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Baden-Württembergs Ärzte: Patientenversorgung wird sich dramatisch verschlechtern

Befragung von Medizinern deckt Mängel des deutschen Gesundheitssystems auf

Berlin (VFA). Nur 22 Prozent der Ärzte in Baden-Württemberg glauben, dass die medizinische Versorgungsqualität der Patienten in zehn Jahren in der eigenen Region noch gut sein wird. Mehr als ein Drittel geht sogar von einer schlechten oder sehr schlechten Versorgungsqualität in naher Zukunft aus. Fragt man nach der gegenwärtigen Patientenversorgung, befinden noch 71 Prozent die Patientenversorgung für gut. Vor allem der hohe Verwaltungs- und Bürokratieaufwand sowie die Budgetierung wirken sich nach Meinung der Mediziner negativ auf die Versorgung gesetzlich versicherter Patienten aus. Dies sind Ergebnisse der Ärztebefragung "Gesundheitsstandort Deutschland im Ärztecheck", die im August 2008 im Auftrag des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) und des NAV-Virchow-Bunds, Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, durchgeführt wurde. Das Meinungsforschungsinstitut TNS Healthcare befragte 802 niedergelassene Ärzte, darunter 500 Allgemeinmediziner, praktische Ärzte und Internisten sowie 302 Fachärzte, zu ihrer Einschätzung des deutschen Gesundheitssystems.

Therapiefreiheit nicht mehr gewährleistet

78 Prozent der Ärzte in Baden-Württemberg sind der Meinung, dass die Therapiefreiheit in Deutschland nicht mehr gewährleistet ist. Damit ist die Situation für sie noch schlechter als im Bundesdurchschnitt. Hier glauben 73 Prozent der Befragten an eine nicht mehr vorhandene Therapiefreiheit. Vor allem der Kostendruck aufgrund der Budgetierung von Leistungen, Ausgabenbeschränkungen und der negative Einfluss von Regressandrohungen sind Gründe dafür, dass Mediziner in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werden. Hierzu erklärt Dr. Klaus Bittmann, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bunds: "Die Umfrage zeigt deutlich, dass der Arztberuf viel an Attraktivität verloren hat."

Erschwerter Zugang zu innovativen Medikamenten

Der Zugang zu innovativen Medikamenten bleibt den Patienten häufig verwehrt. Der Therapiefortschritt kommt nicht bei allen Patienten an. Dies betrifft nach Meinung der Ärzte vor allem gesetzlich Versicherte mit den Indikationen Depression und Demenz. Lediglich 40 Prozent aller befragten Ärzte glauben, dass der Therapiefortschritt noch depressive Patienten erreicht und nur ein Fünftel der Befragten gibt an, dass der Therapiefortschritt bei Demenzkranken ankommt.

Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des VFA: " Ich sehe vor allem eine Gefahr, dass es künftig Patienten geben wird, deren Krankheitsbilder im Lichte der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen und solche, deren Krankheiten in den Schatten gesellschaftlicher Stigmata verbannt werden. Es ist ein Alarmsignal, wenn uns die Ärzte in der vorliegenden Umfrage mitteilen, dass bei Indikationen wie Krebs oder HIV Therapiefortschritte den Patienten erreichen, dass sie aber bei Erkrankungen wie Depression oder Demenz ernste Zweifel daran haben. Wenn wir nicht aufpassen, sehen wir hier die Vorboten einer gefährlichen Weichenstellung: Krankheiten mit Lobby und Krankheiten ohne eine solche und im nächsten Schritt Versorgung mit Innovationsvorfahrt und Versorgung mit Innovationsbremse."

72 Prozent der Ärzte in Baden-Württemberg würden auswandern

Die Mängel des Gesundheitssystems dämpfen die Motivation. 72 Prozent der Ärzte in Baden-Württemberg haben sich schon einmal überlegt im Ausland zu praktizieren. Im Bundesdurchschnitt sind es 69 Prozent. Als Beweggründe für diese Überlegungen werden bei der Mehrheit aller Befragten in Deutschland der Verwaltungsaufwand (85 Prozent), das Einkommen (82 Prozent), die medizinische Versorgung (77 Prozent) sowie die Therapiefreiheit (76 Prozent) genannt. Auch die leichtere Einsetzbarkeit innovativer Arzneimittel im Ausland wird von der Mehrheit als Grund aufgeführt (55 Prozent). Die Umfrage hat zudem ergeben, dass fast ein Drittel der Befragten den Arztberuf heute eher nicht mehr ergreifen würde. Bittmann: "Die überbordende Bürokratie und unausgegorene gesundheitspolitische Vorstellungen der Politik schränken die Therapiefreiheit immer weiter ein und verschlechtern die Versorgungsqualität. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass sich immer weniger Kolleginnen und Kollegen für die Niederlassung als Vertragsarzt entscheiden."
"Wir können nicht länger am Postulat einer gesetzlichen Versicherung, die allen alles bezahlt, festhalten. Denn dieses Postulat macht die Ärzte zu verdeckten Sachbearbeitern der Krankenkasse. Sie sollen das System möglichst ohne viel Aufhebens lebensfähig rationieren. Dagegen wehren sie sich zu Recht. Wir können nicht länger ordnungspolitische Feigheit zulasten der Ärzte praktizieren", sagt Yzer.

Der NAV-Virchow-Bund ist der einzige freie ärztliche Verband, der ausschließlich die Interessen aller niederlassungswilligen, niedergelassenen und ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte aller Fachgebiete vertritt.

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA) ist der Wirtschaftsverband der forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland. Er vertritt die Interessen von 47 weltweit führenden Herstellern und ihren über 100 Tochter- und Schwesterfirmen in der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik. Die Mitglieder des VFA repräsentieren rund zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland mehr als 90.000 Mitarbeiter. Rund 17.000 davon arbeiten in Forschung und Entwicklung.



Weitere Informationen finden Sie unter:https://www.vfa.de/aerztecheck.html

Die Pressekonferenzen des VFA - ab sofort auch im Internet. Mehr dazu unter:https://www.vfa.de/onlinepk