Gewässerschutz
Mit empfindlichen Analysegeräten werden Spuren einiger Arzneistoffe in Gewässern gefunden. Das sagt noch nicht, ob das ein Risiko für Mensch und Umwelt bedeutet. Im Sinne der Vorsorge ist es aber angebracht, den vermeidbaren Eintrag von Arzneistoffen ins Wasser zu reduzieren, ohne den Einsatz von Medikamenten im Bedarfsfall zu behindern. Die Erweiterung der Klärtechnik in Deutschland kann ebenfalls beitragen, Arzneistoffe von Gewässern fernzuhalten.

Mit neuester Klärtechnik können auch Spurenstoffe weitgehend aus dem Abwasser entfernt werden
Kompakt
- Unter den Stoffen, die in Spuren in Gewässern gefunden werden, sind Wasch- und Pflanzenschutzmittel, Arzneistoffe und andere Chemikalien aus landwirtschaftlichem wie privatem Gebrauch. Die Arzneistoffe sind aber viel zu verdünnt, um eine Wirkung bei Menschen hervorzurufen, und zeigen auch nur selten Auswirkungen auf die Umwelt.
- Forschende Pharma-Unternehmen sorgen dafür, dass die Abwässer aus ihren Arzneimittelfabriken gereinigt sind, so dass sie die Umwelt nicht gefährden.
- Medikamente gehören zu den Grundbedürfnissen der Bevölkerung. Deshalb ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ins Abwasser gelangte Arzneistoffe wieder daraus zu entfernen, wenn sie Probleme verursachen.
- Unverbrauchte Medikamente dürfen nicht über Toilette oder Waschbecken entsorgt werden. Sie sollten dem Hausmüll beigefügt oder in die Apotheke zurückgebracht werden.
- Im Rahmen des Spurenstoff-Dialogs der Bundesregierung wirkt der vfa mit dem VCI und anderen Pharma-Verbänden an Verbesserungsmaßnahmen mit.
Spurenstoffe in Gewässern
Sauberes Wasser ist wichtig für die Erhaltung der Ökosysteme und die Gesunderhaltung der Menschen, die die Gewässer nutzen. Deshalb ist Gewässerschutz eine wichtige Aufgabe.
In vielen Fällen hat es erst die Verfeinerung der Analyse-Techniken in den letzten Jahren ermöglich, bestimmte Spurenstoffe in Wasserproben aus der Umwelt nachzuweisen. Arzneistoffe sind darunter, aber auch Substanzen aus Textilien, Kosmetika, Waschmitteln, Sonnenschutz-, Pflanzenschutz- und Lebensmitteln. Oftmals ist deren Herkunft nicht eindeutig festzustellen; sie könnten aus verschiedenen Quellen stammen.
Im Fall von Arzneistoffen liegen die gefundenen Mengen fast immer unterhalb von 1 Mikrogramm pro Liter. Das entspricht einem Zuckerwürfel im Wasser eines Wettkampf-Schwimmbeckens (2,5 Millionen Liter). Solche Konzentrationen sind meist unterhalb eines Millionstels der für den Menschen wirksamen Dosis.
Zudem wird seit 1995 bei Zulassungsverfahren für Humanarzneimittel das Umweltrisiko bewertet. Deshalb weiß man, dass nur ein kleiner Teil der Arzneistoffe überhaupt Auswirkungen auf die Umwelt haben könnte. Wenn ein potenzielles Umweltrisiko erkannt wird, wird mit geeigneten Maßnahmen reagiert. So entwickelte beispielsweise ein Hersteller ein Rücknahmesystem für gebrauchte Hormonpflaster.
Zu älteren Arzneistoffen werden derzeit auf EU-Ebene ebenfalls Daten gesammelt und ausgewertet – im Rahmen der Eco-Pharmaco-Stewardship-Initiative. Der vfa und seine Mitgliedsfirmen wirken daran mit.
Wie Arzneistoffe ins Wasser gelangen
Arzneistoffe können auf folgenden Wegen in Gewässer gelangen:
- durch Ausscheidungen von medikamentös behandelten Menschen. Diese gelangen über das Abwasser in konventionelle Kläranlagen, die aber nur einen Teil entfernen können;
- durch unsachgemäße Entsorgung nicht mehr benötigter Arzneimittel über Waschbecken/Toilette;
- durch Ausscheidungen von medikamentös behandelten Nutztieren.
Kampagne des Bundesministeriums für Umwelt zur richtigen Medikamentenentsorgung (2020)Als weiterer Weg kommt theoretisch in Betracht, dass Arzneistoffe mit dem Abwasser von Produktionsanlagen für Medikamente in Gewässer gelangen. Pharma-Unternehmen setzen jedoch aufwendige Technik ein, damit auf diesem Wege keine Arzneistoffe ins Wasser gelangen.
Maßnahmen forschender Pharma-Unternehmen
Forschende Pharma-Unternehmen arbeiten in vier Feldern darauf hin, den Spurenstoff-Eintrag in Gewässer zu minimieren:
- Sie sorgen für eine umweltgerechte Arzneimittelproduktion in Deutschland. Deshalb setzen sie nach Möglichkeit Produktionstechniken ein, die ohne Wasser auskommen, oder verbrennen ihre Abwässer. Die erheblichen Kosten dafür übernehmen sie selbst und überlassen die Reinigung nicht kommunalen Kläranlagen.
- Sie unterstützen Kommunen dabei, die Bevölkerung über die richtige Entsorgung (über den Hausmüll, nicht über Waschbecken oder Toilette) aufzuklären (#medsdisposal). Mehr dazu im Textkasten „Selbst zum Gewässerschutz beitragen“.
- Viele ihrer in den letzten Jahren entwickelten Medikamente sind Biopharmazeutika: Diese haben Protein-basierte Wirkstoffe, die gut biologisch abbaubar sind. Dazu zählen neben den Original-Biopharmazeutika auch die Biosimilars. Beispiele für Biopharmazeutika sind Mittel mit monoklonalen Antikörpern oder Enzymen, die zur Behandlung von Patient:innen mit Entzündungskrankheiten, Krebserkrankungen oder angeborenen Stoffwechselkrankheiten eingesetzt werden.
- Der vfa beteiligt sich wie der Verband der Chemischen Industrie und alle anderen Pharmaverbände seit 2016 am Stakeholder-Dialog zur Spurenstoff-Strategie der Bundesregierung (s.u.). In dieser Initiative wurden von Experten von Wasserwirtschaft, Kommunen, Bundesländern, Zivilgesellschaft, Industrie und Anwendern Maßnahmen-Vorschläge erarbeitet und im März 2019 dem Bundesministerium für Umwelt übergeben. Die Maßnahmen für Arzneistoffe zielen darauf ab, den Spurenstoffeintrag zu vermindern und gleichzeitig zu gewährleisten, dass Patienten weiterhin die für sie am besten geeigneten Mittel zur Verfügung haben.
Lassen sich Arzneistoffe nachträglich abbaubarer machen?
Versuche, zugelassene Wirkstoffe durch chemische Abwandlung in ihrer Abbaubarkeit zu verbessern, führten bisher stets zu einer erheblichen Minderung ihrer Wirksamkeit. Vermutlich werden die veränderten Stoffe im Körper so leicht abgebaut, dass sie zu wenig Zeit haben, zu wirken. Patienten benötigen aber die am besten wirksamen und verträglichen Medikamente, die sich entwickeln lassen. Niemandem ist mit schlechteren Medikamenten gedient, nur weil diese weniger Kläraufwand erfordern.
Die geplante Änderung der EU-Abwasser-Richtlinie und die Haltung des vfa
Die forschende Pharmaindustrie begrüßt grundsätzlich Maßnahmen zur Verringerung schädlicher Mikroverunreinigungen in der Umwelt und hat schon vielfach daran mit-gewirkt. Nun ist geplant, alle kommunalen Kläranlagen – soweit noch nicht geschehen – um eine 4. Reinigungsstufe zu erweitern, die einen Teil dieser Verunreinigungen entfernen kann. Die Kosten für Einrichtung und Betrieb der 4. Reinigungsstufe werden bislang von den Kommunen getragen. Ein in Finalisierung befindlicher Entwurf einer Neufassung der EU-Abwasser-Richtlinie („Urban Waste Water Treatment Directive“) sieht jedoch vor, dass künftig 80 bis 100 % dieser Kosten von zwei der vielen Industriebranchen, aus deren Produkten Mikroschadstoffe im Abwasser stammen, getragen werden müssen: konkret von den Herstellern von Humanarzneimitteln und Kosmetika.
Selbst zum Gewässerschutz beitragen
Jeder und jede kann etwas dafür tun, die Menge an Arzneistoffen in der Umwelt zu minimieren. Wichtig dafür: Medikamente – auch flüssige – nicht über Toilette oder Waschbecken entsorgen, sondern über den Hausmüll! Denn der wird verbrannt. Ausnahme: Einige besondere Medikamente (darunter Zytostatika-Tabletten für die Krebstherapie) müssen anders entsorgt werden – wie, steht in der Packungsbeilage. Zur Minimierung der Arzneistoffe in der Umwelt trägt auch eine gesundheitsbewusste Lebensweise bei, ebenso wie Impfungen, durch die weniger Antibiotika oder Virenmittel benötigt werden.
Der vfa sieht durch die Verengung auf nur zwei Branchen den im EU-Recht verankerten Gleichheitsgrundsatz verletzt. Gleichzeitig wird das zu den wichtigsten Grundsätzen des EU-Umweltrechts gehörende Verursacherprinzip weitgehend missachtet, denn nicht die Hersteller verunreinigen das Wasser.
Auch hält es der vfa für praktisch unmöglich, aus den allgemein gehaltenen Vorgaben der Richtlinie eine rechtssichere Kostenaufteilung auf einzelne Unternehmen der gewählten Branchen abzuleiten. Unter anderem steht dem im Wege, dass es bei vielen Mikroschadstoffen nicht eindeutig ist, aus welchen Produkten sie stammen.
Schließlich konterkariert die EU mit ihrem Vorgehen zwei ihrer Ziele: Das Ziel einer besseren Arzneimittelversorgung der Bürger:innen und das einer Ausweitung der EU-eigenen Produktion. Denn auf die neue Belastung müssten die Unternehmen reagieren.
In der vorliegenden Form hält der vfa daher die geplante Richtlinie für schädlich und ihre Implementierung in nationales Recht für höchst problematisch.
Für Gespräche über eine Lösung auf europäischer und nationaler Ebene steht der vfa bereit.