Drucken
öffnen / schließen
Wenn Sie diese Felder durch einen Klick aktivieren, werden Informationen an Facebook, Twitter oder Google in die USA übertragen und unter Umständen auch dort gespeichert. Näheres erfahren Sie hier: https://www.heise.de/ct/artikel/2-Klicks-fuer-mehr-Datenschutz-1333879.html

Millionenspritze gegen Ärztemangel umstritten

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat die erwartete Kostensteigerung durch sein Landarzt-Gesetz gegen scharfe Attacken der Opposition als notwendig verteidigt. SPD und Grüne warfen Bahr reine Ärztebeglückung vor. Die Versicherten müssten das per Zusatzbeitrag bei der Krankenkasse bezahlen. Angesichts einer geschlossenen Länderfront gegen Pläne für die ärztliche Versorgung komplizierter Krankheiten signalisierte Bahr Gesprächsbereitschaft.

«Wir wollen, dass der Landarzt zu den Menschen nicht nur in der idyllischen Vorabendserie kommt», sagte Bahr am Freitag bei der ersten Lesung des Versorgungsstrukturgesetzes im Parlament. «Wir beglücken mit diesem Gesetz die Patientinnen und Patienten.»

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach entgegnete: «Sie beglücken in erster Linie die Kassenärztlichen Vereinigungen. (...) Sie beglücken ein paar Ärzte.» Künftig werde es zwar nicht mehr Hausärzte geben, aber mehr zweifelhafte Angebote der Krankenkassen. Die Versicherten müssten diese per Zusatzbeitrag bezahlen.

Ursprünglich wollte Bahr-Vorgänger Philipp Rösler (FDP) vor allem den drohenden Ärztemangel auf dem Land angehen. Ohne Reform fehlen vor allem in ländlichen Regionen in den kommenden Jahrzehnten nach Schätzungen bis zu 20 000 Ärzte. Über Monate ist ein 185-Seiten-Entwurf mit Dutzenden Reformansätzen entstanden.

So sollen Ärzte in ländlichen Regionen mit Medizinermangel für Behandlungen mehr verdienen können. Ärzte sollen nicht mehr unbedingt nahe der Praxis wohnen müssen. Sie sollen sich besser vertreten lassen können. Ärzte sollen weniger Strafen fürchten müssen, wenn sie viele Arzneimittel verordnen, auch wenn solche Regresse gar nicht so oft vorkommen. Gegen Überversorgung in attraktiven Regionen sollen Kassenärztliche Vereinigungen Arztsitze kaufen können.

Neue Behandlungsmethoden sollen verstärkt zum Einsatz kommen können, auch wenn der Nutzen nicht abschließend bewiesen ist. Kassen sollen verstärkt Homöopathie und rezeptfreie Arznei anbieten können.

Laut Gesetzentwurf müssen die Beitragszahler bis zu 320 Millionen Euro pro Jahr mehr zahlen - Opposition und Kassen fürchten weit höhere Mehrkosten. Bahr sagte, die Investitionen seien nötig. Wachsender Ärztemangel würde noch teurer. CDU-Experte Jens Spahn wies Klientelismus-Vorwürfe zurück: «Wir denken von der Versorgung der Menschen her.» Lauterbach entgegnete: «Die vorhandene Versorgung wird deutlich teurer.» Drohender Ärztemangel werde durch mehr Geld für Mediziner, die schon auf dem Land sind, nicht behoben.

Die Linke und die Grünen verlangten grundsätzlicheres Umsteuern. Für eine flexiblere Ärzte-Verteilung müssten die Kassenzulassungen befristet werden. Mehr Ärzte müssten angestellt arbeiten. Pfleger, Schwestern und Assistenten müssten gestärkt werden. Wo Ärzte Tür an Tür arbeiten, müsse es Abschläge geben.

Gegen eine wohl tiefgreifende Veränderung durch das Gesetz leisteten die Länder bei der parallelen Einbringung in den Bundesrat
Widerstand: Die neue «spezialärztliche Versorgung» sei «ein vollkommen ungesteuertes Leistungssegment», solle komplett gekippt und extra geregelt werden. Spezialisierte Ärzte sollen komplexe Krankheiten besser ambulant behandeln können, auch in Kliniken. Die Länder warnen, das gehe auf Kosten der Hausärzte. Bahr sagte, er wolle darüber mit den Ländern sprechen. Kostensteigerungen seien nicht das Ziel.