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#MacroScopePharma 08/22

Der Economic Policy Brief des vfa



Gender-Pay-Gap: Lohnunterschiede werden allmählich kleiner


Frauen holen bei den Löhnen auf: Der Gender-Pay-Gap ist in den vergangenen Jahren kleiner geworden. Betrug der Unterschied zwischen den Gehältern von Männern und Frauen gesamtwirtschaftlich vor 15 Jahren noch mehr als 20 Prozent, liegt er heute bei 14,5 Prozent. Besonders stark ist das Lohnungleichgewicht in der pharmazeutischen Industrie zurückgegangen. Hier halbierte sich der Gender-Pay-Gap fast von gut 22 Prozent im Jahr 2007 auf zwölf Prozent. Abgesehen davon gilt: Frauen finden in der Pharmabranche zunehmend gute und entsprechend hoch entlohnte Tätigkeiten. Dies zeigt sich auch im steigenden Anteil der weiblichen Belegschaft.

Gender-Pay-Gap weiter beträchtlich, aber rückläufig

Immerhin signalisiert der Gender-Pay-Gap (3) Besserung. Die Lohnunterschiede sind gesamt-wirtschaftlich geringer geworden. In der Pharmaindustrie schlägt sich diese positive Entwicklung besonders deutlich nieder (Abbildung 1). Innerhalb der vergangenen 15 Jahre halbierte sich der Gender-Pay-Gap hier nahezu – die gesamtwirtschaftliche Lohnlücke sank von mehr als 20 Prozent auf derzeit knapp 14,5 Prozent.

Bei der Interpretation des (Gender-Pay-)Gaps ist zu berücksichtigen, dass darin zwei Faktoren zusammenfallen: einerseits eine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern in der Bezahlung bei gleicher Arbeit und andererseits Unterschiede in der Zusammensetzung der Belegschaften. So sind Frauen in der Regel seltener in besser bezahlten Leitungspositionen zu finden als Männer. In der Gesamtbetrachtung lassen sich diese Faktoren jedoch nicht klar voneinander unterscheiden.

In der pharmazeutischen Industrie ist ein gutes Drittel der Führungsebene weiblich (34 Prozent, vgl. Abbildung 2) – in der Industrie insgesamt ist es lediglich ein Achtel (13 Prozent). Diese Unterrepräsentierung von Frauen in leitenden Positionen kann ebenfalls Ergebnis einer Diskriminierung am Arbeitsmarkt sein – allerdings hat sich auch in diesem Fall in den vergangenen Jahren einiges zum Positiven entwickelt. (4)

Unterschiedliche Faktoren zu berücksichtigen

Um zu prüfen, ob der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" gelebt wird, müsste die jeweils gleiche Tätigkeit zum Vergleich herangezogen werden. Dies lässt die statistische Datenlage jedoch nur eingeschränkt zu. Studien, die mithilfe statistischer Modelle strukturelle Unterschiede zu einem guten Teil ausklammern, führen zwei Drittel des gesamtwirtschaftlichen Gender-Pay-Gaps darauf zurück, dass Frauen vermehrt in geringer entlohnten Berufen und Wirtschaftszweigen mit grundsätzlich niedrigerem Lohnniveau tätig und zudem innerhalb der Belegschaften in niedrigeren Leistungsgruppen beschäftigt sind. Insgesamt bleibt jedoch fast ein Drittel des durchschnittlichen Lohnunterschiedes, der sich nicht durch derartige Faktoren erklären lässt. (5)

Auch regionale Unterschiede und die Beschäftigungsart fallen ins Gewicht: So wird in Westdeutschland mit 27,90 Euro ein höherer Stundenlohn (6) erzielt als in Ostdeutschland - dort liegt er bei 21,55 Euro (vgl. auch Abbildung 3). Der Verdienstunterschied ist indes in den neuen Bundesländern deutlich geringer, dem Lohngefälle steht also ein Gefälle im Gender-Pay-Gap gegenüber.

Vollzeitbeschäftigte erhalten je Stunde im Durchschnitt fast ein Fünftel mehr Lohn als Teilzeitbeschäftigte. Frauen haben in den neuen Bundesländern einen um 1,7 Prozentpunkte höheren Anteil an der Belegschaft (mit 47,2 Prozent) und vier von fünf Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Schon rein rechnerisch führen diese relativ hohen Anteile zu einem höheren Gap in der Gesamtschau.

Die Berechnung dieses sogenannten „bereinigten“ Gender-Pay-Gaps basiert auf strukturellen Kennzahlen, die nur alle vier Jahre im Zuge der Verdienststrukturerhebung (7) erfasst werden. Darin enthalten sind beispielsweise Informationen über den höchsten formalen Bildungsabschluss oder die Berufserfahrung. Diese Informationen werden nicht nach Wirtschaftszwei-gen gegliedert erhoben. Jährlich und detailliert verfügbar sind hingegen Zahlen zum Verdienst nach Leistungsgruppen. Diese Gruppen erklären den größten Teil der Lohnspreizung. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes (8) klaffen zwischen der einkommensstärksten und der -schwächsten Gruppe die Löhne um knapp 60 Prozent auseinander.

Gender-Pay-Gap innerhalb der Leistungsgruppen deutlich geringer

Löhne von Frauen in der Pharmaindustrie selten übertroffen

Auch wenn es in der pharmazeutischen Industrie ein Gender-Pay-Gap gibt, sind die Löhne im Branchenvergleich in den allermeisten Fällen deutlich höher. Der gestiegene Anteil von Frauen in den Belegschaften der Branche spricht für insgesamt weit überdurchschnittliche Arbeitsbedingungen für Frauen.

Nur wenigen Branchen bieten vergleichbar hohe Gehälter. Dazu zählen die Wirtschaftszweige 19 (Raffinerien), 12 (Tabak), 29 (Kfz) und 15 (Le-der/Schuhe) (Abbildung 6). In den meisten Fällen liegen die Löhne in der Pharmabranche indes um einen zweistelligen Prozentwert höher und selbst bei den genannten Ausnahmen sind sie nur in einigen Leistungsgruppen niedriger: Weibliche Führungskräfte erhalten nur in zwei Branchen im Durchschnitt höhere Löhne. Dies gilt ebenfalls für herausgehobene Fachkräfte. Unter dem Strich zählt die Pharmaindustrie zu den Branchen mit den höchsten und am wenigsten diskriminierenden Löhnen.

Fazit

Nach wie vor sind die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen groß. Innerhalb der vergangenen 15 Jahre gab es allerdings Fortschritte, die den Gender-Pay-Gap deutlich reduziert haben. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit scheint erreichbar. Die Verdienstunterschiede speisen sich allerdings auch aus unterschiedlichen Karrierechancen von Männern und Frauen: So erklimmen Frauen seltener höhere Karrierestufen, was einen erheblichen Teil der gesamtwirtschaftlichen Lohnunterschiede erklärt.

Die Unterschiede zwischen den Branchen sind dabei beträchtlich. Beispielsweise in der pharmazeutischen Industrie ist der Gender-Pay-Gap deutlich geringer als in der Industrie insgesamt. Dies er-klärt sich auch durch die Tatsache, dass eine größere Zahl an Frauen in den höheren Leistungs-gruppen zu finden ist und dabei geringere Lohn-unterschiede in Kauf nehmen muss als in anderen Wirtschaftszweigen.

Ein Teil der Lohnunterschiede bleibt indes auch innerhalb der Leistungsgruppen, was mitunter auf Unterschiede in der Ausbildung oder der Berufserfahrung zurückzuführen sein könnte – vor allem aber Ausdruck einer nach wie vor strukturellen Ungleichbehandlung ist. Ungeachtet dessen haben sich die Lohnunterschiede in den vergangenen Jahren erheblich reduziert – entweder, weil sich Löhne für gleiche Arbeit angeglichen haben, oder, weil mehr und mehr hochqualifizierte Frauen eine entsprechende Tätigkeit in der Pharmabranche aufnehmen.

Abgesehen von der Frage der Gerechtigkeit wird man es sich gesamtwirtschaftlich dauerhaft nicht leisten können, auf Frauen in Führungspositionen im Besonderen und in den Belegschaften allgemein zu verzichten. Wichtige Voraussetzung für eine stärkere Beteiligung von Frauen am Erwerbs-leben ist allerdings, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer und Frauen verbessert und damit auch partnerschaftliche Pflegearbeit erleichtert wird.

Als Anreiz eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen ist die Entlohnung ebenfalls zentral. Entsprechend ist es notwendig, gleiche Löhne bei gleicher Arbeit als eigentlich selbstverständliches Prinzip weiter zu etablieren und zu leben, auch um das gesamtwirtschaftliche Produktionspotenzial zu stärken.

Fußnoten:

(1) Bachmann, R., Jäger, P., & Jessen, R. (2021). A Split Decision: Welche Auswirkungen hätte die Abschaffung des Ehegattensplittings auf das Arbeitsangebot und die Einkommensverteilung?. Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 70(2), 105-131. Bach, S., P. Haan und K. Wrohlich (2022): Abschaffung der Lohnsteuerklasse V sinnvoll, ersetzt aber keine Reform des Ehegattensplittings. DIW Wochenbericht 2022/10, online verfügbar.

(2) Schmieder, J. und K. Wrohlich (2021): Gender Pay Gap im europäischen Vergleich: Positiver Zusammenhang zwischen Frauenerwerbsquote und Lohnlücke. DIW Wochenbericht 2021/9, online verfügbar.

(3) Der Gender-Pay-Gap misst, um wieviel Prozent sich der durchschnittliche Bruttostundenverdienst (ohne Sonderzahlungen) von Frauen von demjenigen von Männern (bezogen auf deren Verdienst) unterscheidet. Für internationale Vergleiche werden ArbeitnehmerInnen des Produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungsbereichs ohne die Bereiche Öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung (Wirtschaftszweige B bis S ohne O) einbezogen - außen vor sind zudem Bedienstete in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft.

(4) Kirsch, A., V. Sondergeld und K. Wrohlich (2022): Manage-rinnen-Barometer 2022. Immer noch Männerdomänen, aber: Endlich tut sich etwas in den Vorständen großer Unternehmen. DIW Wochenbericht 2022/3, online verfügbar.

(5) Mischler, F. (2021). Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen: Eine Ursachenanalyse auf Grundlage der Verdienststrukturerhebung 2018. WISTA 4/2021, Statistisches Bundesamt, online verfügbar.

(6) Dies ist der durchschnittliche Verdienst für Vollzeitbeschäftigte im Produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich; für Teilzeitbeschäftigte liegt er bei 22,35 (West) bzw. 18,95 Euro (Ost).

(7) Verdienststrukturerhebung 2018 (2020), Fachserie 16 Heft 1, Stand 6.10.20. Statistisches Bundesamt, online verfügbar.

(8) Mischler, ebd.

Autor:

Dr. Claus Michelsen
Geschäftsführer Wirtschaftspolitik
Dr. Claus Michelsen

Telefon 030 20604-120

c.michelsen@vfa.de

Pressekontakt:

Henrik Jeimke-Karge
Pressesprecher Wirtschaftspolitik
Henrik Jeimke-Karge

Telefon 030 20604-205

h.jeimke-karge@vfa.de