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VFA zum Sparpaket der Bundesgesundheitsministerin

Berlin (VFA). "Für Investitionen am Pharmastandort Deutschland braucht die Industrie verlässliche Rahmenbedingungen. Mit dem Bruch der Solidarvereinbarung durch die Bundesregierung sind diese nicht mehr gegeben." Mit diesen Worten kritisierte der Vorstandsvorsitzende des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), Prof. Dr. Bernhard Scheuble, den Entwurf von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt für ein Vorschaltgesetz und ihre Pläne für die Aufhebung der Festbetragsfreiheit patentgeschützter Arzneimittel, die radikale Einschnitte im Arzneimittelsektor vorsehen. Der VFA-Vorstandsvorsitzende warf der Bundesregierung "Wortbruch" vor. Der Zwangsrabatt und die Abschaffung der Festbetragsfreiheit bedeuteten einen Bruch der im November 2001 von forschenden Arzneimittelherstellern und der Bundesregierung geschlossenen Solidarvereinbarung. Damals hatte die pharmazeutische Industrie einen Solidarbeitrag von rund 205 Millionen Euro zur Entlastung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bereit gestellt; die Bundesregierung hatte verbindlich zugesagt, bis Ende 2003 auf gesetzliche Preisregulierungen für festbetragsfreie verschreibungspflichtige Arzneimittel zu verzichten. Gerade die innovativen patentgeschützten Präparate will die Bundesregierung jetzt mit einem Zwangsrabatt von sechs Prozent und zudem mit einem Festbetrag belegen.

Diese De-facto-Preissenkung hat nach Einschätzung des VFA-Vorstandsvorsitzenden "eine fatale Wirkung" auf Investitionen und die Arzneimittelforschung: "Die Gesetzesvorhaben signalisieren: Patente sind in Deutschland nichts wert. Mit dieser Botschaft werden Forschung und Investitionen am Standort Deutschland abgewürgt." Die rot-grüne Koalition nehme damit einen erheblichen Verlust zukunftsfähiger Arbeitsplätze in Kauf. Vor allem aber seien auch die Patienten die Verlierer der Regierungspläne, da sie damit rechnen müssten, dass eine moderne differenzierte Arzneimitteltherapie im heutigen Umfang nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Tatsache sei, dass mit der Einführung von Festbeträgen die Bundesregierung die Zwei-Klassen-Medizin weiter vorantreibe, da zahlreiche neue Therapien dann für den GKV-Versicherten nicht mehr verfügbar seien.

Scheuble verwies darauf, dass bereits 1992 eine Preisabsenkung von vier Prozent zu einem Verlust von 6.500 Arbeitsplätzen in den VFA-Mitgliedsunternehmen geführt habe. Erst mit der Wiedereinführung der Marktpreisbildung für innovative Arzneimittel habe es wieder einen Aufschwung bei den Arbeitsplätzen gegeben. So sei die Zahl der Beschäftigten in den VFA-Mitgliedsunternehmen von 1995 bis 2001 um fast zehn Prozent angestiegen. Scheuble: "Diese positive Entwicklung würde jetzt abrupt beendet und unter verschärften Vorzeichen wieder umgekehrt."

Der VFA-Vorstandsvorsitzende unterstrich, dass die Arzneimittelhersteller in diesem Jahr ihren Beitrag zur Entlastung der GKV-Finanzen "bereits überproportional geleistet haben". So beliefen sich die Belastungen der Unternehmen durch Festbeträge, die Einführung der Aut-Idem-Regelung, den Solidarbeitrag der forschenden Arzneimittelhersteller und die gesetzliche Förderung der Parallel-Importe in diesem Jahr bereits auf rund eine Milliarde Euro. "Es darf in schwierigen Situationen keine heiligen Kühe geben. Aber wenn man eine Kuh schlachtet, darf man sich nicht wundern, dass sie keine Milch mehr gibt", betonte Scheuble und verwies darauf, dass die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im ersten Halbjahr 2002 gerade 16,3 Prozent der Gesamtausgaben der GKV ausmachten. Zudem seien die Arzneimittelpreise rückläufig: Während in diesem Jahr die Preise für die allgemeine Lebenshaltung bis September um 1,4 Prozent gestiegen sind, ist das Preisniveau der von der GKV erstatteten Arzneimittel im gleichen Zeitraum um 0,4 Prozent gesunken. Angesichts dieser Entwicklung ist der staatliche Preiseingriff nach Scheubles Ansicht "geradezu absurd".

Dass trotz rückläufiger Preise die Ausgaben für Arzneimittel insgesamt in diesem Jahr gestiegen sind, sei vor allem auf den Abbau der Unterversorgung mit innovativen Arzneimitteln bei schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Erkrankungen zurückzuführen, erläuterte Scheuble. "Wer die Versorgung der Patienten mit neuen unverzichtbaren Arzneimitteltherapien - zum Beispiel in der Krebsbehandlung oder bei Krankheiten des Immunsystems und des zentralen Nervensystems - zukünftig nicht mehr bezahlen will, sollte dies dann auch in aller Deutlichkeit den Menschen sagen."

Der VFA-Vorsitzende bezeichnete das Sparpaket der Bundesregierung als "gleichermaßen inkonsequent wie konzeptionslos". Eigentlich erforderlich sei eine Beendigung der sozialpolitischen Verschiebebahnhöfe, die die GKV bereits heute mit jährlich 6,3 Milliarden Euro belasten. Doch stattdessen werde durch die Koalitionsvereinbarung die Finanzlage der Kassen durch Änderungen bei der Arbeitslosenunterstützung zusätzlich um 700 Millionen Euro verschlechtert. Letztendlich hole die mangelnde Bereitschaft zu einer grundlegenden Strukturreform im Gesundheitswesen die rot-grüne Regierung einmal mehr ein. Scheuble: "Nur mit einer neuen Synthese aus Wettbewerb und solidarischer Absicherung können die Zukunftsprobleme des Gesundheitssystems bewältigt werden. Stattdessen gibt es erneut nur kurzfristige Flickschusterei ohne ein Gesamtkonzept."


Bei Rückfragen und Interviewwünschen wenden Sie sich bitte - auch an diesem Wochenende - an Marc Rath, Tel.: 030/20604-203.