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Wirksame Therapien dank enger Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie kann eine Menge Positives bewirken. Das gilt in besonderem Maße für die forschende Pharmaindustrie, die traditionell eng vernetzt mit der Forschungslandschaft ist. Wie groß der gesamtgesellschaftliche Nutzen aus dem engen Austausch ist, zeigte sich zuletzt etwa an der Erfolgsmeldung zu Corona-Impfstoffen aus Deutschland.

Vier männlcihe und weibliche WissenschaftlerInnen in Laborumgebung im Gespräch

In Deutschland arbeiten Industrie und Wissenschaft oft eng vernetzt zusammen und pflegen einen intensiven Austausch, um die Forschung voranzutreiben. Das zahlt sich aus: So rangiert Deutschland dem „Bundesbericht Forschung und Innovation 2020“ zufolge weltweit auf Rang vier der forschungsintensivsten Volkswirtschaften.

Als Paradebeispiel dafür, wie hoch der Nutzen eines intensiven Austauschs sein kann, gelten die forschenden Pharmaunternehmen, die ihre Forschungsaufwendungen für die Entwicklung neuer Medikamente 2019 um sechs Prozent gesteigert haben. Mit Forschungsausgaben von rund 7,8 Milliarden jährlich ist sie – gemessen am Umsatz - die forschungsintensivste Industrie Deutschlands.


Wie sehr sich diese hohen Ausgaben nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Gesellschaft auszahlen, zeigt sich immer dann, wenn die Unternehmen dank des engen Austauschs mit Wissenschaftlern von Hochschulen und Forschungsinstituten zu spektakulären Ergebnissen kommen.

Aus Wissenschaftlern werden Gründer: Vier Erfolgsstorys

Wie ein solcher Austausch konkret stattfindet – dafür gibt es in Deutschland einige Erfolgsgeschichten: So handelt es sich etwa beim Hamburger Biotech-Unternehmen Evotec um eine Ausgründung des Göttinger Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie. An der Spitze des Gründerteams: Der Nobelpreisträger Manfred Eigen sowie sechs weitere Wissenschaftler. Ähnlich sieht es bei der Wuppertaler Firma AiCuris aus, die sich auf die Erforschung und Entwicklung von Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten spezialisiert hat: Sie wurde 2006 als Spin-Off der Bayer AG von Helga Rübsamen-Schaeff und einem Team ehemaliger Mitarbeiter gegründet. Wie Eigen hat auch sie sich zunächst in der Wissenschaft einen Namen gemacht, bevor sie zur erfolgreichen Unternehmerin wurde. So erfolgreich, dass Sie für das erste, zusammen mit einer großen Pharmafirma zur Marktreife entwickelte Medíkament gegen bestimmte Viren 2018 den Deutschen Zukunftspreis vom Bundespräsidenten bekommen hat.

Ein weiteres Beispiel liefert CureVac: Gemeinsam mit seinen Doktorvätern Günther Jung und Hans-Georg Rammensee gründete der Biologe Ingmar Hoerr vor 20 Jahren in Tübingen das Unternehmen, das derzeit auch an einem RNA-basierten Corona-Impfstoff forscht. Und natürlich darf auch BioNTech in der Aufzählung nicht fehlen: Das Forscherehepaar Özlem Türeci und Ugur Sahin begann seine unternehmerische Karriere 2001 zunächst mit Ganymed, einer Ausgründung aus dem Uniklinikum Mainz, die 2016 an ein japanisches Pharmaunternehmen verkauft wurde. 2008 gründeten sie BioNTech – das Unternehmen, das mit Erfolgsmeldungen zur Entwicklung eines wirksamen Corona-Impfstoffes schlagartig weltweit bekannt wurde.

Aus dieser Deutschlandkarte geht hervor, an welchen Standorten Impfstoffe gegen das Coronavirus entwickelt und produziert werden.

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Die Forschung gemeinsam vorantreiben

Auch Forscher in Unternehmen machen bahnbrechende Entdeckungen, die gemeinsam mit der Wissenschaft zu innovativen Therapien weiterentwickelt werden. Das trifft zum Beispiel auf die beim Pharmakonzern Bayer tätigen Forscher Johannes-Peter Stasch und Reiner Frey zu, die gemeinsam mit Ardeschir Ghofrani von der Justus-von-Liebig-Universität Gießen für die Entwicklung eines Medikaments zur Behandlung des Lungenhochdrucks mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet wurden.

Zudem zeigt auch die Forschungsarbeit des Nobelpreisträgers Harald zur Hausen, dass Grundlagenforschung mit einem Partner die Medizin voranbringen kann: Seine wissenschaftliche Erkenntnis, dass Humane Papillomviren (HPV) Gebärmutterhalskrebs und einige weitere Krebsarten auslösen können, bildete die Grundlage für die Entwicklung von Impfstoffen durch mehrere Pharmafirmen. Und durch konsequente Impfprogramme sind inzwischen einige Länder auf gutem Weg, durch HPV verursachte Krebserkrankungen weitestgehend zu eliminieren.

Junger Forscher mit Schutzbrille inspiziert eine Laborprobe

Erfolgreicher Austausch – mit Luft nach oben

Dank eines Netzes von guten bis sehr guten Universitäten sowie einer Vielzahl außeruniversitärer Forschungseinrichtungen herrschen hierzulande allgemein gute Voraussetzungen für einen intensiven Austausch. Gleichwohl sieht vfa-Präsident Han Steutel noch Luft nach oben:

«

Wir haben hier in Deutschland eine sehr gute Grundlagenforschung, während wir die Umsetzung neuer Therapien oft anderen Ländern überlassen. Das lässt sich nur verbessern, wenn sich Universitäten mit kleinen und großen Unternehmen enger austauschen.»

Han Steutel

Dem Argument mancher Kritiker, dass engere Kooperationen zu Abhängigkeiten führen, hält er entgegen, dass Wirtschaft und Wissenschaft ohnehin voneinander abhängig seien – und zwar nicht durch Geld oder Macht, sondern durch die Größe der Probleme.

«

Das Verleugnen dieses Zusammenhangs macht professionelle Zusammenarbeit nur schwieriger – und genau diese werde ganz besonders in der aktuellen Pandemiesituation benötigt, um am schnellsten bei den dringend benötigten neuen Impfstoffen und Therapien voranzukommen»

Han Steutel

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Kooperationen mit der Wissenschaft sichern Spitzenstellung im Pharmabereich

Fest steht: Das enge Zusammenspiel von Pharmafirmen und Wissenschaft – auch z.B. bei den Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung - erweist sich als Erfolgsmodell: So lag Deutschland 2019 mit der Beteiligung an 554 Industrie-initiierten Arzneimittelstudien hinter den USA (2.378), China (634), Großbritannien (570), Spanien (558) und auf Rang fünf (Stand: 10. Dez. 2020).


Das zeigt, dass der Standort Deutschland in den letzten Jahren seine Position als Europameister und weltweite Nummer zwei bei der klinischen Forschung abgeben musste. Länder wie Frankreich und die Schweiz zeigen gerade im Bereich der Biotech-Start-ups Stärken, und zudem verschärft sich der Wettbewerb in der medizinischen Forschung durch neue Konkurrenten aus China, Singapur und Südkorea.

m4: Blaupause für erfolgreiche Cluster

Austausch braucht einen Ort oder wie man neudeutsch sagt: ein Cluster. Ein gutes Beispiel liefert das 2010 von Biotechnologie- und Pharmafirmen sowie Kliniken und wissenschaftlichen Instituten und der Clustermanagementgesellschaft BioM ins Leben gerufene Münchner Spitzencluster m4, das bis 2015 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde. Hier arbeiten internationale Pharmafirmen mit mehr als 130 kleinen und mittleren innovativen Unternehmen sowie Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammen. Ihr Ziel: Die Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen, um die Entwicklung personalisierter Medikamente und Therapien voranzubringen. Weitere größere Cluster gibt es z.B. im Rhein-Main-Gebiet und in Berlin.

Dank der Etablierung solcher Forschungs- und Biotech-Cluster mit medizinischen Schwerpunkten konnte Deutschland in den letzten Jahren ein Stück weit zu den USA und Großbritannien aufholen, wo Kooperationen zwischen Pharmaunternehmen und führenden Akademikern in der Grundlagenforschung zum Alltag gehören. Und das wiederum erhöht die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschlands in F&E-intensiven Bereichen – ein wichtiger Faktor in einem rohstoffarmen Land, in dem Wissen eine kostbare Ressource darstellt. Dies ist von gesamtgesellschaftlichem Nutzen und kommt in erster Linie den Patienten zugute, die schnelleren Zugang zu neuen Therapien erhalten, aber auch dem Wissenschafts- und dem Wirtschaftsstandort Deutschland.