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#MacroScopePharma 05/25

Der Economic Policy Brief des vfa



Rückläufige Direktinvestitionen: Der Standort Deutschland braucht neue Impulse


Ausländische Direktinvestitionen gelten als Qualitätsmaßstab für einen Wirtschaftsstandort. Sie sind zugleich Gradmesser für langfristige Wachstumsperspektiven. Deutschland profitiert seit Jahrzehnten von einem stetigen Kapitalzufluss aus dem Ausland. Doch die direkten Zuflüsse gehen zurück. Sie sanken von mehr als 150 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf gut 43 Milliarden Euro im Jahr 2024. Auch wenn das in Deutschland angelegte Kapital nicht abgezogen wird, ist diese Entwicklung ein deutliches Signal, mehr für die Attraktivität des Standorts zu tun. Vor allem die Bedingungen der innovativen Schlüsselindustrien des Landes müssen jetzt verbessert werden, um Wachstumsperspektiven zu entwickeln.

Direktinvestitionen zeigen langfristiges Wachstumspotenzial

Investitionsschwerpunkte verschieben sich weltweit

Einen ersten Hinweis für die Attraktivität von Investitionszielen im Ausland ist die Rentabilität der Direktinvestitionen. Gemessen daran fanden sich im Jahr 2022 besonders in osteuropäischen Ländern, dem Baltikum oder in Skandinavien gute Anlagechancen – auch in Irland konnten mit zwölf Prozent überdurchschnittliche Renditen in einem rechtssicheren Umfeld erwirtschaftet werden (Abbildung obere Karte). Im Jahr 2013 stellte sich dies anders dar. Die Rentabilität der Direktinvestitionen in den USA und Kanada, aber auch in den Ländern Latein- und Südamerikas war deutlich größer als die in den meisten Ländern Europas.

Bis in das Jahr 2019 flossen mehr als die Hälfte aller globalen Direktinvestitionen in die USA, China und Europa. Dabei konnten die USA ihren Anteil an den globalen FDI-Zuflüssen von zwölf Prozent im Jahr 2005 deutlich steigern, zeitweise verdoppeln. Mit der Corona-Krise sanken die Zuströme nach Europa deutlich, von zeitweise mehr als 30 Prozent auf zuletzt rund 22 Prozent. Chinas FDI-Zuströme folgten zyklischen Schwankungen. Der Anteil lag aber im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre deutlich unter den Werten Europas und den USA.

Insgesamt investierten die USA und Europa deutlich mehr im Ausland, als sie selbst an Direktinvestitionen erhielten. Ein Artefakt stellt dabei das Jahr 2018 für die USA dar: In dem Jahr zogen die US-amerikanischen Unternehmen Kapital aus dem Ausland ab, vor allem die ansonsten im Ausland reinvestierten Gewinne der FDI. Der Grund hierfür sind steuerpolitische Änderungen: In der ersten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump wurden die Unternehmenssteuersätze deutlich gesenkt. Hinzu kamen handelspolitische Konflikte, die Anlagen im Ausland unsicherer machten.

Bis vor drei Jahren war China Nettoprofiteur von FDI. Im Jahr 2022 hat sich das Verhältnis deutlich gedreht. China investiert mittlerweile per Saldo größere Summen im Ausland, als es selbst empfängt. Die Gründe hierfür sind in den stark rückläufigen Kapitalzuflüssen nach China zu suchen. Einerseits haben die Corona-Krise und die damit verbundenen Friktionen zu einer Neubewertung von Handelsrisiken geführt. Andererseits hat Russlands Angriff auf die Ukraine die geopolitische Lage erheblich verändert. Die politischen Risiken, die mit einer Direktinvestition in China verbunden sind, werden deutlich höher eingeschätzt.(3) Zuletzt spielt auch die wirtschaftliche Lage Chinas eine Rolle: Zunehmend entstehen Zweifel über die binnenwirtschaftliche Stärke des Landes und die damit verbundenen Wachstumsperspektiven.

Deutschlands Industrie häufiges Ziel von Direktinvestitionen

In Deutschland werden vor allem die steigenden FDI deutscher Unternehmen im Ausland als ein Zeichen einer Standortschwäche und Vorboten einer Deindustrialisierung diskutiert.(4) Generell weist Deutschland wegen seines anhaltend hohen Exportüberschusses eine negative Kapitalbilanz aus. Seit dem Jahr 1971 gab es nur sieben Jahre, in denen mehr Direktinvestitionen nach Deutschland flossen als umgekehrt. Ein Spiegelbild realer Warenströme: Exportiert ein Land mehr als es wertmäßig importiert, dann geht das mit einem Kapitalexport – also der Verschuldung des Auslands beim Exportland – einher. Die Struktur des Kapitalexports hat sich in den vergangenen Jahren weg von Portfolioinvestitionen hin zu längerfristig orientierten Direktinvestitionen im Ausland verschoben. Tatsächlich stiegen die deutschen Direktinvestitionen im Ausland in den 2010er-Jahren sichtbar. Seit dem Jahr 2021 sanken diese aber erheblich, wie auch die Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland.

Größere Sorge mit Blick auf Deindustrialisierungsprozesse sollten daher eher die erheblich gesunkenen Zuströme ausländischer Direktinvestitionen bereiten. Unter dem Strich floss bis zuletzt mehr Kapital aus dem Ausland nach Deutschland als von ausländischen Investoren abgezogen wurde: Allerdings sank der Zustrom von FDI nach Deutschland von in der Spitze mehr als 150 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf zuletzt 43 Milliarden Euro im Jahr 2024. Da sich auch deutsche FDI im Ausland erheblich reduzierten, ging der Negativsaldo der FDI ebenfalls zurück.

Insgesamt haben die unmittelbaren ausländischen Unternehmensbeteiligungen in Deutschland einen Wert von gut 1,3 Billionen Euro (Stand 2023). Dem steht ein FDI-Vermögen deutscher Unternehmen im Ausland in Höhe von 1,7 Billionen gegenüber. Wichtigste Zielsektoren für ausländische Investoren sind das Banken- und Versicherungswesen (39,6 Prozent), der Dienstleistungssektor (30,5 Prozent) und die Industrie (zwölf Prozent). Diese Bereiche stehen damit für rund 82 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland.

Ausländische Beteiligungen an deutschen Industrieunternehmen steigen – Pharma ist die FDI-intensivste Branche

Der Gesamtwert der unmittelbaren Unternehmensbeteiligungen aus dem Ausland ist im industriellen Kern Deutschlands auch in den vergangenen Jahren weiter gestiegen. Gegenüber dem Jahr 2015 stieg der Gesamtwert ausländischer Direktbeteiligungen im Jahr 2023 um mehr als 40 Prozent. Die Zahl der Unternehmen mit ausländischer Beteiligung ist dagegen seit dem Jahr 2015 relativ stabil. Mehr als 4100 Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten haben zumindest einen Minderheitseigentümer aus dem Ausland.

Dabei profitierten nahezu alle Wirtschaftszweige von der Ausweitung der Direktbeteiligungen ausländischer Unternehmen. Die Hauptziele ausländischer Investoren sind dabei der Maschinenbau, die Elektronik und Elektroindustrie, die Chemiesowie die Pharmaindustrie. Andere Branchen wie Automobile haben eine international dominierende Stellung und demzufolge traditionell geringe Direktinvestitionen.

Die absolute Höhe der FDI in einen Wirtschaftszweig hängt stark mit der Größe des Sektors zusammen. Allerdings erklärt dies nur einen Teil der Attraktivität einer Branche für ausländische Direktinvestoren. Der Blick auf die FDI-Intensität jeBeschäftigten zeigt, dass beispielsweise der Maschinenbau aufgrund seiner Größe hohe Direktinvestitionen anzieht – in Relation zur Beschäftigtenzahl spielen ausländische Investoren aber eine unterdurchschnittliche Rolle in der Unternehmensfinanzierung.

Anders in der Pharmaindustrie: Sie weist, die Mineralölindustrie mit ihren Besonderheiten außen vorgelassen, die höchste Internationalisierung in der Eigentümerstruktur auf. Ausländische Direktinvestitionen spielen in der Branche vor allem wegen der hohen Intensität in Forschung und Entwicklung eine wichtige Rolle. Strategische Zukäufe kleinerer Unternehmen oder Minderheitsbeteiligungen, um Zugang zu Technologien, Produktionskapazitäten oder dem Wissenschaftssystem zu erlangen, werden deshalb deutlich häufiger durchgeführt.(5) Ebenfalls weisen die Elektroindustrie, EDV, oder auch beispielsweise die Glas- und Keramikindustrie eine recht hohe FDIIntensität auf. Insgesamt ist die FDI-Intensität ein Fingerzeig dafür, in welchen Sektoren Investoren aus dem Ausland Potenziale in der deutschen Industrie sehen – als alleiniges Maß greift diese Größe hingegen zu kurz.

Industriestandort modernisieren – Attraktivität für Investitionen steigern

Die Industrie in Deutschland steht erheblich unter Druck. Dies lässt sich auch an den internationalen Kapitalströmen ablesen, die auch die Erwartungen internationaler Investoren über die künftige Entwicklung eines Wirtschaftsstandorts abbilden. Dabei sind weniger steigende Direktinvestitionen Deutschlands im Ausland problematisch. Diese können durchaus dazu beitragen, inländische Unternehmen zu stärken. Vielmehr sollte es zu denken geben, dass im Jahr 2024 weniger als ein Drittel der Direktinvestitionen des Jahres 2020 den Weg nach Deutschland fanden. Dies schlägt sich noch nicht in insgesamt rückläufigen ausländischen Firmenbeteiligungen nieder. Der Bestand ausländischen Kapitals in Deutschland ist bis zuletzt gestiegen. Dennoch ist diese Entwicklung ein klares Signal, dass die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts, insbesondere des Industriestandorts, nachgelassen hat. Sie muss daher wieder deutlich gesteigert werden.

Dies ist vordringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung. Sie muss kurzfristig die Konjunktur beleben, auch um den mittlerweile vielfältigen einnahmeseitigen Druck in den Sozialsystemen zu lindern. Viel wichtiger sind allerdings die mittelfristig und auf Wachstum angelegten Reformen sowie Impulse. Hierfür ist es notwendig, Investitionen in moderne und produktive Anlagen anzuschieben, Forschungsund Innovationsprozesse zu beschleunigen sowie attraktive Chancen für internationale Fachkräfte im Land zu eröffnen.

Der internationale Druck aus den USA und China macht dies umso dringlicher. Während Europa und insbesondere Deutschland in den vergangenen Jahren immer weniger Kapitalzuflüsse verzeichneten, profitierten vor allem die USA, die zudem kräftige Investitionsanreize mit dem Inflation Reduction Act (IRA) setzten. Jetzt belasten handelspolitische Drohungen das Investitionsklima und streuen Unsicherheit. Dies sollte ein Weckruf für Europa sein, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen. Die Überlegungen Mario Draghis(6) bilden hierfür ein gutes Fundament, um Zukunftstechnologien zu stärken, den Industriestandort zu modernisieren und belastende Faktoren wie die einer lähmenden Bürokratie zu beseitigen. Auch die Chancen in neuen Handelspartnerschaften können bislang schwer erreichbare Absatzmärkte öffnen.

Die wirtschaftliche Erneuerung muss allerdings maßgeblich aus Deutschland getrieben werden. Deutschland ist nach wie vor die größte Volkswirtschaft Europas. Ohne eigene Impulse sind auch kaum größere Dynamiken im Rest Europas zu erwarten. Deshalb ist die Ankündigung der neuen Bundesregierung vielversprechend, mit dem Etatentwurf für das laufende Haushaltsjahr erste Maßnahmen für mehr Wachstum zu beschließen. Diese sollten steuerliche Maßnahmen in Form der angekündigten Sonderabschreibungen für Anlageinvestitionen umfassen. Wichtiger und mit nachhaltiger Wirkung stärken aber Innovationsprozesse den Standort. Die immer wieder diskutierte Anhebung der Forschungszulage wäre ein ebenso wichtiger Schritt. Zudem steht der schwarz-roten Koalition mit den neuen Sondervermögen erheblich Haushaltsmittel zur Verfügung, um die Schwächen der öffentlichen Infrastruktur zu beseitigen. Diese Mittel können ebenfalls eine erhebliche Wachstumswirkung entfalten – allerdings nur dann, wenn sie überwiegend investiv eingesetzt werden. Dies hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem jüngst veröffentlichten Gutachten ausführlich dargelegt.(7)

Zudem gibt es zahlreiche Prozesse, die noch von der vorherigen Bundesregierung angeschoben wurden, deren Umsetzung aber am Regierungsbruch im November 2024 scheiterte. Diese zahlreichen ausgearbeiteten Maßnahmen sollte die neue Bundesregierung dringend aufgreifen. Hierzu zählen Initiativen zur Fachkräftegewinnung, aber auch industriepolitische Initiativen wie die Pharmastrategie, die in einer Schlüsselindustrie des Landes eine neue Investitionsdynamik angestoßen hat. Dieser Prozess kann auch beispielgebend für die weitere Politik sein, denn die Maßnahmen wurden im Konsens beschlossen, zentrale Standortnachteile adressiert und vor allem Planbarkeit sowie Vertrauen in den Standort hergestellt. Diese Prozesse weiter zu stärken und fortzusetzen sorgt für gute Perspektiven für die Unternehmen – ein besonders wertvolles Gut in geopolitisch herausfordernden Zeiten.

Fußnoten:

(1) Globerman, S. (2012). Investing abroad and investing at home: complements or substitutes?. Multinational Business Review, 20(3), 217 – 230, online verfügbar.

(2) Adebahr, H., & Maennig, W. (2022). Außenwirtschaft: Außenhandel und Weltwirtschaft. Duncker & Humblot.

(3) Babic, M., & Linsi, L. (2025). Mapping corporate investments between China and Europe in an era of geoeconomic competition. JCMS: Journal of Common Market Studies, 63(3), 932 – 963, online verfügbar.

(4) Rusche, C. (2024). Deindustrialisierung: Aktuelle Entwicklungen von Direktinvestitionen (No. 15/2024). IW-Kurzbericht, online verfügbar.

(5) Seldeslachts, J., Malek, J., Newham, M., & Veugelers, R. (2024). Übernahmen in der Pharmaindustrie: Fokus mehr auf Innovationsmärkte als auf Marktverdrängung richten. DIW Wochenbericht, 91(37), 579 – 585, online verfügbar..

(6) The Draghi report: A cempetitiveness strategy for Europe, online verfügbar.

(7) SVR Wirtschaft (2025): Frühjahrsgutachtren 2025, online verfügbar

Autor:

Dr. Claus Michelsen
Geschäftsführer Wirtschaftspolitik
Dr. Claus Michelsen

Telefon 030 20604-120

c.michelsen@vfa.de

Co-Autor:

Dr. Simon Junker
Senior Manager Konjunkturpolitik
Dr. Simon Junker

Telefon 030 20604-511

s.junker@vfa.de

Pressekontakt:

Henrik Jeimke-Karge
Pressesprecher Wirtschaftspolitik
Henrik Jeimke-Karge

Telefon 030 20604-205

h.jeimke-karge@vfa.de