Die pharmazeutische Industrie – was braucht sie, um einen Beitrag zu leisten?
EU HTA
In einer sich verändernden globalen Welt ist Europa gut beraten, mit starker und einheitlicher Stimme zu sprechen. Dazu gehört das gemeinsame Verständnis, dass europäisches Wirken in bestimmten Bereichen mehr erreichen kann als jeder einzelne Mitgliedstaat. Die Zusammenarbeit von nationalen Behörden würde dieses Prinzip mit Leben füllen. Ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Bewertung der Evidenz scheint eine logische Konsequenz zu sein, da dies dazu beitragen wird, effiziente Prozesse zu strukturieren, die jeweiligen Fähigkeiten, Ressourcen und Erfahrungen für die besten Standards zu bündeln, mit einem Ergebnis, das allen zugute kommt.
Ein europäischer Ansatz für gemeinsame klinische Bewertungen – wie von der Europäischen Kommission im Januar 2018 vorgeschlagen – würde nicht nur nationale Stärken kombinieren, sondern auch die Forderungen der Unternehmen nach einem vorhersehbaren und harmonisierten Bewertungsprozess auf EU-Ebene berücksichtigen. Darüber hinaus bieten Mitgliedstaaten mit bereits gut etablierten HTA-Systemen eine solide Grundlage, auf der man aufbauen und die gemeinsame Entwicklung gemeinsamer europäischer Standards für qualitativ hochwertiges HTA fortsetzen kann. Der Erfolg der EMA zeigt, wie nützlich eine solche Zusammenarbeit sein kann.
Die forschenden Pharmaunternehmen unterstützen daher:
- Die Harmonisierung der technischen Bewertung der klinischen Evidenz zur Verbesserung von nationalen Entscheidungen im Gesundheitswesen;
- Klare Verantwortlichkeiten: EU-weite gemeinsame klinische Bewertungen haben keinen Einfluss auf nationale Entscheidungen über den Zusatznutzen, die Preis- und Erstattungsverhandlungen.
- Eine frühzeitig gute wissenschaftliche Zusammenarbeit führt zu verlässlichen und starken Studienergebnissen.
Patentschutz
Unternehmen brauchen Vertrauen in bestmögliche Rahmenbedingungen für Investitionen in Fortschritt, also in Forschung und Entwicklung. Der Patentschutz für die forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland und Europa ist essentiell. So sind Patenschutzeinschränkungen auf europäischer Ebene aus unserer Sicht ein Signal, dass geistiges Eigentum nicht mehr als ein schützenswertes Gut angesehen wird und Europa im globalen Wettbewerb an Attraktivität für Investitionen verliert. Ein klares Bekenntnis zum Patentschutz für innovative Arzneimittel in der Diskussion um eine europäische zukunftsfähige Industrie- und Arzneimittelstrategie ist dringend geboten. Der vfa begrüßt daher, dass die europäischen Mittgliedstaaten sich in den Schlussfolgerungen des Rates zur Politik des geistigen Eigentums zu einem starken, effizienten, transparenten und ausgewogenen System für den Schutz von geistigem Eigentum bekennen.
Orphan Drugs
Die in der „Verordnung über Arzneimittel für seltene Leiden“ (Orphan-Gesetzgebung)angelegten Anreiz- und Patenschutzinstrumente haben dazu beigetragen, dass mehr als 160 Arzneimittel zur Behandlung von Seltenen Erkrankungen durch die seit dem Jahr 2000 geltende Verordnung entwickelt wurden. Trotz dieser bedeutenden Fortschritte sind 95% der seltenen Erkrankungen noch ohne Behandlungsoption. In Deutschland stehen die Therapien den Patientinnen und Patienten zur Verfügung. In anderen europäischen Mitgliedsländern ist dies leider – aus unterschiedlichen Gründen – nicht der Fall. Selbstverständlich braucht es gemeinsam gedachte Lösungen, auch hier den Patientinnen und Patienten die Arzneimittel verfügbar zu machen. Einschnitte und Veränderungen bei den Anreiz- und Patentschutzinstrumenten in der Orphan-Gesetzgebung werden allerdings nicht den Zugang verbessern, sondern dazu führen, dass es weniger Entwicklung bei Arzneimitteln für Seltene Erkrankungen in Europa geben wird – mit der Auswirkung, dass dann auch weniger Optionen zur Behandlung in Deutschland zur Verfügung stehen. Deswegen spricht sich der vfa für die Beibehaltung der bestehenden Anreizsysteme für Orphan Drugs aus.
Orphan Drugs: Medikamente gegen seltene Krankheiten
European Health Data Space
Im letzten Quartal 2021 wird ein Vorschlag der Europäischen Kommission zu einem European Health Data Space (EDHS) erwartet. Ziel ist es, das Potenzial von Daten in einem gemeinsamen Datenraum aller EU-Staaten zu nutzen, um medizinische Innovationen zu entwickeln und die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern.
Europäische Datennetzwerke sind sinnvoll in Bereichen wie Forschung und Entwicklung, Therapien, Kommunikation und Information von Patienten und den weiteren Gesundheitsakteuren.
Dies kann nur gelingen, wenn sowohl der öffentliche als auch der private Sektor berechtigt sind, diese Daten (anonymisiert und pseudonymisiert) zu nutzen, und somit zusammen an zukunftsfähigen Lösungen für unsere Gesundheitsversorgung zu arbeiten.
Ein EHDS muss für die Industrie folgende Ansprüche erfüllen:
- Einrichtung einer Governancestruktur für den Gesundheitsdatenraum;
- Definition von Datenqualitäts- und Interoperabilitätsstandards;
- Bereitstellung von Ressourcen, um sowohl die Datenkonsumenten als auch die Datenproduzenten mit den erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen auszustatten, um ihre Daten zu verstehen und sie angemessen zu verwalten.
- Lehren aus den zahlreichen Pilotprojekten für digitale Gesundheitsdaten in den Mitgliedsstaaten oder Therapiegebieten ziehen, um ein nachhaltiges Ökosystem der Nutzung von Gesundheitsdaten aufzubauen.