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Klinische Studien: Effizientere Genehmigung, mehr Publizität

Zwei neue Regelungen der Europäischen Union werden Ärzten, die in der Forschung tätig sind, die Arbeit erleichtern. Das Genehmigungsprozedere für klinische Prüfungen wird optimiert, und pharmazeutische Unternehmen werden verpflichtet, die Erkenntnisse aus von ihnen finanzierten Studien noch transparenter zu machen.

In gut zwei Jahren – Mitte 2016 – reicht für eine multizentrische internationale klinische Studie ein einziger Antrag aus, um die Genehmigung dafür in allen beteiligten EU-Staaten zu erhalten. Nicht nur der pharmazeutischen Industrie hilft das, sondern auch wissenschaftlich tätigen Ärzten, die selbst klinische Studien initiiert haben.

Die Vereinfachung ist Folge einer neuen Verordnung der Europäischen Union, die das Europäische Parlament Anfang April verabschiedet hat. Anders als Richtlinien bedürfen Verordnungen nicht mehr der Umsetzung durch nationale Gesetze, sondern sind unmittelbar geltendes Recht.

Hoher Internationalisierungsgrad

Für Deutschland als Forschungsstandort ist die neue EU-Regulierung von besonderer Bedeutung: Hinter den USA, wo 2012 mehr als 2600 klinische Studien durchgeführt wurden, ist Deutschland mit mehr als 800 Studien weltweit für die Pharma-Unternehmen der wichtigste Standort für klinische Forschung.

Aktuell werden jährlich rund 5000 Studienanträge von der Industrie und anderen Forschungsinstitutionen gestellt, rund ein Viertel davon sind multinational, in die aber zwei Drittel der Studienteilnehmer eingeschlossen sind. Das Problem: Zwischen 2007 und 2011 hat die Zahl der Studien in der EU um 25 Prozent abgenommen. Als Ursache dafür wird das komplexe Genehmigungsprozedere angesehen, das jeweils national erfolgt und einem Flickenteppich unterschiedlicher Anforderungen genügen muss. Insbesondere nichtindustrielle Arzneimittelforscher – also beispielsweise wissenschaftlich tätige Ärzte – beklagen die hohen Anforderungen und Versicherungskosten, wenn sie selbst initiierte Studien durchführen wollen.

Nach der neuen EU-Verordnung ist deshalb nur noch ein einziger Antrag für eine multizentrische internationale Studie innerhalb der EU notwendig. Der Antrag dazu wird über ein Online-Studienportal bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA gestellt. Das Bewertungsverfahren bezieht alle beteiligten EU-Staaten ein. Die Federführung dazu übernimmt ein „Reporting Member State“, der vom Studiensponsor vorgeschlagen werden kann.

Der Antrag enthält zwei Teile: im ersten Aspekte zur Staaten-übergreifenden Beurteilung, im zweiten ethische nationale oder lokale Aspekte des jeweiligen Mitgliedsstaates der EU. Dabei ist es möglich, dass ein Staat – unter engen Voraussetzungen – den Antrag auf eine klinische Studie nicht genehmigt und aussteigt.

Der Antrag muss wie bisher innerhalb von 60 Kalendertagen bearbeitet sein. Für Biopharmazeutika kann die Bearbeitungszeit um 50 Tage verlängert werden. Diese dann fast vier Monate dauernde Bearbeitungszeit bewertet man beim Verband forschender Arzneimittelhersteller kritisch.

Im Lauf der Beratungen zu der neuen EU-Verordnung hatte es zunächst heftige Kritik insbesondere auch aus der deutschen Ärzteschaft gehagelt, weil in der Ursprungsfassung die Anforderung fehlte, dass Ethikkommissionen die Studien bewerten müssen. Die EU-Verordnung sieht nun vor, dass jede klinische Studie von den Ethikkommissionen eines jeden Mitgliedslandes positiv beurteilt werden muss.

Neue Publizitätspflichten

Eine weitere Neuregelung verschafft Ärzten umfassenderen Zugang zu Erkenntnissen aus klinischen Studien der Industrie. Die „Clinical Trials Regulation“ sieht vor, dass nun auch die ausführlichen klinischen Studienberichte (clinical study reports), die vom Studiensponsor für die Zulassungsbehörden angefertigt werden, publiziert werden müssen. Mit oft tausend und mehr Seiten sind diese Reports vor allem für wissenschaftliche Fragestellungen wesentlich aufschlussreicher als die bisher publizierten Zusammenfassungen oder Artikel in Fachzeitschriften. Ferner sollen auch für Laien verständliche Berichte erstellt und publiziert werden. Die umfassende Transparenz der Ergebnisse klinischer Studien ist von hohem wissenschaftlichen Interesse, denn die Erkenntnis über gescheiterte Forschungsprojekte trägt dazu bei, künftige Irrtümer und unnötige Doppelprojekte zu vermeiden. Schon vor Inkrafttreten der neuen Rechtsverordnung haben bedeutende forschende Unternehmen begonnen, Wissenschaftlern auf ihren Webseiten dieses Material verfügbar zu machen.


Dieser Text entstand in Kooperation mit der ÄrzteZeitung.