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Gemeinsam für Gesundheit und Entwicklung

Weitere Förderinstrumente für Pharmaforschung zu Malaria, Tuberkulose und tropischen Armutskrankheiten

Neben der Gründung von Public-Private Partnerships, die bereits erläutert wurden, sind in den letzten Jahren noch eine Reihe weiterer Instrumente vorgeschlagen worden, um die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente gegen Krankheiten zu fördern, die vor allem Entwicklungsländer betreffen. Zwei davon sind bereits zum Einsatz gekommen, die übrigen werden immer wieder diskutiert.

Advance Market Commitments
Ein solches Förderinstrument sind advance market commitments(AMCs), zu deutsch "vorgezogene Marktverpflichtungen". Hierbei sagt eine Regierung, eine Hilfsorganisation oder eine andere Institution verbindlich zu, regelmäßig oder einmalig ein definiertes Kontingent eines noch zu entwickelnden Impfstoffs oder anderen Medikaments zu kaufen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Die Bedingungen können beispielsweise im Fall eines Impfstoffs sein, dass damit mehr als 80 Prozent aller Geimpften in einer bestimmten Region wirksam geschützt werden können und die Einzeldosis nicht mehr als 1 US-Dollar kostet.
Durch eine solche vorgezogene Marktverpflichtung wird quasi aus dem Nichts ein Absatzmarkt geschaffen, für den sich dann mehrere Unternehmen interessieren und entsprechende Projekte auflegen können.
Erstmalig wurde eine solche vorgezogene Marktverpflichtung 2007 von Italien, Kanada, Norwegen, Russland und Großbritannien für einen Impfstoff abgegeben, der speziell vor in Afrika verbreiteten Stämmen von Pneumokokken - sie verursachen u.a. Lungenentzündung - schützt. Ein Unternehmen ist dabei, einen solchen Impfstoff zu entwickeln. Weitere solche Marktverpflichtungen sind im Gespräch.

Der vfa bewertet AMCs positiv, denn sie schaffen für Unternehmen eine verlässliche Kalkulationsbasis. Werden die Konditionen sinnvoll gewählt, können AMCs auch mehrere parallele Entwicklungsprojekte anstoßen. Dies steigert die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich in absehbarer Zeit mindestens ein Präparat verfügbar wird. Für den Sponsor haben AMCs den Vorteil, dass nur bezahlt werden muss, wenn es ein taugliches Produkt gibt. Ein großer Vorteil – etwa im Vergleich zu prize funds (siehe unten) – besteht auch darin, dass schon frühzeitig Entscheidungen über die Verwendung des neuen Präparats getroffen werden müssen, etwa zu Fragen wie: Wo soll das neue Präparat zuerst eingesetzt werden? Welche Mengen werden benötigt und welche Eigenschaften für den spezifischen Einsatzort und -zweck müssen erfüllt werden?

Priority Review Vouchers
Seit September 2007 bieten die USA einen neuartigen Anreiz für Medikamente gegen "neglected diseases": Entwickelt ein Unternehmen ein solches Präparat und wird es zugelassen, erhält es dafür das Privileg, dass sein Zulassungsantrag für ein anderes Präparat bei der amerikanischen Zulassungsstelle FDA mit Priorität und damit schneller bearbeitet wird; allerdings muss das Unternehmen die zusätzlichen Kosten dafür selbst übernehmen. Dennoch kann es für das Unternehmen ökonomisch von großem Wert sein, das Präparat einige Monate eher auf den Markt zu bringen. Es kann dieses Privileg, transferable priority review voucher genannt, sogar wie einen Gutschein einem anderen Unternehmen weiterverkaufen. In Europa gibt es bislang nichts, was damit vergleichbar wäre. Bislang wurde noch kein priority review voucher beantragt; allerdings liegen derzeit auch die Ausführungsbestimmungen bei der FDA noch nicht vor.

Der vfa geht davon aus, dass so ein Instrument dazu beitragen kann, ein Projekt für ein Medikament für Entwicklungsländer anzustiften, dass es aber allein eine solche Entscheidung nicht ermöglicht. Denn dann müsste ein Unternehmen doch vollständig alleine für mehr als ein Jahrzehnt in Vorleistung gehen, ohne zu wissen, welchen Wert der Voucher danach haben wird und ob die Gesetzgebung ihn bis dahin nicht wieder abgeschafft hat.

Prize Funds
Als Förderinstrument propagiert werden auch Prize Funds. Bei diesen sollen einige 100 Millionen US-Dollar für dasjenige Unternehmen ausgelobt werden, das ein Medikament gegen eine bestimmte vernachlässigte Krankheit entwickelt. Das Unternehmen, das es zuerst schafft, streicht das Preisgeld ein, muss aber im Gegenzug auf Patente an seinem Präparat verzichten. Generika-Hersteller sollen dann die Herstellung und Belieferung von Hilfsorganisationen übernehmen. Varianten dieses Modells sehen vor, dass nicht nur dem ersten im Ziel, sondern auch nachfolgenden Unternehmen noch abgestufte Preisgelder ausbezahlt werden. Prize Funds haben in einigen Gebieten technische Entwicklungen gefördert, z.B. in der Weltraumtechnik. Für die Arzneimittelentwicklung sind sie noch unerprobt.

Der vfa bewertet Prize Funds skeptisch. Zum einen ist zu bezweifeln, dass Prize Funds überhaupt mit ausreichenden Mitteln zustande kommen können. Solche Mittel müssten in dreistelliger Millionenhöhe liegen; so viel kostet eine Arzneimittelneuentwicklung. Zum zweiten besteht nur dann eine realistische Chance auf ein neues zugelassenes Präparat in absehbarer Zeit, wenn mehrere Unternehmen parallel ihre Entwicklungen vorantreiben. Dies würde durch Prize Funds aber geradezu verhindert: Sobald ein Unternehmen den Eindruck gewinnt, dass das Präparat eines anderen bessere Chancen auf den „Zieleinlauf“ hat, wird es seine eigene Entwicklung sofort stoppen. Scheitert dann das vermeintlich aussichtsreichere Präparat kurz vor der Zulassung, kann die Entwicklung des ersten erst mit Zeitverzögerung wieder aufgenommen werden. Andere Förderinstrumente wie Public-Private Partnerships und AMCs können hingegen Parallelforschung fördern.

R&D Treaty
Vorgeschlagen wurde auch ein R&D Treaty, ein zwischenstaatliches Abkommen zur Arzneimittelentwicklung. Nach dem Vorbild des Kyoto-Abkommens zum Klimaschutz sollen sich dabei Staaten einem Vertrag anschließen, in dem sie sich verpflichten, einen bestimmten Prozentsatz ihres Bruttoinlandsprodukts für öffentliche Pharmaforschung bereitzustellen. Staaten, die Forschung zu vernachlässigten Krankheiten betrieben oder Technologietransfer in Entwicklungsländer leisteten, könnten sich diese auf ihre daraus resultierenden Verpflichtungen anrechnen lassen. Länder, die ihren Verpflichtungen nachkämen, bräuchten darüber hinaus bestimmte internationale Verpflichtungen, etwa das Anerkennen bestimmter Patente, nicht mehr einzuhalten.

Der vfa hält diesen Vorschlag für völlig ungeeignet. Prioritäten in der Forschungsförderung sind immer wieder politischen Erwägungen unterworfen, sodass keine Projektkontinuität erzielt werden könnte. Ein „Freikaufen“ vom Respektieren von Patenten ist auch nicht geeignet, Innovationen jeglicher Art zu befördern.

Fazit: Gemeinsam für Gesundheit und Entwicklung
Die forschenden Pharma-Unternehmen haben die Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Überwindung ihrer Gesundheitsprobleme als Aufgabe begriffen und kommen ihr durch Versorgungsprogramme und zunehmend auch in der Pharmaforschung nach. Das Brechen von Patenten für Originalpräparate hat bisher noch in keinem Fall ein Gesundheitsproblem gelöst. Patente zu achten, eröffnet hingegen einem Entwicklungs- oder Schwellenland die Möglichkeit, an den eigenen Gesundheitsproblemen kooperativ unter Einbeziehen internationalen Know-hows zu arbeiten, wie das in Botsuana gelungen ist. Die Regierungen der Entwicklungs- und Schwellenländer und auch der Länder, die sich für sie einsetzen, erreichen mehr, wenn sie die Kompetenzen der forschenden Pharmaunternehmen künftig noch stärker in ihre nationalen Gesundheitsprogramme einbeziehen. Die Arzneimittelhersteller haben mehr zu bieten als rabattierte Medikamente und Arzneimittelinnovation. Sie bieten Erfahrung in der Logistik und Bedarfsplanung und beim Kampf gegen Arzneimittelfälschungen an; sie haben Labors und Know-how, was im geeigneten Rahmen auch für neue Tropenmedikamente verfügbar werden kann; und sie können dabei helfen, vor Ort dringend benötigtes Fachpersonal auszubilden. Vor allem könnte den Kranken Afrikas und anderer schwach entwickelter Regionen durch entschlossenen Aufbau von Gesundheitsinfrastruktur geholfen werden. Denn was nützen Medikamente, wenn es vor Ort weder Ärzte noch Apotheken gibt?