Studie: Zuzahlungen schwächen Vertrauen in Gesundheitssystem
Siegen (dpa/lnw) - Trotz Krankheit nicht zum Arzt? Die Praxisgebühr und weitere Zuzahlungen halten nach Ergebnissen einer Studie in Deutschland fast jeden Achten trotz Beschwerden vom Arztbesuch ab. Das berichtete der Siegener Soziologe Claus Wendt am Dienstag auf der Grundlage einer neu ausgewerteten Befragung aus dem Jahr 2008 mit 1000 Teilnehmern.
Zudem schwächten die Zuzahlungen auch das generelle Vertrauen ins Gesundheitssystem. In Deutschland fehle laut der Befragung jedem Vierten das Vertrauen, bei einer schweren Erkrankung ausreichend medizinisch versorgt zu werden, sagte Wendt. Die Praxisgebühr war in Deutschland im Frühjahr 2004 eingeführt worden.
Es habe sich gezeigt, dass vor allem bei Einkommensschwachen die privaten Zuzahlungen als Barriere wirken. «Und zwar unabhängig davon, um welche Beschwerden es sich handelt», sagte Wendt. «Der Versuch, mit Zuzahlungen der Patienten die Arztbesuche zu steuern und unnötige Konsultationen zu verhindern, ist völliger Unsinn», sagte der Soziologe.
Wendt hatte mit seinem Team Befragungen aus verschiedenen Ländern ausgewertet. In allen Ländern zusammen waren im Jahr 2008 in den USA, Großbritannien, Neuseeland, Australien, in den Niederlanden und der Bundesrepublik 15 000 Menschen befragt worden.
Im Ländervergleich fühlen sich die Menschen in den Niederlanden am besten versorgt. Dort hatten nur 1,5 Prozent der Befragten trotz Beschwerden keinen Arzt befragt. In Großbritannien lag dieser Anteil bei 1,8 Prozent. In Deutschland verzichteten 11,7 Prozent der Befragten trotz Beschwerden wegen der Zuzahlungen auf einen Arztbesuch, im größtenteils auf Privatversicherungen basierenden Gesundheitssystem in den USA waren es sogar 24,6 Prozent.
Der Wissenschaftler hält aus Kostengründen gestrichene Arztbesuche unter dem Strich für kontraproduktiv: Langzeitstudie brächten vermutlich das Ergebnis, dass dies wegen der Folgekosten teurer für das System werde, sagte Wendt. «Erste Ergebnisse von Untersuchungen aus den USA legen das nahe.»