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Patienten fordern uneingeschränkten Zugang zu medizinischen Innovationen

Eine Kosten-Nutzen-Bewertung muss Patienten in ausreichendem Maße beteiligen. Dies war der einhellige Tenor auf dem 15. VFA-Patienten-Round-Table, der am 19. September 2008 in Berlin unter dem Titel "Nutzen- und Kosten-Nutzenbewertung - wo bleiben Ethik und Patienten?" stattfand.

Rund 90 Vertreter von Patientenselbsthilfeorga- nisationen diskutierten auf der Veranstaltung engagiert mit Vertretern aus Politik und Wissenschaft über den Anspruch an eine ethische Nutzen- und Kosten-Nutzenbewertung.

VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer ging in ihrem Eröffnungs-Statement auf die Frage ein, ob Rationierungen im Gesundheitswesen Innovationen unmöglich machen. Nach der vollmundigen Ankündigung der Politik, für mehr Wettbewerb um bessere Leistungen für die Patienten sorgen zu wollen, komme jetzt ein Einheitsbeitrag mit gedeckeltem Zusatzbeitrag, der die Kassen noch mehr dazu verleiten werde, auf die Kostenbremse zu treten. Dabei habe doch die Pharmazeutische Industrie mit innovativen Medikamenten erheblich zur Verbesserung der Lebenserwartung von Patienten beigetragen. Voraussetzung sei allerdings, dass die Medikamente zur Behandlung dieser Erkrankungen auch bei den Patienten ankommen. Denn was nütze es, wenn Innovationen zwar zugelassen, aber nicht verordnet werden. Doch anstatt ein Institut über den Zugang zur bestmöglichen Gesundheitsversorgung entscheiden zu lassen, müssten sich alle Partner im Gesundheitswesen, also Patienten, Ärzte, Kliniken und Hersteller gemeinsam über den Umfang der Leistungen verständigen. Es sei bedauerlich, dass die Politik sich weiter schwer tue, die fast 150 Milliarden Euro, die die GKV jedes Jahr umsetzt, in die Verantwortung der Beteiligten zu entlassen.

VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer verabschiedet den langjährigen Geschäftsführer der BAG SELBSTHILFE, Christoph Nachtigäller. Herr Nachtigäller scheidet Ende September aus seinem Amt. Er war Teilnehmer aller 15 vom VFA veranstalteten Patienten-Round-Table und fungierte jahrelang als wichtiges Bindeglied zwischen dem Verband und den zahlreichen Patientenorganisationen.Diese Kritik wurde von den Patientenvertretern geteilt: So forderte etwa Christoph Nachtigäller, Bundesgeschäftsführer der BAG Selbsthilfe, dass Bewertungen und Entscheidungen nur unter Beteiligung der betroffenen Patientenorganisationen vorzunehmen seien und dass die Methodik der Kosten-Nutzen-Bewertung dringend um die Komponente eines ethisch-rechtlichen Diskurses erweitert werden müsse.

Prof. Marckmann vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Tübingen vertrat in zwölf Thesen die Meinung, dass eine Kosten-Nutzen-Bewertung im Rahmen der begrenzten finanziellen Mittel im Gesundheitswesen durchaus ethisch geboten seien, absolute Kosteneffektivitätsgrenzwerte aber ethisch überhaupt nicht vertretbar seien.

Ilona Nippert von der "Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft - Landesverband Berlin" betonte, dass die Auswirkungen auf die einzelnen Patienten bei allen Bewertungen zu berücksichtigen seien. Auch weitere Statements der Patientenvertreter wiesen in diese Richtung: Nikolai Karheiding, MigräneLiga e.V., wies auf den gesamtwirtschaftlichen Nutzen einer frühzeitigen und ausreichenden medizinischen Versorgung hin, und Jens-Peter Zacharias vom Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. forderte die Selbsthilfegruppen auf, sich verstärkt in den Gremien des G-BA zu engagieren, denn nur so könnten sie langfristig zu einer Verbesserung ihrer Versorgung beitragen.

Dr. Katrin Grüber, Leiterin des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft warnte davor, dass bei den Bewertungsverfahren Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern gegeneinander ausgespielt werden könnten.

Das Podium war hochkarätig besetzt. Hier im Bild v.l.n.r.: Prof. Georg Marckmann (Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Tübingen), Hubert Hübbe (MdB; Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und Behindertenbeauftragter der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion), Christoph Nachtigäller (Bundesgeschäftsführer BAG SELBSTHILFE), Dr. Katrin Grüber (Leiterin des Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft)Der Behindertenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Hubert Hüppe MdB nutzte auch von Seiten der Politik die Veranstaltung zum Informationsaustausch. Er plädierte für eine Gleichbehandlung aller Patienten, auch Menschen mit seltenen Erkrankungen und Behinderungen sollten Zugang zu innovativen Leistungen haben. Er sieht eine Voraussetzung für eine Nutzenbewertung nur dann für gegeben an, wenn eine ethische Diskussion die schwächsten unter den Patienten nicht ausschließt.

An der sich anschließenden Diskussion nahm neben den Referenten auch Steffen Wahler, VFA-Geschäftsführer Gesundheitsökonomie teil. Er hob in seinen Redebeiträgen insbesondere auf die Notwendigkeit ab, die Methodik des IQWiG nach transparenten und international gültigen Standards auszurichten. Die Diskussion, in der auch die teilweise unterschiedlichen Standpunkte zum Ausdruck kamen, wurde von den Patientenvertretern zu deutlicher Kritik an einem deutschen Sonderweg bei der zu erwartenden Kosten-Nutzenbewertung genutzt. Im Mittelpunkt stand der Wunsch der Patienten, stärker in Entscheidungen über ihre Behandlungen mit einbezogen zu werden. Vor allem die Möglichkeit einer aktiveren Rolle bei den Beratungen im Gemeinsamen Bundesausschuss sei die beste Möglichkeit, die ethischen Aspekte und die Patientensicht bei der Arzneimittelversorgung in Deutschland zu berücksichtigen. Alle Beteiligten waren sich einig, dass Patientenvertreter dort künftig volles Stimmrecht erhalten sollten.


Präsentationen und Stellungnahmen aus der Veranstaltung zum Herunterladen:

„Rationierung im Gesundheitswesen – werden Innovationen unmöglich?“ - Rede von Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des VFA [PDF, 149 KB]

"Ethisch vertretbare Kosten-Nutzen-Bewertungen - eine Illusion?" - Präsentation von Georg Marckmann, Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Tübingen [PDF, 203 KB]

"Ethisch vertretbare Kosten-Nutzen-Bewertung – eine Illusion?" - Thesen zum Vortrag von Georg Marckmann, Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Tübingen [PDF, 21 KB]

"Der Anspruch an eine ethische Nutzen- und Kostenbewertung" - Präsentation von Dr. Katrin Grüber, Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft Berlin [PDF, 404 KB]

„Kosten-Nutzen-Bewertung aus Sicht eines Patientenvertreters“ - Präsentation von Nikolai Karheiding, 1. Vorsitzender der MigräneLiga e.V. Deutschland [PDF, 294 KB]