Drucken
öffnen / schließen
Wenn Sie diese Felder durch einen Klick aktivieren, werden Informationen an Facebook, Twitter oder Google in die USA übertragen und unter Umständen auch dort gespeichert. Näheres erfahren Sie hier: https://www.heise.de/ct/artikel/2-Klicks-fuer-mehr-Datenschutz-1333879.html

Eine neue Gründerzeit

Unternehmensgründungen bahnen neuen Ideen den Weg in die Anwendung. Start-ups erweisen sich mit ihren Ideen und Produkten als Motor der Innovationsdynamik, die in entwickelten Volkswirtschaften neue Wertschöpfungsprozesse in Gang setzt. Dieser Geist beseelt die vielfältigen Kooperationen zwischen jungen Gründer:innen und etablierten Traditionsunternehmen. So entstehen nicht nur neue Arbeitsplätze, auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wird gestärkt.

Diesen Text können Sie auch als PDF-Download herunterladen.
Dieser Artikel ist Teil der Broschüre Pharma 2030. Die gesamte Publikation kann als PDF-Download gespeichert oder als Print-Version bestellt werden. Hier geht es zur Publikation.

Der vfa beachtet die im Gesetz unter § 5 genannten „Grundsätze integrer Interessenvertretung“.

Deutschland ist ein rohstoffarmes Land, dessen Wohlstand auf der innovativen Leistungsfähigkeit seiner Volkswirtschaft, mithin der deutschen Unternehmen gründet. Dabei kommt es auf die richtige Mischung aus sowohl Groß- und mittelständischen Unternehmen wie auch aus Traditionsbetrieben und Start-ups an. Die Unternehmenslandschaft hat sich in den letzten Jahren schrittweise verändert: Die nach inländischer Wertschöpfung bemessenen 50 größten Akteure waren zwar allesamt Traditionsunternehmen(1) – ihr Anteil an der gesamten Wertschöpfung ist in den letzten 20 Jahren aber stetig gesunken.

Gleichzeitig hat sich auch das Produktivitätswachstum der Unternehmen in Deutschland seit 2000 kontinuierlich abgeschwächt. Die Produktivitätsunterschiede sind hingegen in manchen Branchen wie der Chemie oder im Maschinenbau gestiegen; dagegen ist im Fahrzeugbau eine solche Zunahme an Produktivitätsunterschieden zwischen einzelnen Unternehmen nicht festzustellen.(2)

Parallel zur Abnahme des Produktivitätswachstums der deutschen Unternehmen ist eine Stagnation bei Unternehmensneugründen zu beobachten. Verzeichnete die Statistik für das Jahr 2000 noch 276 Neugründungen auf 10.000 Einwohner, fiel diese Gründerrate in den letzten zwei Jahrzehnten kontinuierlich: 2020 gab es nur noch 104 Existenzgründungen pro 10.000 Einwohner.(3) Für den Bereich der Biotechnologie ist ein solcher Rückgang der Neugründungen zwar nicht zu verzeichnen, doch auch in diesem Sektor bleibt die Zahl an Neugründungen seit Jahren hinter den Erwartungen zurück. Insgesamt beschreiben diese Daten das Bild einer zwar innovativen Volkswirtschaft, deren Unternehmen jedoch deutlich stärker auf inkrementelle und weniger auf disruptive Innovationen setzen.

Von der Forschung in die Gründung

Die Corona-Krise hat auf eindrückliche Art gezeigt, wie wichtig für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland ein Innovations-Ökosystem ist, das sowohl inkrementelle als auch disruptive Innovationen ermöglicht. Für eine Beschleunigung des dazu notwendigen Transfers von der Grundlagenforschung in die Anwendung erweisen sich neben der klinischen Forschung auch Unternehmensneugründungen als wichtiger Motor.(4)

Drei Forschende im Labor. Ein junger Mann schaut in ein Mikroskop. Eine junge Frau schaut ihm dabei über die Schulter. Im Hintergrund ist ein weiterer junger Mann zu sehen. Alle tragen Kittel.Dafür ist es wichtig, die für den Pharma-/BiotechBereich bedeutenden Disziplinen, zu denen neben Medizin- und Pharmazie auch technische und kaufmännische Fächer gehören, stärker als bisher auf den Transfer von Wissen in die Anwendung auszurichten. Gleichzeitig muss sich Deutschland im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe der Wissenschaft und insbesondere der anwendungsbezogenen Forschung gut positionieren.(5)

Während sich die enorme Leistungsfähigkeit des Innovationssystems in den USA der Verzahnung von akademischer Forschung und unternehmerischer Tätigkeit verdankt, hält man in Deutschland nach wie vor an der überlieferten Trennung von universitär verankerter Wissenschaft einerseits und dem Management eines Unternehmens andererseits fest. Durch die Bildung von Clustern (z. B. Saxocell, PROXIDrugs, Bioregionen, regionale Innovationscluster), durch neuartige Agenturen der Innovationsgenerierung (z. B. die SprinD) oder über eine überfällige Reform des universitären Dienstrechts kann und muss diese traditionelle Trennung zwischen Academia und Unternehmertum aufgehoben werden.

Von der Gründung in den Markt

Entwicklungen im Pharma-/Biotech-Bereich brauchen den sprichwörtlichen langen Atem, damit sie von der ersten Idee über die Phasen der präklinischen und klinischen Erprobung schließlich in die Anwendung gelangen. Auch deshalb sind gerade neugegründete Unternehmen auf Spezialist:innen und Fachkräfte angewiesen, die neben der medizinischen auch ingenieurtechnische, kaufmännische und juristische Expertise vorweisen können.

Nahaufnahme dreier Frauen in einer BesprechungssituatiionWer im globalisierten Wettbewerb um Talente bestehen will, braucht die notwendigen Anreize, um diese Fachkräfte entweder direkt aus einer deutschen Universität oder aber über den internationalen Arbeitsmarkt in die Unternehmen zu locken. Auch wenn es innovativen, talentierten Fachkräften nicht primär um rein finanzielle Motive geht, spielen ökonomische Anreize selbstverständlich eine wichtige Rolle. Daher muss Deutschland die Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Start-ups sowie die steuerlichen Rahmenbedingungen deutlich verbessern.

Gleichzeitig sind die politischen Entscheidungsträger:innen gut beraten, eine „missionsorientierte Innovationspolitik“ voranzutreiben(6) , mit der Leuchtturmprojekte stärker als bisher gefördert werden. Damit werden Gründer und ihre Unternehmen in die Lage versetzt, das Spektrum an Kooperationspartnern deutlich zu erweitern und die Stärken des Gründer-Standortes Deutschland stärker in den Vordergrund zu rücken. Im Rahmen dieser missionsorientierten Innovationspolitik wird auch die zentrale Rolle der pharmazeutischen und medizinischen Biotechnologie als „Zukunfts- und Schlüsseltechnologie“ deutlich, von der sowohl die Gesundheit im Sinne von Public Health als auch gesellschaftlicher Wohlstand gleichermaßen profitieren können.

Internationalisierung und Wachstum

Erfolgreiche Unternehmensgründungen stützen sich auf ein hoch innovatives akademisches Umfeld, in dem Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen eng zusammenarbeiten. Zugleich werden Unternehmensgründer zu internationalen Kooperationen und zum Unternehmenswachstum motiviert. Gerade bei Unternehmensgründungen im pharmazeutischen Bereich und in der medizinischen Biotechnologie ist die internationale Vernetzung ein zentraler Erfolgsfaktor, der in der Ausbildung von Gründern noch viel zu selten berücksichtigt wird. Dabei können Kooperationen mit internationalen Partnern zwecks Forschung und Entwicklung neuer Therapien, Wirkstoffe und Verfahren zentrale Impulse geben, sowohl im Hinblick auf eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung als auch den Transfer von medizinischer Forschung in die Anwendung.

Ebenso wichtig sind Unterstützung und Empowerment im Bereich der Lizenzierung von geistigem Eigentum, die Kommerzialisierung innovativer Entwicklungen oder der Einsatz von Vertrags-Standardklauseln, die jungen, aber auch etablierten Unternehmen die Kooperation mit der Wissenschaft erleichtern. Hierzu wurden bspw. sogenannte „Mustervertragsklauseln“ für klinische Studien entwickelt, die bislang noch viel zu selten genutzt werden.

Auch bei der Entwicklung von Inkubatoren und Technologietransfereinrichtungen hinkt Deutschland im Moment hinterher – auch wenn die forschenden Pharma-Unternehmen am Standort Deutschland in dieser Hinsicht bereits in Vor­leistung gegangen sind. Diese Inkubatoren, nach wie vor eher „Solitäre“ in Deutschlands Innovationslandschaft, werden zwar als Leuchttürme geschätzt, doch sie sind kein Ersatz für strukturelle Reformen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft.

Die forschenden Pharma-Unternehmen setzen daher auf Wachstum, auch und insbesondere mit Blick auf die Förderung von Deutschlands Gründerszene. Eine zentrale Rolle kommt dabei dem Förderprogramm EXIST zu, das um einen zu schaffenden „Zukunftsfonds“ sowie eine neu aufzulegenden High-Tech-Gründerfonds ergänzt werden muss, um der dynamischen Entwicklung nachdrücklich Schub zu verleihen. Die positiven Erfahrungen der Pharma- und Biotech-Branche seit 2020 sollten Ansporn genug sein, um aus Unternehmensgründungen heraus eine neue, strukturelle Qualität am Pharma- und Biotechstandort Deutschland zu entwickeln.

Quellen:

(1) Vgl. „Wettbewerb 2020“. XIII. Hauptgutachten der Monopolkommission, 2020, S. 80–81.

(2) Vgl. Abnehmendes Produktivitätswachstum – zunehmende Produktivitätsunterschiede, ZEW-Policy Brief Nr. 4/2018, insbesondere S. 3 u. S. 6.

(3) KfW Research: KfW-Gründungsmonitor 2021, Frankfurt/Main, 2021.

(4) Vgl. Wissenschaftsrat: Impulse aus der Covid-19-Krise. Positionspapier, 2021, S. 13–14.

(5) Siehe auch Folgekapitel „Attraktive Arbeitswelten “.

(6) EFI-Jahresgutachten 2021 – Kernthema B1, S. 38–52, online verfügbar.