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Spezielle Zulassungswege schnell erklärt

Bevor ein Fertigarzneimittel in Deutschland in den Verkehr gebracht werden darf, muss eine Zulassung der zuständigen Bundesbehörde oder eine Registrierung vorliegen. Neben dem gängigen zentralisierten Verfahren gibt es spezielle Zulassungswege.

Eine Apothekerin lehnt mit Tabelt in der Hand und verschränkten Händen mit einer Schulter an einem Generalalphabet im Backoffice-Bereich einer Apotheke.

Was sind die regulären Zulassungswege?

Die meisten Arzneimittel werden im zentralisierten Verfahren zugelassen – im Durchschnitt 37 Arzneimittel pro Jahr. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) übernimmt die wissenschaftliche Bewertung des Präparates. Besteht eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz, so spricht die EMA eine Zulassungsempfehlung aus. Die eigentliche Zulassung erfolgt dann durch die Europäische Kommission.

Neben dem zentralisierten Verfahren gibt es zwei weitere Zulassungswege, mit denen innerhalb der EU nationale Zulassungen in mehreren Mitgliedsstaaten erworben werden können: Das dezentralisierte Verfahren (Decentralised Procedure, DCP) und das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (Mutual Recognition Procedure, MRP).

Beim dezentralisierten Verfahren werden Arzneimittel simultan in mehreren, aber nicht allen, EU-Staaten zugelassen.

Beim Verfahren der gegenseitigen Anerkennung liegt in einem EU-Land bereits eine nationale Zulassung für das Medikament vor. Andere EU-Staaten können diese Zulassung anerkennen.

All diese Zulassungsverfahren dauern ein bis anderthalb Jahre.

Geht das auch schneller?

In Fällen, in denen potenzielle neue Arzneimittel besonders große Therapielücken füllen, kann die EMA das Zulassungsverfahren von 210 auf 150 Tage verkürzen (Accelerated Assessment). Die Bedeutung einer solchen Turbo-Option hat sich während der Corona-Pandemie eindrücklich gezeigt: fast ein Viertel der bisher beschleunigt zugelassenen Arzneimittel waren Covid 19-Impfstoffe oder -Therapeutika. Dank eines neuen Verfahrens, dem Rolling Review, konnten für diese die vorgesehenen 150 Tage sogar häufig noch deutlich unterschritten werden. Hierbei werden die ersten Unterlagen bereits von der EMA geprüft, während parallel noch die letzten klinischen Studien laufen.

Die Option Accelerated Asessement ist eine reine Beschleunigung und bedeutet nicht, dass die Anforderungen an die Wirksamkeitsnachweise geringer sind. Die Bezeichnung der besonderen Zulassungswege in den USA birgt hier ein gewisses Verwechslungspotenzial: dort ist eine Accelerated Approval vergleichbar mit der europäischen bedingten Zulassung (s. unten). Die beschleunigte Zulassung in Europa ist dem Priority-Review in den USA am ähnlichsten.

Welche speziellen Zulassungswege gibt es für besondere Situationen?

Die meisten Zulassungen erfolgen heute zentralisiert per Standardverfahren. So wurden zwischen 2015 und 2022 77 Prozent der neuen Wirkstoffe regulär zugelassen. Selbst bei Orphan Drugs erhalten 65 Prozent eine Standardzulassung.

Die restlichen Zulassungen waren über die speziellen Zulassungswege möglich: Die bedingte Zulassung (Conditional Approval) und die Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen (Approval under exceptional circumstances).

Ein Arzneimittel kann eine bedingte Zulassung erhalten, wenn der medizinische Bedarf groß ist und die zeitnahe Beendigung der Studien zu erwarten ist. Es bestehen Auflagen die jährlich überprüft werden.

Eine Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen kann dann erfolgen, wenn die Krankheit so selten ist, dass wegen der Seltenheit der Erkrankung oder aus ethischen Gründen keine Evidenz erbracht werden kann.

Werden hier die Anforderungen abgesenkt?

Für jedes Arzneimittel muss gezeigt werden, dass der Nutzen die Risiken übersteigt. Die EMA geht aber in Situationen, in denen es aufgrund der Gegebenheiten herausfordernd ist, dies nachzuweisen, mit den speziellen Zulassungswegen flexibel auf diese Besonderheiten ein. So können beispielsweise mit der EMA an die Umstände angepasste Studiendesigns abgestimmt werden, die dann für die Zulassung akzeptiert werden.

Ohne diese Optionen wäre in den Situationen mit großem Bedarf, die sie abdecken, überhaupt keine Zulassung erreichbar oder würde dort, wo eine bedingte Zulassung möglich ist, erst zwei bis neun Jahre später erfolgen.