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Arzneimittelausgaben im Fokus: Warum die Kosten zum Jahreswechsel steigen...

Zum Jahreswechsel ändert sich im Bereich Arzneimittel vieles. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gilt daher den Arzneimittelausgaben ein besonderes Augenmerk der Medien und der Öffentlichkeit. Zur Erläuterung der zu erwartenden Entwicklungen einige Hintergründe:

Zunächst ist zu unterscheiden zwischen Preis- und Ausgabensteigerungen.

1. Preissteigerungen

Zum Jahreswechsel entfällt das so genannte "Preismoratorium", eine Regelung in § 130a Absatz 2 SGB V, mit dem der Gesetzgeber den Zwangsrabatt der Hersteller an die GKV geschützt hat, indem er eine Kompensation dieses Rabatts durch Preiserhöhungen verhindert hat:

«

§ 130a Absatz 2 SGB V: Ab dem 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2004 erhöht sich der Abschlag um den Betrag einer Erhöhung des Herstellerabgabepreises gegenüber dem Preisstand vom 1. Oktober 2002. Für Arzneimittel, die nach dem 1. Oktober 2002 erstmals in den Markt eingeführt werden, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet.»

Medienberichte haben in den letzten Monaten spekuliert, es könne nach dem Auslaufen dieser Regelung im Januar zu massiven Preiserhöhungen kommen. Die Erfahrungen aus den Jahren vor 2003 zeigen jedoch, dass die Arzneimittelpreise auch ohne Preismoratorium in der Summe stabil bleiben (beispielsweise wegen des Wettbewerbs zwischen Original- und Generikaherstellern); seit 1992 sind die Apothekenverkaufspreise für Arzneimittel sogar um 3 Prozent gefallen, während die Güter und Dienstleistungen des privaten Verbrauchs um 23 Prozent teurer geworden sind.

Die jüngst gemeldeten Preissteigerungen für einzelne Präparate sind kein Beleg für einen allgemeinen Preisanstieg. Einige hundert Preiserhöhungen unter 34.000 Artikeln ergeben statistisch keinen eindeutigen Trend. Solche Erhöhungen gab es auch in der Vergangenheit bereits. Ihnen standen jedoch auch immer Preissenkungen bei anderen Präparaten gegenüber, so dass das Preisniveau insgesamt, wie die Statistik belegt, gleich bleibend war. Dies ist auch jetzt wieder der Fall.

2. Ausgabensteigerungen

Die Ausgabensteigerungen der GKV im Arzneimittelbereich, die für Januar 2005 zu erwarten sind, bestehen überwiegend aus statistischen Effekten und gesetzestechnischen Folgen des Gesundheitsreformgesetzes. Sie haben weder mit verändertem Verordnungsverhalten der Ärzte noch mit Maßnahmen der Arzneimittelhersteller zu tun. Die wichtigsten dieser Effekte zum Jahreswechsel werden sein:

Wegfall eines Teils des Zwangsrabatts

Als der Gesetzgeber im Dezember 2003 kurzfristig in einem zwischen Regierung und Opposition umkämpften "Reform-Konsens" beschloss, Festbeträge (also Erstattungshöchstbeträge) auf patentgeschützte Arzneimittel einzuführen, um damit die GKV zu entlasten, war klar, dass die Umsetzung der Festbetragsregelungen einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Als gleichsam provisorische Vorwegnahme der finanziellen Entlastung der GKV wurde deshalb der Zwangsrabatt, den die Arzneimittelhersteller den Krankenkassen gewähren müssen, von 6 auf 16 Prozent erhöht - als eine auf ein Jahr befristete Übergangsmaßnahme. Zum Jahreswechsel 2004/2005 wird der Rabatt, wie im Gesetz vorgesehen, auf 6 Prozent zurückgeführt.

Die bis zum Jahreswechsel bereits eingeführten Festbeträge werden jedoch – entgegen den Erwartungen des Gesetzgebers - nicht sofort in voller Höhe jenen Einsparbetrag erbringen, um den die zeitweilige Erhöhung des Zwangsrabatts die Krankenkassen entlastet hatte. Auf mindestens 400 Millionen Euro schätzen Experten den Betrag, den die Kassen deshalb im Jahr 2005 wieder mehr ausgeben müssen. Es ist jedoch geplant, noch weitere patentgeschützte Arzneimittel unter Festbetrag zu stellen.

Basiseffekt

Das Gesundheitsreformgesetz (GMG) brachte für viele Patienten zusätzliche Belastungen mit sich – im Arzneimittelbereich insbesondere erhöhte Zuzahlungen, die ab Januar 2004 in Kraft traten. Die öffentliche Ankündigung dieser Maßnahmen führte dazu, dass in den Arztpraxen viele Arzneimittelverschreibungen in den Dezember 2003 vorgezogen wurden, um die ab dem Folgemonat fälligen Zuzahlungen zu sparen. Die Umsatz-Statistik des GKV-Arzneimittelmarktes zeigt diesen Effekt deutlich:

Umsatz im GKV-Arzneimittelmarkt in Mio. Euro

Verordnungen für etwa 800 Millionen Euro, die bei typischem Verlauf erst in den Monaten Januar und Februar 2004 vorgenommen worden wären, fielen bereits im Dezember 2003 an. Dies führte dazu, dass die Statistik im Januar 2004 einen um fast 500 Millionen Euro niedrigeren Umsatz ausweist, als eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Wird nun in 2005 der Januar mit dem Januar des Vorjahres verglichen, wird sich allein wegen dieses Effekts eine rechnerische Steigerung der Arzneimittelausgaben der GKV um etwa 500 Millionen Euro ergeben. Dies wird sich abgeschwächt im Februar wiederholen. Erst im März wird ein realistischer Vergleich mit dem Vorjahresmonat möglich sein.

Apothekenrabatt

In § 130 Absatz 1a SGB V hat der Gesetzgeber mit der Gesundheitsreform festgelegt, dass "die Summe der Vergütungen der Apotheken für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel leistungsgerecht" sein solle. Damit wollte er erreichen, dass steigende Verordnungszahlen nicht automatisch zu steigenden Erträgen der Apotheken führen. Wider Erwarten des Gesetzgebers ist die Zahl der Verordnungen 2004 jedoch nicht gestiegen, sondern zurückgegangen. Den Apothekern erwächst aus der Regelung nun der Anspruch auf eine nachträgliche Vergütung. Die genaue Höhe und die Modalitäten der Zahlung stehen derzeit noch nicht fest. Sie könnte, so rechnen Experten, eine Ausgabensteigerung von bis zu 250 Millionen Euro bewirken.

Auf insgesamt 1,5 Milliarden Euro könnten sich also die vorgenannten, gesetzestechnisch begründeten Effekte addieren, die mit Jahresbeginn zu einem Ansteigen der Arzneimittelausgaben führen werden. Darüber hinaus gibt es den langfristigen Struktureffekt, der jedoch im kommenden Jahr nicht höher ausfallen wird als sonst:

Struktureffekt

Der Struktureffekt entsteht durch die kontinuierliche Veränderungen in der Verordnungspraxis: Generika ersetzen Originalpräparate, neue Präparate ersetzen ältere, für bislang unbehandelbare Erkrankungen werden erstmals Medikamente eingeführt, medikamentöse Behandlung ersetzt chirurgische. Während das erste dieser Beispiele (Generika) in der Regel die Ausgaben der GKV sinken lässt, führen die anderen meist zu einem Anstieg der Ausgaben für Arzneimittel (wobei die Preise für einzelne Präparate in der Regel durchaus gleich bleiben). Der Struktureffekt beinhaltet somit den Fortschritt in der Medizin. Er führt erfahrungsgemäß netto zu einer Steigerung der Ausgaben um 7 Prozent pro Jahr. Die Steigerungen der Ausgaben für Arzneimittel lagen in den vergangenen Jahren damit aber unterhalb des Durchschnitts der Ausgabensteigerung der GKV insgesamt.


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