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„Mehr Verordnungssicherheit für Ärzte“

Prinzipiell bewährt und im Zeitablauf verbessert – die frühe Nutzenbewertung hat Ärzten aus Sicht der Deutschen Diabetes Gesellschaft den Ärzten mehr Therapiesicherheit gegeben.

Die frühe Nutzenbewertung stellt prinzipiell sicher, dass neue Medikamente frühzeitig für die Versorgung zur Verfügung stehen. Die Preisregulierung durch Erstattungsbeträge hat nach Einschätzung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zu einer besseren Verschreibungssicherheit der Ärzte geführt.

Das in der Anfangsphase der frühen Nutzenbewertung bestehende Problem, die späte Einbeziehung der medizinischen Fachgesellschaften unter anderem bei der Festlegung der zweckmäßigen Vergleichstherapie, sei inzwischen überwunden, so der Tübinger Diabetologe Professor Baptist Gallwitz von der DDG. Die nun praktizierte frühe Konsultation der Fachgesellschaften und Berufsverbände neben dem IQWiG habe zu einer stärkeren Berücksichtigung von Leitlinien und realer Versorgung geführt.

Nach wie vor intransparent sei aber der Entscheidungs- und Verhandlungsprozess nach der Entscheidung des Bundesausschusses über den Zusatznutzen zur Findung des Erstattungsbetrages. Wünschenswert, so Gallwitz, wäre eine Stellungnahmemöglichkeit bei einem Scheitern der Preisfindung zwischen Hersteller und GKV-Spitzenerband.

Problem für chronische Krankheit

Positive Auswirkungen auf die Verschreibungspraxis habe die frühe Nutzenbewertung dann, wenn sie dazu führe, dass nach Anerkennung eines deutlichen Zusatznutzens – wie etwa im Fall von Empagliflozin – auch die Wirtschaftlichkeit in Form einer Praxisbesonderheit anerkannt werde.

Ein grundlegender Webfehler des AMNOG sei allerdings, dass Arzneimittel gegen chronische Erkrankungen und zur Vermeidung schwerer Spätkomplikationen im Vergleich zu Arzneimitteln für den Einsatz bei Akutkrankheiten in einem systematischen Nachteil seien. Denn die Beeinflussung von Spätkomplikationen setze langfristige Beobachtungen und aufwendige Studien mit langer Dauer voraus.

Es gebe allerdings auch positive Entwicklungen, so Gallwitz: die Bereitschaft des Bundesausschusses, bei Vorliegen neuer Erkenntnisse ursprüngliche Entscheidungen zu korrigieren, aber auch die Tendenz bei Herstellern, bessere Studien aufzulegen, mit denen früher Erkenntnisse über den Einfluss auf Spätkomplikationen sichtbar gemacht werden.

Die Erfahrungen mit Opt-Out-Entscheidungen – zuletzt bei einem Basal-Insulin, für das kein Zusatznutzen anerkannt wurde, hätten dazu geführt, dass die Unternehmen besser für die frühe Nutzenbewertung aufgestellt seien und mit der Markteinführung so lange warten, bis sie einen Zusatznutzen nachweisen können. Gleichwohl bleibe das Problem bestehen, dass bei häufigen chronischen Krankheiten wie Diabetes oder auch COPD Surrogatparameter herangezogen werden, deren Aussagekraft nicht immer anerkannt werde.

Hoffnung auf Digitalisierung

Noch nicht ausreichend berücksichtigt sei die Lebensqualität bei der Versorgung von Diabetes-Patienten. Notwendig sei die Entwicklung krankheitsspezifischer Methoden zur Messung der Lebensqualität. Die DDG habe die Herausforderung angenommen, diabetesspezifische Instrumente mit zu entwickeln, die auch vom IQWiG anerkannt werden. Bis zur Praxisreife werde es noch wenige Jahre dauern.

Wesentlich sei dabei auch die Unterstützung von Patienten und Ärzten durch die Digitalisierung, zum Beispiel Apps, die ein einfaches, leicht zu dokumentierendes Therapiemonitoring ermöglichen. Gebraucht würden Instrumente, die verlässliche Daten beispielsweise zur Therapieadhärenz liefern. Ein Beispiel dafür sei die kontinuierliche Glukosemessung.

Völlig vernachlässigt werden die beträchtlichen sozioökonomischen Langzeitwirkungen, die von Diabetes verursacht werden: der Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit, Frühverrentung, höheres Risiko für Altersarmut und die steigende Inzidenz von Typ 2-Diabetes bei Menschen jüngeren und mittleren Alters. Eine Berücksichtigung dieser Aspekte sei wünschenswert, so Gallwitz.

Ein sehr wichtiges Projekt sei die Harmonisierung von HTA-Verfahren in der Europäischen Union. „Medizinische Erkenntnisse sind grenzüberschreitend gültig“, betont Gallwitz, „das nützt Patienten beim Zugang zu Arzneimittelinnovationen“. Fachgesellschaften, Arzneimittelkommission und IQWiG Konsens seien sich einig, dass mehr internationale Studien mit einheitlichen Standards und besserer Vergleichbarkeit neue Erkenntnisse liefern könnten.


Dieser Text entstand in Zusammenarbeit des vfa mit der ÄrzteZeitung.