Leichte Erholung bei der Studienaktivität in Deutschland
Viele Jahre lang sank in Deutschland die Zahl klinischer Arzneimittelstudien, die von Pharmaunternehmen veranlasst wurden, fast durchgehend. 2024 gab es nun eine leichte Aufwärtsbewegung. Doch auch andere Länder konnten sich steigern, ein sogar Deutschland überholen.

Laut Studienregister clinicaltrials.gov verbesserte sich Deutschland binnen eines Jahres von 519 auf 541 begonnene Studien der Industrie. Eine erste Wirkung des Medizinforschungsgesetzes?
Allerdings: War Deutschland im Jahr 2016 mit dem Start von 641 von Pharmafirmen veranlassten klinischen Studien(1)
noch weltweite Nummer 2 nach den USA, steht es 2024 mit 541 solchen Studien auf Rang 5 hinter den USA (2.196), China (1.387), Spanien (601) und Australien (556), dicht gefolgt von UK (515). Damit zeigt sich Deutschland zwar weiterhin als Land, das für forschende Pharma-Unternehmen einen hohen Stellenwert als Studienstandort hat; doch bei weitem nicht der Relevanz von 2016 und davor.
(1) genauer: interventionelle klinische Studien bzw. klinische Prüfungen
Parameter der Auswertung
Nicht eingezeichnet sind die Top-Länder USA (2.196) und China (1.387). Gesucht wurde in clinicaltrials.gov nach "Study Type: Interventional Studies", "Phase: Early Phase 1, Phase 1, Phase 2, Phase 3, Phase 4", "Funder Type: Industry", "Study Start from 01/01/2024 to 12/31/2024" und dem jeweiligen Land.
Wie die Ländervergleichsgrafik zeigt, verzeichneten fast alle untersuchten EU-Länder 2024 einen Aufwärtstrend gegenüber dem Vorjahr - am markantesten im Fall von Italien. Auffällig ist aber insbesondere die nochmalige Steigerung der Zahl von Studien in Australien, das dadurch Deutschland überholt hat.
Dass Deutschland sein Potenzial für die Mitwirkung an klinischen Studien definitiv nicht ausschöpft, zeigt folgende Grafik zum Anteil der Studienteilnehmer:innen an der Gesamtbevölkerung in Ländern Europas im Jahr 2021 (hier sind auch von akademischen Einrichtungen veranlasste Studien berücksichtigt). Deutschland belegt hier einen der hinteren Plätze.

Einsichten aus der Praxis
Expert:innen für klinische Studien aus vfa-Unternehmen erläutern in einem Video die Stärken und Schwächen des Studienstandorts Deutschland.
vfa-Präsident Han Steutel kommentiert das so: "Der Stellenwert von klinischen Studien sagt viel über die Leistungskraft und Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Schließlich geht es darum, ob Patienten und Patientinnen frühzeitigen Zugang zur Medizin der Zukunft haben, ob deutsche Medizin innovative Therapien mitgestalten kann und ob forschende Pharma-Unternehmen wieder mehr von ihrem internationalen Studienbudget in Deutschland ausgeben. Deshalb muss eine Trendumkehr geschafft und dann auch Platz 1 in Europa zurückgewonnen werden. Das ist erreichbar, wenn alle Beteiligten entschlossen zusammenarbeiten. Dabei nützen mehr klinische Studien am Standort Deutschland allen: Fachkräfte in Kliniken und Arztpraxen können sich durch ihre Mitwirkung schon heute mit der Medizin von morgen vertraut machen. Patienten und Patientinnen erhalten durch sie zusätzliche Chancen auf eine wirksamere Behandlung und beste Betreuung. Und Unternehmen können neue Behandlungsmöglichkeiten schneller zur Zulassung bringen, je zügiger viele Kliniken zur Mitwirkung bereit sind.“
vfa-Podcast #MicroScope zu Arzneimittelstudien
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In klinischen Studien mit Medikamenten (auch "klinische Prüfungen" genannt) wird deren Eignung zur Behandlung einer bestimmten Krankheit geprüft und die geeignete Dosierung ermittelt. Zunächst wird in Studien der Phase I mit Gesunden die Verträglichkeit und der „Durchlauf“ durch den Körper untersucht. In den Studien der Phase II und III werden Wirksamkeit und Verträglichkeit erst bei wenigen, dann bei vielen Patient:innen geprüft. An die Zulassung des Medikaments nach Phase III schließen sich meist noch Phase IV-Studien an, in denen weitere Aspekte des Medikaments (etwa seine Eignung für Sonderfälle oder seine Kombinierbarkeit) untersucht oder Vergleiche mit anderen Medikamenten angestellt werden. Im Regelfall wirken an einer Studie Kliniken oder Arztpraxen vieler Länder zugleich mit.
Wo Studien von Pharma-Unternehmen in Deutschland durchgeführt werden
Die folgende Grafik zeigt die 30 deutschen Städte, in denen 2022 laut Clinicaltrials.gov die meisten von Unternehmen veranlassten klinischen Studien durchgeführt wurden (eine Auswertung für 2024 folgt im Laufe des November 2025).

Die Grafik lässt sich auch als pdf herunterladen.
Berlin führt mit Abstand die Reihe der studienstarken Städte an. Anders als in einigen Nachbarländern konzentriert sich das Studien-Engagement aber hierzulande nicht auf wenige Städte; vielmehr sind medizininische Einrichtungen in weiten Teilen der Republik beteiligt. Das hilft den Interessierten, weil sie wohnortnäher Angebote zur Teilnahme finden. Die Organisation der Studien wird allerdings nicht einfacher, wenn sich die Teilnehmenden auf viele medizinische Einrichtungen verteilen, statt in wenigen großen Kliniken behandelt zu werden. Hier könnte es helfen, wenn sich Kliniken für Studien zu Netzwerken zusammenschließen, die organisatorisch als ein mitwirkender Partner agieren.
Die Verteilung auf verschiedene Krankheitsgebiete
Zur Verteilung der von Unternehmen in Deutschland veranlassten klinischen Studien auf die verschiedenen Krankheitsgebiete liegen Ergebnisse für das Jahr 2023 vor; auch sie beruhen auf einer Auswertung von clinicaltrials.gov. Die höchste Zahl von Studien entfiel in diesem Jahr (wie schon in etlichen vorangegangenen) auf die Therapie verschiedener Krebserkrankungen. Mit weitem Abstand folgt das Therapiegebiet der immunologischen Krankheiten, zu dem sowohl allergische Erkrankungen wie auch Autoimmunkrankheiten und Immundefizienzen gehören. Die weitere Rangfolge ist dem nachfolgenden Diagramm zu entnehmen. Bis Ende 2025 wird auch eine Auswertung für die 2024 begonnenen Studien vorliegen.
(1) genauer: interventionelle klinische Studien bzw. klinische Prüfungen
