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Pharmabranche sucht Rezepte für die Zukunft

Frankfurt (dpa) - In den Bilanzen der großen Pharmakonzerne haben das Ende des Patentschutzes für ehemalige Kassenschlager und staatliche Sparmaßnahmen massive Bremsspuren hinterlassen. Experten nennen das, was sich derzeit auf dem Pharmamarkt abspielt, die «Patent-Klippe». Endet der Urheberschutz für hochpreisige Medikamente, brechen Umsätze und Gewinne vieler Konzerne ein. Denn billigere Nachahmermittel, sogenannte Generika, überschwemmen den Markt. Davon profitieren Krankenkassen und Patienten, weil Generika nur einen Bruchteil der Originalpillen kosten.

In der Pharmabranche finanzieren die Umsatzbringer von heute aber die Forschung für Medikamente von morgen. «Von 100 Entwicklungsprojekten schafft es nur eins als fertiges Medikament in die Apotheke», sagt Andrea Brückner, Geschäftsführerin und Pharmaexpertin bei der Unternehmensberatung Accenture. Die Entwicklung eines Medikaments koste teilweise mehr als eine Milliarde Dollar.

Die noch immer hohen Vorsteuerrenditen von um die 30 Prozent verdanken die Konzerne dem Patentschutz für ihre Medikamente. Seit Ende 2011 haben acht der weltweit umsatzstärksten Medikamente diese lukrative Exklusivität verloren. Prominentestes Beispiel: Der Blutfettsenker Lipitor, der dem Viagra-Hersteller Pfizer zu Spitzenzeiten einen Jahresumsatz von 13 Milliarden Dollar einbrachte. Betroffen sind auch die US-Hersteller Merck & Co sowie Bristol-Myers Squibb. In Europa die französische Sanofi, die schweizerische Novartis und die britische AstraZeneca.

Wie reagiert die Branche, die weltweit einen Umsatz von fast 800 Milliarden Dollar generiert, auf diese Herausforderung? Darüber reden Pharmamanager und Krankenkassenvertreter am 20. und 21. Februar auf der «Handelsblatt»-Tagung Pharma 2013. Die Vergütung von Spitzenmanagern dürfte nach der Kritik an der Millionenzahlung für den ausscheidenden Novartis-Präsidenten Daniel Vasella auch Thema sein.

Die Strategien sind sehr unterschiedlich. Manche Konzerne bauen Sparten aus: «Dies sind vor allem das Generikageschäft, die Tiermedizin oder rezeptfreie Produkte», sagt Brückner. Forschungskooperationen und Übernahmen sollen helfen, schneller neue Produkte auf den Markt zu bringen.

Pfizer-Chef Ian Read schlägt dagegen eine andere Strategie ein und konzentriert sich auf verschreibungspflichtige Medikamente. Anfang Februar brachte Read die Tiermedizinsparte Zoetis an die Börse und nahm damit 2,2 Milliarden Dollar ein. Die Zoetis-Aktie hat bereits ein Fünftel an Wert gewonnen. Davor wurde die Nahrungsmittelsparte für fast zwölf Milliarden Dollar an Nestlé verkauft. Die US-Firma Abbott hat dagegen das Pharmageschäft mit Medikamenten gegen Krebs und Alzheimer unter dem Namen Abbvie abgespalten, um dem Aktienkurs auf die Sprünge zu helfen. Die Sparten Generika, Ernährung, Diagnostika und Medizintechnik werden unter dem alten Namen weitergeführt.

Für Sanofi-Vorstand Hanspeter Spek ist das keine Option: «Bei uns ist die Abspaltung einzelner Geschäftsbereiche wie der Tiermedizin kein Thema.» Der drittgrößte Pharmakonzern der Welt ist bei Medikamenten gegen Diabetes, die er in Frankfurt-Höchst produziert, gut im Geschäft. Aus Höchst kommt das Diabetesmittel Lantus, das international erfolgreichste deutsche Arzneimittel überhaupt. Fast ein Drittel des Umsatzes generiert Sanofi zudem bereits in den Schwellenländern.

In Ländern wie Brasilien oder China erwartet die Branche in den kommenden Jahren zweistellige Zuwächse. «Mit dem steigenden Wohlstand bereiten sich typische Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck aus», sagt Branchenexperte Olaf Tölke von Standard & Poor's. Die Europäer sind dort besser aufgestellt als die US-Konkurrenz: «Die US-Konzerne haben das Potenzial der Schwellenländer anfangs unterschätzt, weil der Heimatmarkt immer noch der größte und profitabelste Pharmamarkt der Welt ist», erklärt Expertin Brückner.

Die Herausforderungen bleiben groß, aber auch die Chancen. Der Bedarf an Medikamenten wird durch die höhere Lebenserwartung und den wachsenden Wohlstand in den Schwellenländern weiter steigen.