Ausgaben für Arzneimittel
Aktuell wird diskutiert, wie sich im Gesundheitswesen Einsparungen erreichen lassen. Politik und Krankenkassen beabsichtigen, diese Einsparungen in erster Linie bei Medikamenten vorzunehmen. Gesetzgeberische Entscheidungen sollten sich auf Fakten stützen. Hier einige Fakten zu Preisen und Ausgaben für Medikamente in Deutschland.
Europäische Arzneimittelpreise im Vergleich: Deutschland im Mittelfeld
Die Preise für Medikamente sind in den Ländern der EU nicht einheitlich. Schon allein die äußerst unterschiedlichen Vertriebswege und Mehrwertsteuerregelungen sorgen dafür.
Um eine Einschätzung für das Preisniveau in verschiedenen Ländern zu bekommen, sind systematisch Preisvergleiche quer durch das Arzneimittelsortiment aussagekräftiger als das Vorführen von willkürlich gewählten Einzelbeispielen. Einen solchen systematischen Preisvergleich hat das Forschungsinstitut SNF 2010 für das norwegische Gesundheitsministerium erarbeitet. Hier zeigt sich, dass Arzneimittel in Deutschland nicht teurer als in vielen anderen Industriestaaten sind. Die deutschen Preise sind vielmehr im Mittelfeld der verglichenen Länder, gleichauf mit dem Vereinigten Königreich, Dänemark und Österreich. Untersucht wurden die Preise von Medikamenten mit den 200 meist verkauften Wirkstoffe in zehn europäischen Staaten.
Stand: 1. Halbjahr 2009; Devisenkurse 2008
Wie Apothekenpreise zustande kommen: Nur 57 % bekommt der Hersteller
Eine wesentliche Preiskomponente ist die Mehrwertsteuer. Deutschland hat dabei mit einem MwSt.-Satz von 19 % die dritthöchste Besteuerung von zulasten der Krankenkassen verordneten Medikamenten in der ganzen EU. Höher ist der Wert nur noch in Dänemark (25 %) und in Irland für Medikamente, die nicht geschluckt werden können (21 %); in fast allen anderen europäischen Ländern gibt es für sie hingegen eine erniedrigte oder gar keine Mehrwertsteuer. Die Länder erkennen damit an, dass es sich bei Medikamenten um Versorgungsgüter besonderer Art handelt, die nicht mit gehobenen Konsumgütern gleichzusetzen sind.
Mehrwertsteuersätze für Arzneimittel in Europa
- Dänemark: 25 %
- Irland: 21 % für nicht-oral einnehmbare Arzneimittel; sonst 0%
- Deutschland: 19 %
- Slowakische Republik: 19 %
- Italien: 10 %
- Slowenien: 8,5 %
- Griechenland: 8 %
- Finnland: 8 %
- Polen: 7 %
- Niederlande: 6 %
- Belgien: 6 %
- Portugal: 5 %
- Ungarn: 5 %
- Lettland: 5 %
- Tschechische Republik: 5 %
- Estland: 5 %
- Spanien: 4 %
- Luxemburg: 3 %
- (Schweiz: 2,4 %)
- Frankreich: 2,1 % auf erstattungsfähige, 5,5 % auf die übrigen Arzneimittel
- Österreich: 0 % auf erstattungsfähige, 20 % auf die übrigen Arzneimittel
- Schweden: 0 % auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, sonst 25 %
- Großbritannien: 0 % auf Arzneimittel, die im Rahmen des National Health Service verordnet wurden, sonst 17,5 %
- Litauen: 0 Prozent auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, sonst 5 %
- Malta: 0 %
- Zypern: 0 %
Quelle: Europäische Kommission
Insgesamt machen Steuern und Rabatte am deutschen Apotheken-Endpreis von Medikamenten in Deutschland sogar nicht nur 19 %, sondern 24 % aus. Weitere Preiskomponenten sind die Margen der Apotheker (15 %) und Großhändler (4 %), so dass der Hersteller nur 57 % des Endpreises einnimmt.
Die wichtigsten Ausgabentreiber im Gesundheitswesen ... sind nicht die Medikamente
Ein Blick auf die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenkassen 2009 zeigt:
Unter den Kostenblöcken rangieren die Arzneimittel nach den Ausgaben für die Krankenhausbehandlung und gleichauf mit der Behandlung durch niedergelassene Ärzte. Und die Ausgabensteigerung verlief bei allen großen Ausgabensegmenten deutlich steiler als bei den Arzneimitteln. Die derzeit größten Kostentreiber sind demnach die Ausgaben für die ärztliche Behandlung (+ 7,4 %) und das Krankengeld (+ 10,5 %).
Die wichtigsten Ausgabeblöcke der GKV, Ausgaben 2009:
1. Krankenhaus: 56,4 Milliarden Euro (+ 6,6 %)
2. Ärztliche Behandlung: 30,6 Milliarden Euro (+ 7,4 %)
3. Arzneimittel: 32,4 Milliarden Euro (+ 5,3 %)
4. Krankengeld: 7,2 Milliarden Euro (+ 10,5 %)
Gesamtausgaben: 171 Mrd. Euro
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit
Ausgaben für patentgeschützte Medikamente: ein kleinerer Posten
Von den rund 171 Milliarden Euro, die die Gesetzlichen Krankenversicherungen 2009 ausgeben haben, entfallen nur rund 6,7 Milliarden Euro auf patentgeschützte Präparate. Zudem stehen in diesem und dem nächsten Jahr Patentabläufe für eine große Zahl umsatzstarker Medikamente an, die die Kassen voraussichtlich um 1,2 Milliarden Euro pro Jahr entlasten werden.
Angesichts dieser Fakten erscheint es wenig sinnvoll, Sparziele im Gesundheitswesen selektiv an den patentgeschützten Medikamenten realisieren zu wollen.
Wie lassen sich Effizienzreserven bei Medikamenten sinnvoll heben?
Medikamente sind kein Selbstzweck, sondern Teil von Therapie- und Präventionsmaßnahmen für die Gesundheit der Bürger. Also sollten sie auch als Teil eines Qualitätswettbewerbs um die beste medizinische Versorgung durch die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen betrachtet werden. So gesehen ist nicht mehr allein der Preis eines Medikaments zu betrachten, sondern die durch eine Krankheit bedingten Gesundheitskosten insgesamt. Manchmal ist beispielsweise ein vermeintlich teureres Medikament, dem Kranken frühzeitig gegeben, am Ende kostengünstiger als der Ansatz, so lange irgend möglich mit einem preiswerten, aber weniger wirksamen Medikament zu behandeln.
Kassen und Hersteller sollten solche Betrachtungen künftig stärker berücksichtigen und in Verträgen regeln, die sie miteinander über die Lieferkonditionen von Medikamenten abschließen. Auf diese Weise ist im Gesundheitswesen mehr zu sparen - bei wachsender Qualität der Versorgung - als mit dirigistischen Maßnahmen wie Preisfestsetzungen oder Zwangsrabatten, die letztlich nur dazu dienen, eine globale Wachstumsbranche im weltweiten Zukunftsmarkt der Gesundheitswirtschaft in Deutschland unnötig zu schwächen.
Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die forschenden Pharma-Unternehmen gerade in den beiden letzten Jahren in der wirtschaftlichen Krise ein Stabilitätsanker für Deutschland waren. Sie haben Arbeitsplätze stabil gehalten und haben Investitionen nach Deutschland gebracht. Gesundheitspolitiker sollten deshalb nicht auf die Idee kommen, einer deutschen Zukunftsbranche die Krise nachträglich zu verordnen.