranchen wie der Automobilindustrie. Von großer Bedeutung ist auch die Pharmaindustrie, deren heimische Produktion in großen Teilen exportiert wird.

Jahrelange Exportüberschüsse Deutschlands

Deutsche Wirtschaft international stark verflochten

Die Verflechtungen der deutschen Wirtschaft mit dem Ausland sind in den sogenannten Input-Output Tabellen abgebildet. Darin zeigen sich die Herkunft von Waren und Dienstleistungen sowie die Strukturen ihrer Verwendung.

Im Folgenden werden vorrangig Zahlen für das Jahr 2019 untersucht: Diese sind nicht durch Corona- und Energiekrise verzerrt, vor allem aber liegen noch keine aktuelleren Input-Output-Tabellen vor, die für einen ausreichend tiefen Einblick in die Wirtschaftsstrukturen nötig sind. Damals wurden Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 1,6 Billionen Euro exportiert (Abbildung 1) und knapp 1,4 Billionen Euro importiert.

Dabei ist allerdings zu beachten, dass ein Fünftel davon Reexporte sind (in Abbildung 1 durch den Strom von den Importen zu den Exporten dargestellt). Der Gesamtwert bestimmter Exportgüter hat für sich genommen also noch keine Aussagekraft über die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Branchen auf ausländischen Märkten. Relevant ist, ob die heimisch hergestellten Güter dort Absatz finden.

Wird die heimische Produktion auf ihre Verwendungen aufgeschlüsselt, zeigt sich, dass sie vorrangig in nachgelagerte Fertigungsstufen fließt: 40 Prozent der Produktion sind Vorleistungen (dargestellt durch den oberen Strom), knapp ein Drittel wird konsumiert und acht Prozent werden investiv verwendet. Nur ein Fünftel wird ins Ausland verkauft. Dieser Anteil ist vergleichsweise gering, weil er die Dienstleistungen umfasst, die nur in geringem Umfang grenzüberschreitend gehandelt werden.

Industrie mit großem Exportanteil

Für die Industrie ist dieser Exportanteil heimisch produzierter Güter deutlich höher. Sie stellt weit überwiegend international handelbare Güter her. Der Exportanteil weist zudem einen hohen Gleichlauf mit der gesamtwirtschaftlichen Exportquote auf und ist auch vom Niveau mit dieser vergleichbar (Abbildung 2, links). Die Exportquote knickte im ersten Pandemiejahr ein, bevor sie in den vergangenen zwei Jahren auf mehr als 50 Prozent klettert. Die Entwicklung in den Branchen dürfte dabei ebenso heterogen gewesen sein wie ihre Betroffenheit in der Coronakrise.

Zu einem hohen Exportanteil tragen vor allem die Schlüsselindustrien bei: der Maschinenbau, die EDV, die Pharma- und die Automobilindustrie. Sie alle weisen überdurchschnittliche Ausfuhrquoten ihrer heimischen Produktion auf (vgl. Abbildung 2, rechts). Während Chemie, Pharma und EDV – die drei Branchen mit den höchsten Exportquoten – im vergangenen Jahrzehnt im Trend zulegen konnten, hat sich dieser jedoch bei Kraftfahrzeugen in den vergangenen Jahren gedreht und sinkt seither. Dies spricht dafür, dass die Automobilindustrie bereits seit einigen Jahren in strukturellen Schwierigkeiten steckt. Im Maschinenbau zog die Quote nach Rückgängen erst in den vergangenen Jahren wieder an.

Reexporte von Bedeutung

Die Pharmaerzeugnisse gehören zu den Gütern mit dem höchsten Anteil exportierter Produktion: Von 72 Milliarden Euro, die im Jahr 2019 aus heimischer Produktion (zuzüglich des Lagers, also zuvor produzierten Gütern) zur Verfügung standen, wurden Waren im Wert von 49 Milliarden Euro exportiert (in Abbildung 3 durch den Strom von der heimischen Produktion zum Export dargestellt). Dies machte zwei Drittel der gesamten Exporte pharmazeutischer Produkte aus. Das übrige Drittel der Ausfuhren stammt direkt aus ausländischer Produktion.

Dies ist ein vergleichsweise hoher Anteil: Gesamtwirtschaftlich beträgt die Reexportquote 19 Prozent. Aber auch im Industrievergleich liegt die pharmazeutische Industrie weit über dem Durchschnitt (24 Prozent, vgl. Abbildung 4) und ebenso im Ländervergleich: Während Pharmaprodukte auch in anderen Ländern einen höheren Reexport-Anteil als der jeweilige Industriesektor insgesamt aufweisen, ist der deutsche Anteil – womöglich auch wegen der Größe und zentralen Lage Deutschlands – besonders hoch.

Nach Ländern (DE: Deutschland, FR: Frankreich, IT: Italien, EA: Euroraum, EU) und Wirtschaftszweigen; horizontale Achse: Anteil Exporte, die zuvor direkt importiert wurden, vertikale Achse: Anteil Exporte, die aus heimischer Produktion stammen; alle Angaben in Prozent.

Pharmaindustrie baut Erfolge im Ausland weiter aus

Dafür sind aber auch die deutschen Pharmahersteller besonders erfolgreich im Ausland: Mit 68 Prozent wird der größte Teil heimischer Produktion im Ausland abgesetzt(4) . Zu geringen Teilen werden pharmazeutische Produkte als Vorleistungen (etwa Grundstoffe in der Pharmaindustrie oder im Sozialwesen) verwendet oder gelagert (und damit als Investition gezählt). Für den Konsum hingegen (hier tritt insbesondere das Gesundheitssystem als Nachfrager auf) ist die Pharmaherstellung von großer Relevanz. Gut ein Viertel der heimischen Produktion fließen in den Konsum hierzulande, der aber zu einem fast ebenso großen Teil auch aus Importen bedient wird.

Die Pharmahersteller in Deutschland erzielen damit hohe Auslandserträge und liegen im Vergleich, gemeinsam mit anderen Schlüsselindustrien, deutlich über dem Industriedurchschnitt. Im Gegensatz zur Automobilindustrie konnten sie ihren Ausfuhranteil sogar stetig ausbauen.

Auch im Vergleich mit anderen Standorten stehen die hiesigen Pharmaproduzenten gut da: So weisen sie einen weitaus größeren Exportanteil auf als etwa der EU- oder Euroraum-Durchschnitt. Auch für andere Länder gilt: Die Pharmaproduktion ist ein wichtiger Einkommensfaktor, denn die Produkte sind auf den Weltmärkten mit höheren Produktionsanteilen vertreten als im Schnitt des jeweiligen Industriesektors. Frankreich weist gar einen noch höheren Anteil auf als Deutschland.

Fazit: Standort unter Druck – auf innovative Branchen setzen

Deutschland hat einen starken industriellen Kern und kann seit Jahrzehnten Marktanteile im Ausland erfolgreich verteidigen, teils ausbauen und damit vom – häufig relativ hohen – Wachstum in vielen Ländern profitieren. Relevant für die Einschätzung der Exportstärke einer Branche ist jedoch weniger die häufig genutzte Exportquote, denn in diese gehen auch Reexporte ein. Ein geeigneteres Maß ist der Exportanteil heimischer Produktion. Es zeigt sich, dass gerade hochinnovative Schlüsselindustrien eine hohe Wettbewerbsfähigkeit aufweisen. Beispielsweise verzeichneten die heimischen Pharmahersteller im vergangenen Jahrzehnt nicht nur überdurchschnittliche Produktionszuwächse(5) , sondern konnten sogar den Absatz in ausländische Märkte noch überproportional ausweiten.

Dabei ist die Exportstärke Deutschlands kein Selbstläufer: Schwergewichte beim Export wie die Kfz-Industrie lassen nach und auch der Maschinenbau konnte erst jüngst wieder etwas Boden gutmachen. Beide Branchen stehen angesichts des Wandels der Automobilindustrie erheblich unter Druck. Künftig dürfte vor allem die Produktivitätsentwicklung maßgeblich dafür sein, wie wettbewerbsfähig Deutschland im internationalen Vergleich produziert. Angesichts der großen Verschiebungen vor allem durch die Demographie sollte Deutschland auf seine Innovationskraft setzen und Investitionen sowie Forschung und Entwicklung in den Hightechbranchen stärken. Dann wird auch das Exportmodell Deutschlands weiterhin eine Erfolgsgeschichte bleiben.

Fußnoten:

(1) Vgl. Fratzscher-Kommission (2016). Stärkung von Investitionen in Deutschland. Stellungnahme der Expertenkommission im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, online verfügbar.

(2) Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2022), Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten geopolitischer Veränderungen, Nationaler Produktivitätsbericht 2022, online verfügbar.

(3) Fischer, L., Gundert, H., & Weck, S. (2023), Länderindex Familienunternehmen, Studie des ZEW Mannheim im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen, online verfügbar.

(4) Der Ausfuhranteil an der Wertschöpfung ist mit 86 Prozent noch größer. Vgl. Prognos (2020), Volkswirtschaftliche Bedeutung der pharmazeutischen Exporte Deutschlands, Studie im Auftrag des vfa, online verfügbar.

(5) Vgl. MacroScope Pharma Economic Policy Brief #12/22 (2022), Produktivität: Deutschland verliert an Boden, online verfügbar.

Autor:

Dr. Claus Michelsen
Geschäftsführer Wirtschaftspolitik
Dr. Claus Michelsen

Telefon 030 20604-120

c.michelsen@vfa.de

Pressekontakt:

Henrik Jeimke-Karge
Pressesprecher Wirtschaftspolitik
Henrik Jeimke-Karge

Telefon 030 20604-205

h.jeimke-karge@vfa.de