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Patentschutz und Unterlagenschutz von Arzneimitteln

Forschung braucht Ideen, Infrastruktur, Zeit und Geld. Alles vier kommt nicht einfach so zusammen, sondern braucht Voraussetzungen. Eine solche Voraussetzung ist der Schutz von ausgereiften Ideen oder technisch gesagt: der Schutz geistigen Eigentums. Dieser spielt für alle Innovationsbranchen eine große Rolle und damit auch für die forschende Pharmaindustrie. Der Schutz des geistigen Eigentums gewährleistet, dass Produktforschung honoriert werden und schafft damit eine wesentliche Motivation, überhaupt in großem Stil zu forschen.

Zusammengesetzte grafik aus einem männlichen Oberkörper in schwarz-weiß ohne Kopf und einem gezeichneten Teil bestehend aus Wirrwarr als Kopfform und chemischen und mathematischen Zeichnungen. Dazu überlagern bunte Punkte den Kopf.

Pharmazeutische Innovationen werden im Wesentlichen durch Patentschutz und Unterlagenschutz zeitlich befristet vor Nachahmung geschützt, um so den Firmen Gelegenheit zu geben, ihren vorherigen enormen Forschungs- und Entwicklungsaufwand wieder zu amortisieren. Beide Schutzmechanismen wirken parallel und können vom Hersteller nicht taktisch addiert werden.

Patentschutz

Ein Patent ist ein gewerbliches Schutzrecht und dient als solches zum Schutz von Erfindungen. Patentschutz wird durch die entsprechende Behörde (für Deutschland: Deutsches Patent- und Markenamt, für Europa: Europäisches Patentamt) nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen in einer Urkunde erteilt. Die Laufzeit beträgt 20 Jahre ab dem Tag nach der Anmeldung.

Bei Arzneimittelwirkstoffen wird wegen der intensiven Wettbewerbssituation und der langen Erprobungszeit bereits viele Jahre vor der Markteinführung Patentschutz beantragt; danach beginnt die systematische Testung eines damit hergestellten Medikaments auf mögliche Schadwirkungen (mit Zellkulturen und Tieren) und auf medizinische Eignung (mit Freiwilligen), was durchschnittlich etwa 10 bis 12 Jahre dauert. Die zuständige Zulassungsbehörde benötigt ca. 1 Jahr, um über den Antrag auf Marktzulassung zu entscheiden. Sobald diese vorliegt, kann die wirtschaftliche Verwertung erfolgen, für die dann ca. 10 Jahre Rest-Patentlaufzeit verbleiben (diese Zeitspanne kann je nach Forschungs- und Entwicklungsvorlauf länger oder kürzer ausfallen).

Für Arzneimittel kann als Ausnahme zur regulären Patentlaufzeit unter bestimmten Umständen, insbesondere nach besonders aufwendigen Entwicklungs- und Zulassungsverfahren, auf Antrag ein ergänzendes Schutzzertifikat (SPC) erteilt werden, das die Patentlaufzeit als Ausgleich um maximal weitere fünf Jahre verlängert.

Unterlagenschutz

Beim Unterlagenschutz geht es darum, dem Inhaber einer Arzneimittelzulassung (dem Originalhersteller) einen Schutz vor Fremdnutzung seiner eigenen Studiendaten in Zulassungsanträgen von Generikaherstellern zu gewähren. Solange er gilt, darf ein Unternehmen, das die Zulassung für ein Generikum des betreffenden Originalmedikaments beantragt, zur Frage der Wirksamkeit und Verträglichkeit seines Medikaments nicht auf die Unterlagen des Originalherstellers mit dessen Ergebnissen der präklinischen und klinischen Untersuchungen berufen. Es müsste eigene Studienergebnisse mit einreichen; aber, weil die nötigen Studien zeitaufwendig und teuer sind, gehen Generikaunternehmen diesen Weg nicht.

Der Unterlagenschutz beträgt für alle Medikamente acht Jahre ab dem Tag der Zulassung. Darauf folgen weitere zwei Jahre Marktexklusivität, in denen Generikahersteller zwar unter Berufung auf die Unterlagen des Originalherstellers Zulassungen für ihre Nachahmerprodukte beantragen und auch erhalten können, jedoch mit der Pflicht, mit der Vermarktung bis zum Ablauf dieser Zeit zu warten. Schließlich kann die Marktexklusivität noch um ein weiteres Jahr verlängert werden, wenn ein neues Anwendungsgebiet für den Wirkstoff in den ersten acht Jahren zugelassen wird und hierfür im Zulassungsverfahren ein klinischer Zusatznutzen im Vergleich zu bestehenden Therapien bestätigt wird. Das wird als „8+2+1-Regel“ bezeichnet.

Unterlagenschutz ist dann wichtig, wenn für ein Medikament – etwa aufgrund einer sehr langen Zeit der Erprobung in klinischen Studien – zu Vermarkungsbeginn nur noch wenig effektive Laufzeit von Patenten oder SPCs bleibt; denn dann kommt es zu Jahren, in denen nur noch der Unterlagenschutz für die nötige Marktexklusivität für den Originalhersteller sorgt. Das ist immerhin bei einem Drittel der Medikamente in der EU der Fall.

Zusammenwirken von Patentschutz und Unterlagenschutz

Zusammen betrachtet sind Patent- und Unterlagenschutz rechtliche Schutzmechanismen, die unabhängig voneinander wirken. Das heißt, sie können parallel für ein Arzneimittel laufen, müssen aber zeitlich nicht hundertprozentig deckungsgleich sein. Auch sind jeweils andere mit der Wahrung der Schutzrechte befasst: Während Patentschutz ein gewerbliches Schutzrecht ist und im Verletzungsfalle vom Inhaber vor den Zivilgerichten durchgesetzt werden müsste, stellt Unterlagenschutz ein gesetzliches Verbot für die jeweils zuständige Arzneimittel-Zulassungsbehörde (European Medicines Agency, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Paul-Ehrlich-Institut) dar, es zu akzeptieren, dass ein Generika-Hersteller auf die Zulassungsunterlagen des Originalherstellers ohne dessen Einverständnis Bezug nimmt. Im Falle der Verletzung des Unterlagenschutzes müsste der Originalhersteller gegen die Zulassungsbehörde vor den Verwaltungsgerichten klagen.

Gemeinsam ist beiden Schutzmechanismen aber, dass während ihrer Laufzeit ohne Zustimmung des Originalherstellers ein Wettbewerb mit Produkten mit gleichem Wirkstoff nicht möglich ist. Aufgrund der langen Entwicklungsdauer und der massiven Entwicklungsrisiken sind beide Schutzmechanismen als Anreize für die Entwicklung neuer Medikamente von zentraler Bedeutung.

Zusammenwirken der verschiedenen Schutzmechanismen im Fall von Medikamenten mit einem langen Forschungs- und Entwicklungsvorlauf vor ihrer ersten EU-Zulassung


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Praktische Erfahrungen

In der Regel kann ein neues Arzneimittel durch die Schutzmechanismen Patentschutz und Unterlagenschutz in der EU mindestens zehn Jahre nach Inverkehrbringen alleine vermarktet werden. Dieser Zeitraum kann durch ein SPC auf maximal 15 Jahre verlängert werden, um eine Amortisation hoher Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen zu ermöglichen. In dieser Zeit findet ein direkter Wettbewerb nur mit Produkten mit anderen Wirkstoffen statt, wenn es solche für die betreffenden Anwendungsgebiete gibt.