Angst vor Viren Tropeninstitut warnt vor Hysterie
Hamburg (dpa/lno) Eine Welt ohne Seuchen. Das war nicht nur ein Traum von Albert Schweitzer. Antibiotika und Impfungen sollten die Infektionskrankheiten dauerhaft besiegen. Doch der Kampf ist längst nicht beendet. Weitgehend ausgerottet sind Pocken. «Gelbfieber ist unter Kontrolle», erläutert der Vorstandsvorsitzende des Hamburger Tropeninstituts, Prof. Rolf Horstmann. Im renommierten Bernhard- Nocht-Institut für Tropenmedizin, das am Hafen über den Landungsbrücken an der Elbe liegt, wurde unter anderem der SARS- Erreger identifiziert, der die hochansteckende asiatische Lungenentzündung auslöst.
Impfstoffe gegen Cholera werden nach den Worten von Horstmann immer besser. Seit geraumer Zeit gebe es einen Stoff mit sehr gutem Schutz. Das Problem liege vor allem in der Inkubationszeit von wenigen Tagen. Die kurze Zeit bis zum Ausbruch lasse dem Betroffenen fast keine Chance, sich rechtzeitig ins Flugzeug zu setzen und sich dann in Deutschland behandeln zu lassen. Im September war in Hessen ein an Cholera erkranktes Mädchen gestorben. Das Kleinkind war zuvor mit seiner Familie in dem von einer Jahrhundertflut betroffenen Pakistan gewesen. Zurzeit kämpft Haiti gegen eine durch verunreinigtes Wasser verursachte Cholera-Epidemie.
Der Instituts-Leiter sieht in der deutschen Bevölkerung eine generell gute Impfbereitschaft. Die bis zu 90 Prozent tödlich verlaufenden Tropenkrankheiten beispielsweise Schlafkrankheit machten auch ihm Angst, erläutert Horstmann. Er warnt allerdings vor Hysterie.
So habe die Schweinegrippe, die seit April vergangenen Jahres für Schlagzeilen sorgte, eine nicht begründete Furcht ausgelöst. Eine intensive Suche nach Krankheitsfällen sei in Mexiko allein aus finanziellen Zwängen nicht möglich gewesen. Man habe die Zahl von 250 Todesfällen auf 2500 zufällig entdeckte Krankheitsfälle bezogen und eine Sterberate von zehn Prozent berechnet. «Mit dieser Zahl hat man sich offenbar grob verschätzt», sagt Horstmann. Der Fehler lag bei der Zahl von Krankheitsfällen, bei vielleicht 250 000 Erkrankten liege die Rate bei 0,1 Prozent und somit niedriger als bei jeder Herbstgrippe. «Die Ermittlung der Zahl von Infizierten mit leichten Symptomen wird zu einem Problem. Da drohen systematische Fehleinschätzungen in Ländern, in denen weniger Geld als bei uns für die medizinische Diagnostik zur Verfügung steht», befürchtet der Wissenschaftler.
Zu den weltweit größten Gesundheitsproblemen gehört immer noch Malaria. Nach Angaben des Instituts gibt es jährlich 500 Millionen Krankheitsfälle die Folge sind eine Million Tote. Betroffen sind vor allem Kleinkinder in Afrika südlich der Sahara. Malariaparasiten werden von Mücken übertragen, die nur in der Dämmerung und nachts stechen.
Denguefieber ist weltweit die häufigste durch Insekten übertragene Virusinfektion. Die Erkrankten leiden unter Gelenk- und Muskelschmerzen. Doch diese Infektion und auch das West-Nil-Virus, das unter anderem zu Muskelschwäche führt, ist nicht mehr allein auf tropische Länder beschränkt. Das West-Nil-Virus hat sich inzwischen über ganz Nordamerika ausgebreitet. Das Denguefieber ist mittlerweile in Südfrankreich aufgetreten. Ein 72-Jähriger aus Thüringen infizierte sich nach Angaben des Instituts im August in Kroatien.
Anfang des Jahres entdeckten die Forscher erstmals in Deutschland das Sindbis-Virus, das nach einem ägyptischen Dorf benannt wird. In Baden-Württemberg wiesen sie den Erreger in drei verschiedenen Mückenarten nach. «Wir wissen jetzt, dass diese Viren in Deutschland zirkulieren», sagt Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Bernhard- Nocht-Institut. Die Viren können fieberhafte Erkrankungen mit rheumatischen Beschwerden verursachen. Horstmann berichtet: «Und da taucht plötzlich in Italien ein Exotenvirus auf, das hier gar keiner kannte.» Nach Italien kam das nicht tödliche Chikungunya-Fieber vor drei Jahren. Der Wissenschaftler geht davon aus, dass hier nicht nur der Klimawandel, sondern vor allem die Globalisierung einen Beitrag geleistet hat.
Das Tropeninstitut, das am 1. Oktober 1900 gegründet wurde, sieht sich hier in einer Art Wächterfunktion es soll verhindert werden, dass eine entsprechende Infektionsgefahr vordringt. Im Kampf gegen Malaria, Amöbenruhr oder Lassafieber ist eine internationale Zusammenarbeit für das Institut selbstverständlich. Erst gab es in Liberia eine Außenstelle, in Ghana gibt es seit 1997 ein gemeinschaftliches Forschungszentrum. In Hamburg nahmen seit 1901 an die 9000 Ärztinnen und Ärzte aus aller Welt an einem dreimonatigen Kursus für Tropenmedizin teil. Für die rund 220 Mitarbeiter des Instituts gilt der Leitspruch des Gründers, des Hafenarztes Bernhard Nocht, bis heute: «Forschen, Heilen und Lehren.»