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"Deutlich mehr wäre möglich"

Mehr als 200 klinische Studien hat allein AstraZeneca in Deutschland aktuell laufen. „Das Doppelte wäre möglich“, sagt Deutschland-Geschäftsführerin Alexandra Bishop – ein Potenzial, das durch Bürokratie und geringe Planungssicherheit verschenkt wird.

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Ärztinnen und Ärzte sowie Kliniken gewinnen durch klinische Studien umfangreiches Wissen und Erfahrung in neuen Behandlungsansätzen.»

Alexandra Bishop, Geschäftsführerin AstraZeneca Deutschland

Wie relevant ist der Standort Deutschland bei AstraZeneca für klinische Studien?

Alexandra Bishop ist die Geschäftsführerin von AstraZeneca DeutschlandDer Standort Deutschland hat für AstraZeneca bei klinischen Studien eine hohe Relevanz. Mit mehr als 200 Studien in 471 Zentren (Stand Ende 2022) sind wir Spitzenreiter in Deutschland. Klinische Studien machen neue Therapieoptionen für Patient:innen frühzeitig verfügbar. Gleichzeitig profitiert – neben Wirtschaft und Gesellschaft – das gesamte Gesundheitssystem davon, Vorreiter bei medizinischer Forschung und Innovation sein zu können. Aus diesen Gründen gibt es einen zunehmenden internationalen Wettbewerb um klinische Forschung. Deutschland verliert hier an Wettbewerbsfähigkeit. Mit weniger Bürokratie und standardisierten nationalen Prozessen, die eine höhere Geschwindigkeit ermöglichen, würden wir bei AstraZeneca noch mehr in klinische Studien in Deutschland investieren – das Doppelte wäre möglich. Dazu braucht es ein innovationsfreundliches Umfeld.

Welche Hürden bereiten speziell in Deutschland Probleme?

Es sind vor allem bürokratische Hürden. So ist es in Deutschland deutlich kleinteiliger, komplexer und zeitaufwändiger, klinische Studien zu starten und durchzuführen als in anderen Ländern. Ein Beispiel sind die vielfältigen und unterschiedlichen Anforderungen der mehr als 30 verschiedenen Ethikkommissionen (gegenüber einer nationalen Ethikkommissionsgenehmigung). Dadurch werden Genehmigungsverfahren oft unnötig in die Länge gezogen. Zudem sind die Genehmigungsbehörden häufig personell und digital unzureichend ausgestattet. Hier muss investiert und mit mehr Nachdruck agiert werden! Ein erster Schritt wäre zum Beispiel die durchgängige Nutzung elektronischer Signaturen bei der Antragstellung.

Wie viel Zeit kostet das? Ist ein Vergleich mit anderen Ländern (Spanien, UK) möglich?

Da gibt es einige ganz konkrete Beispiele. So gilt seit einem Jahr die European Union In Vitro Diagnostics Regulation (EU IVDR) zwar EU-weit, allerdings dauert allein dieses Verfahren in Deutschland etwa drei Monate länger als in den anderen Ländern. Dieser Zeitunterschied ist erheblich und macht Länder, die schneller sind, für klinische Studien attraktiver.

Speziell der deutsche Datenschutz und seine föderale Praxis werden kritisiert. Können Sie das an einem prägnanten Beispiel beschreiben?

Hier fehlen im Allgemeinen klare Standards. Dies gilt insbesondere für neue Tools wie Apps oder tragbare Devices, die Patient:innen unterstützen sowie wichtige Daten erfassen. Verschiedene Ethikkommissionen, bei denen wir unsere Anträge einreichen, haben häufig unterschiedliche Anforderungen und Auslegungen des Datenschutzes. So kommt es vor, dass die eine Ethikkommission eine Formulierung in einer Studie akzeptiert, während eine andere Änderungsauflagen macht. Dies führt zu erheblichen Verzögerungen.

Auch Ärzte klagen ja über Bürokratie: Warum sollen sie dann noch zusätzlich die Last klinischer Studien auf sich nehmen? Welchen Nutzen haben sie davon?

Der Haupttreiber ist das echte Interesse, sowohl bei Ärzt:innen als auch bei Kliniken in Deutschland an der Spitze der wissenschaftlichen Forschung und Innovation zu bleiben – zum Wohle der Patient:innen und um zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung beizutragen. Ärzt:innen und Kliniken gewinnen durch klinische Studien umfangreiches Wissen und Erfahrung in innovativen neuen Behandlungsansätzen, was den Wissensaustausch die Einführung moderner Gesundheitsversorgung auf breiterer Ebene beschleunigt. Zudem ermöglichen klinische Studien auch eine Verbesserung der Patient:innenversorgung durch frühen Zugang zu neuen Therapieoptionen.


Dieses Interview entstand in Kooperation mit der ÄrzteZeitung.